Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

Die Frauen wehklagen mit erhöhter Stimme, 
die Männer geben darauf Antworten; diese 
Gesänge heißen Atschem belim belim. 
Am Ende des Dorfes sammeln sich wieder 
einige junge Leute, welche mit Singen und 
Taltschlagen im Gänsemarsch sich nach der 
Mitte des Dorfes zu begeben; eine alte Frau 
beginnt diesen entgegenzutanzen, sie besingt den 
Todten, erzählt seine Thaten und frägt dann 
die Tanzenden: „Wer schlägt für ihn die 
Trommel, wer macht ihm seine Speise u. s. w.“, 
worauf die Männer antworten und mit den 
Füßen stampfen. Um diesen Trupp tanzt ein 
Einzelner, mit einem großen blanken Hanumesser 
bewaffnet und mit demselben allerlei Gesten 
ausführend, als ob er mit Jemandem kämpfte. 
Aus dem Haufen der Frauen tanzen wiederum 
eine alte und eine jüngere Frau dem Zuge 
entgegen, die ältere singt einen dem hohen C 
ähnelnden langgezogenen Ton (Mbia), die 
jüngere denselben mit rhythmischen Bewegungen 
begleitend, welche von den Männern wiederholt 
werden, und so bewegt sich der Zug langsam 
bis zum Todten, welcher im Kreise seiner 
Frauen und von denselben unterstützt, dasitzt. 
Alles geht nach seinen Plätzen. In dieser 
Zeit ist die Grube, von runder Form, fertig- 
gestellt, wiederum ertönen die Trommeln, nach 
verschiedenen Seiten entfernen sich Trupps von 
jungen Leuten, welche unter Geschrei das Dorf 
von vier Seiten angreifen wollen, jedoch von 
dem Bruder des Verstorbenen entdeckt und 
mittelst der schon erwähnten Stöcke empfangen 
wurden. Es zog sich dieses Scheingefecht bis 
in die Mitte des Dorfes, worauf sie sich auf- 
lösten. Unter den Tönen der Trommeln treten 
die versammelten Chefs, jeder mit einem oder 
mehreren Speeren, in die Nähe des Todten. 
Jeder derselben spricht einige Worte zu dem- 
selben, zerbricht die Spcere und legt sie zu 
Füßen des Verstorbenen. 
Wiederum ertönen die Trommeln, die 
Mutter, eine ungefähr siebzigjährige Frau, sitzt 
in der Nähe der Grube und beklagt besonders, 
daß ihrem Sohne keine seiner Frauen getödtet 
werde; erst nach langem Zureden und mit sanfter 
Gewalt ist sie davon zu entsernen. 
Die Feierlichleit hat ihr Ende errcicht. Die 
Nische zur Aufnahme des Leichnams ist fertig. 
Die Leiche wird unter dem Wehgeheul seiner 
Frauen nach der Grube gebracht und von zwei 
Leuten langsam, mit dem Kopfe zuerst, seit- 
wärts liegend (Kopf nach der offenen Seite) 
gebettet. 
Diese wird darauf mittelst Baumrinde ge- 
schlossen. Seine Freunde verabsäumen nicht, 
einige Stücke Erde nachzuwerfen und noch 
etwas zuzurufen, auch dazu ertönt die Trommel.. 
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Man giebt dem Leichnam nichts auf den Weg, 
weder Kleidung, Waffen noch Schmuckgegen- 
stände, sondern bloß die Bemalung und das 
Palmöl. Die Nische wird mit Bananenblättern 
ausgelegt. 
Beim Tode eines Häuptlings ist in der 
Regel der Bruder oder älteste Sohn der An- 
kläger, welcher dann die angeblichen Thäter 
in öffentlicher Versammlung der Zauberei oder 
Vergiftung bezichtigt. Die betreffenden Uebel- 
thäter oder Thäterinnen werden dann zum Tode 
verurtheilt und nach einem Gifttranke aus der 
Ninde von lythrophlaenm guineense 
(ellong) mittelst Lianenschlinge aufgehängt. Ist 
der Tod eingetreten, werden sie vom Medizin- 
manne abgeschnitten; dieser öffnet dann im 
Beisein der Männer den Bauch und sieht, ob 
es wahr ist, daß derselbe den Verstorbenen ins 
Jenseits befördert hat. Natürlich wird er sich 
hüten, das Gegentheil zu behaupten, weil darauf 
große Palaver folgen würden. 
Der die Uebelthäter hinrichtet, ist keine 
bestimmte Persönlichkeit, wie in bivilisirten 
Gegenden, sondern irgend einer aus dem 
Stamme. Er sitzt allein in der Mitte des 
Dorfes während der Dauer der Festlichkeit, zu 
seinen Füßen die Attribute der Gerechtigkeit, 
z. B. mehrere Schlingen und mehrere Stücke 
der schon erwähnten Rinde, die an einem drei- 
gabeligen Aste befestigt sind und die mit 
Blättern eines Farnkrautes und einigen Gras- 
halmen, dic ebenfalls eine Deutung haben, ge- 
schmückt sind. Sein Gesicht ist der Länge 
nach weiß und schwarz bemalt und ist er ohne 
alle Kleidung. Die Getödteten werden dann 
über und unter den Verstorbenen gelegt und 
die Grube geschlossen. Nachher wird an dem 
Plaße ein Pfahl eingerammt, woran der Hut 
oder Anderes gehängt wird, mitunter auch ein 
Schädel oder eine Hand. 
Sur deutschen NRolonialpolitik 
nimmt der Jahresbericht der Handelskammer 
zu Kiel für 1891 eine sehr sympathische 
Stellung. Die Entwickelung unserer Kolonien, 
heitt es in demselben, scheint in ruhiger und 
stetiger Form vor sich zu gehen. Allerdings 
haben wir dabei auch schmerzliche Verluste zu 
verzeichnen. Das darf unseres Erachtens aber 
nicht dazu führen, in der Verfolgung der kolo- 
nialen Bestrebungen zu erlahmen. Jedes Un- 
ternehmen erfordert Opfer. Koloniale Bestre- 
bungen können sich nach alter Erfahrung erst 
nach längeren Perioden in hervorragendem 
Maße nützlich erweisen. Schon die Aufnahme
	        
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