Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

auch die Bananenhaine Deckung gegen Sicht 
boten, so schützten sie doch nicht gegen die nach- 
folgenden Geschosse. Vorgesandte Patrouillen 
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meldeten, daß überall eine Masse Todter lägen; 
es müssen auch sehr viele gesallen sein, denn 
jeder Mann hatte mindestens 25 Patronen 
verschossen und war die Wirkung groß, denn 
die Schüsse wurden auf nächste Entfernung 
abgegeben. 
Ich hielt mich noch etwa 2 Stunden im Dorf 
auf, um die gesammte Einwohnerschaft zu 
sammeln, die mich auf Bitten des Jumbe nach 
Kisaki begleiten wollten. Es war aber eine 
schwere Masse Arbeit, denn diese 500 bis 600 
Menschen in Bewegung zu setzen, war nicht 
leicht, denn jeder wollte sich noch irgend etwas 
holen und wären wir, wenn es nach den 
Leulen gegangen wäre, erst nach einer un- 
endlichen Zeit fortgekommen. Schwierigkeiten 
machte besonders der Jumbe, der immer wieder 
zurückwollte, um sich irgend eine unnütze Sache 
zu holen. Von den Mafitis war nichts mehr 
zu erfahren, sic waren ebenso plößlich ver- 
schwunden, wie sie gekommen waren; die Pa- 
trouillen wußten auch nicht anzugeben, wohin 
sie geflohen waren. — Als die Eingeborenen 
immer noch nicht fortkommen konnten, wurde 
die Kolonne mit Gewalt in Bewegung geseßzt. 
Zuerst marschirten die mit Gewehren be- 
waffneten Leute des Mhunzi, dann folgten 
die Eingeborenen und dann folgte ich mit den 
Soldaten als Deckung; zur Sicherung diente 
eine Vor= und Nachspitze, welche erstere die 
zurückbleibenden Mhunzileute vortrieb. Mein 
Hauptbestreben war, so schnell wie möglich die 
Boma zu verlassen; denn der Marsch durch den 
langen schmalen Gang, der rechts und links 
mit Bäumen und Dorngestrüpp umgeben war, 
wodurch eine Uebersicht und Auiklärung nach 
den Seiten unmöglich wurde, war sehr unan- 
genehm. An den Thoren, die, wie oben be- 
richtet, nur einzeln zu passiren waren, stockte 
die Kolonnc, es entwickelte sich eine große Ver- 
wirrung, die Soldaten mußten halten und 
standen die Glieder mit dem Rücken gegen- 
einander mit fertiggemachtem Gewehr da. Die 
Eingeborenen hatten fast sämmtlich das leßzte 
Thor passirt, die Spibze setzte sich in Bewegung, 
als plötzlich ein dritter Angriff der Mafitis 
erfolgte, sämmtliche Mhunzilente machten Kehrt 
und drängten gegen die Soldaten vor, hinter- 
her folgten die Mafitis; ein Schießen war 
anfangs unmöglich, man hätte die ganzen Dorf- 
bewohner vernichtet. Auf unseren mehrfachen 
Zuruf „chini“ (nieder) legten sich die Leute 
auch hin und konnte das Feuer gegen die An- 
dringenden erössnet werden, die nach kurzer 
Zeit verschwanden. 
  
  
  
Dieser dritte Angriff war der unange- 
nehmste Moment während des ganzen Tages, 
und nur durch die Ruhe und Umsicht der 
Chargen war es möglich, die Masitis, welche 
sonst mit den Eingeborenen zugleich in uns 
eingedrungen wären, abzuhalten. Es hatten sich 
Scenen entwickelt, die jeder Beschreibung spotten. 
Die mit Gewehr bewaffneten Eingeborenen, 
welche ihren Landsleuten als Schutz dienen 
sollten, hatten vollständig den Kopf verloren, 
keiner hatte einen Schuß abgegeben, sondern sie 
drängten durch die Frauen und Kinder durch in 
unserc Kolonne ein; zwischen den beiden Gliedern 
hatten sich eine Menge Schwarze verkrochen, 
so daß man nicht auf dem Erdboden, sondern 
auf Menschen stand; einer von den nenuen 
Sudanesen war vollständig ohne Besinnung, 
er hatte sich zwischen die beiden Glieder gestellt 
und feuerte fortwährend, worauf ich aufmerk- 
sam wurde, als er das Gewehr in ganz be- 
denkliche Nähe meines Kopfes brachte, ich 
schlug es ihm aus der Hand. — Leider hatten 
einige von den Negern unsere Zurufe nicht 
beachtet, sondern liefen, dicht verfolgt von den 
Mahenges, in die Gewehre hinein, so daß 
einige durch ihre eigene Unvorsichligleit an- 
geschossen worden sind. Wie mir der Jumbe 
Mhnnzi nach zwei Tagen berichtet hat, sind 
drei seiner Leute getödtet, einige verwundet 
worden: auch haben welche von den Masitis 
Speerstiche erhalten. Die Leute sind aber allein 
daran Schuld, denn hätten sie auf unseren 
Zuruf gehört, so wäre ihnen nichts passirt: 
es mußte geschossen werden, sonst wären nicht 
nur sämmtliche Soldaten, sondern auch alle 
Eingeborenen verloren gewesen. — 
Nachdem die Masitis verschwunden waren, 
ging ich sofort zur Verfolgung vor, d. h. ich 
verließ die Boma; jetzt marschirten zuerst die 
Askaris unter Sicherheitsmaßregeln, dann 
folgten die Mhunzileute, die aber einen großen 
Abstand zwischen sich und den Soldaten halten 
mußten, wofür die Nachspitze zu sorgen hatte, 
denn ich wollte ein nochmaliges Eindringen in 
die Soldaten verhindern. Der Marsch ging 
langsam vorwärts, denn zuerst marschirte man 
in einem tiefen, jeßt trockenen Graben, dessen 
Ränder mit hohem und dichtem Grase be- 
standen waren; später folgte dann Grasland- 
schaft, die aber mehr Uebersicht gestattete, da 
das Gras meistens abgebrannt war. Die 
Masitis waren in der Richtung auf Kisaki 
zurückgegangen und zwar in regelloser Flucht; 
sie hatten Alles fortgeworfen, was ihnen beim 
Laufen hinderlich sein konnte: Schilde, Trink- 
und Kochgeschirre, ihr aus Pelz oder Federn 
hergestellter Kriegskopsschmuck, Alles lag in 
grosßen Mengen am Wege. Später hatten sie