Dies liegt zum größten Theil an dem geringen
Unternehmungsgeist der Eingeborenen und dem
Mangel einer geeigneten Auleitung, weniger
an ihrem Unvermögen. Die besitzende Klasse
der Suaheli und besonders die ansässigen
Araber haben den Wunsch und das Bestreben,
sich größere Einnahmequellen zu verschaffen
und das bedeutende Arbeiterpersonal, welches
ihnen in ihren Haussklaven zur Verfügung steht
und welches bei dem mangelhaften Betrieb
auf ihren Landgütern für sie jetzt geradezu
eine Last ist, für den Plantagenbau nutzbar
zu machen; es fehlen ihnen nur die geeigneten
Hülfsmittel und die erste Anleitung. Makon=
ganja, einer der größten Häuptlinge im Kilwa-
distrikt, sprach Herrn v. Zelewski, dem
früheren Stationschef, wiederholt den Wunsch
aus, in dem Anbau nnßbringender Produtte
unterwiesen zu werden, um seine Stlaven zu
beschäftigen. Denselben Wunsch äußerten
auch die Araber von Milindani, welche sich
speziell zum Anbau von Baumwolle bereit
erklärten, wenn ihnen Samen geliefert würde.
Es giebt gerade hier im südlichen Küstengebiet
eine großße Zahl von Arabern und Suaheli-
häuptlingen, welche vor dem Aufstande allein
vom Sklavenhandel gelebt haben und jetzt, da
diese Erwerbsquelle versiegt ist, dem Mangel
anheimfallen. Wenn man sich in die An-
schauungsweise der Leute hineinversetzt, welche
in dem Sklavenhandel nichts Unrechtes sehen
und in dem Verbot der Sklavenausfuhr eine
ihnen unverständliche Maßregel erblicken, die
sie ihrer Existenzmittel beraubt, so wird man
auch eine Verpflichtung empfinden, ihnen bei
der Gründung neuer Erwerbszweige behülflich
zu sein. Der Anbau nutzbringender und export-
fähiger Produkte durch die einheimische Be-
völkerung würde der ganzen Kolonie so erheb-
liche Vortheile bringen, daß dies wohl eines
Versuches werth ist. Daß die Araber speziell
Neigung und Befähigung zum Plautagenbau
besitzen, habe ich schon in meinem Buch „über
den Araberausstand“ nachzuweisen gesucht. Die
großen Nelkenplantagen in Sansibar und
Pemba, welche die besten Gewürznelken der
Welt liefern und allein von Arabern und
Suaheli betrieben werden, ebenso wie die
Zuckerindustrie am Pangani Fluß sind hierfür
die besten Beweise. Die Negerstämme des
Innern werden hierzu kaum zu bewegen sein,
und es ist mit Recht von allen Reisenden und
Afrikakennern auf die fast unüberwindliche Ab-
neigung der Neger') gegen alles Neue hin-
*) Die eingeborenen Negervölker sind ethno-
graphisch von den Suaheli, einem Mischvolke zwischen
Arabern und Mombassa-Negern, zu unterscheiden;
dieselben sind mit den Arabern vom Norden ein-
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gewiesen. Der Eingeborene ist der ultrakon-
servativste Charakter, den man sich denken kann.
Er leidet keinen Mangel, fühlt nicht das Be-
dürfniß, sich größere Einnahmequellen zu ver-
schaffen, und setzt daher allen Bestrebungen,
ihn zur Arbeit und selbstständigen Produktion
anzuleiten, einen fast unüberwindlichen Wider-
stand entgegen. Der Enuropäer mit dem er-
drückenden Gewicht seiner Kultur flößt ihm
Bewunderung, Furcht, aber kein Vertrauen
ein, und der wirkliche Buschneger wird solchen
Bestrebungen nur schwer zugänglich sein.
Ganz anders ist sein Verhältuiß zu dem ihm
viel näher stehenden Araber, dessen Ueberlegen-
heit und größere geistige Begabung er aner
kennt, ohne daß sie für ihn etwas unheimlich
Uebernatürliches hättc. Der Araber ist für ihn
eine Autorität, der er sich willig unterordnet,
und welcher einen viel größeren moralischen
Einfluß auf ihn ausübt, als wir je er-
langen werden. Wir werden daher gut thun,
uns der seßhaften deutschfreundlichen Araber-=
elemente für die Kolonisation als Mittelsper-
sonen zu bedienen.
Zum Anbau würden zunächst diejenigen
Kolonialprodukte zu empfehlen sein, welche
wenig Sorgfalt in der Behandlung bean-
spruchen, da auch nur ein geringer Auf-
wand von Mühe und Arbeit Araber und
Suaheli von vornherein abschrecken würde.
Wie schon oben erwähnt ist, hat der Anbau
von Erdnüssen an der portugiesischen Küste,
welche nach Klima und Bodenbeschaffenheit
unserer ostafrikanischen Kolonie am ähnlichsten
ist, eine bedentende Ausdehnung angenommen;
es würden also diese Produkte zunächst ins
Auge zu fassen sein. Zur Kultur für die Ein-
geborenen würden sich dann die in Westafrika
sehr verbreitete Oelpalme und der brasilianische
Kautschukbaum (manihot- glaciovi) eignen.
Diese Bäume bedürfen keinerlei Pflege und sind
schon nach 5 Jahren ertragsfähig, und da sie
in ihrem Heimathlande auf sehr geringwertlhi-
gem Boden zu gedeihen pflegen, so kann man
wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß sie auch
an der ostafrikanischen Küste fortkommen.
Wersen wir nun noch einen Blick auf die
Karawanenstraßen, welche die Mwera-Küste
mit den Nyassa-Ländern verbinden und als
Haupterkehrsadern für uns die allergrößte
Bedentung haben, so sehen wir, daß sich hier
die Verhältuisse in den letzten 20 Jahren sehr
geändert haben. Die alte Karawanenstrasee,
welche von Kilwa über Mesule, Ndaje, Sangesi
gewandert und bilden jetzt mit den eingeborenen
Mrimaleuten die Bevölkerung der deutsch ostafrika-
nischen Küste. Man vergl. Natzel, Ablkerkunde,
I. Bd. S. 103.