Demnächst wurde das Dorf angegrissen, nachdem
noch die ganze übrige Polizeimannschaft von Bord
herangezogen und eine größere Abtheilung Matrosen
ausgeschifft war. Das Dorf wird durch einen tiefen,
elwa 25 Fuß breiten Fluß in zwei Theile getheilt,
einen nördlichen, eben am Strande gelegenen, und
einen südlichen, auf einem Hügel liegenden. In Leßteren
hatten sich die Eingeborenen gefslüchtet und machten
Miene, sich hinter Hänsern und Zäunen deckend, uns
zu empfangen. Nachdem jedoch die Polizeitruppe
den Fluß durch= und überschritten hatte, was, zumal
an manchen Stellen die User sumpfig waren, viel
Mühe kostete, wandten sich die Eingeborenen zur
wilden Flucht in den ans Dorf angrenzenden Busch,
in welchem sie seiner Dichtigkeit halber und beim
Mangel von Führern nicht weiter verfolgt werden
konnten.
Es erfolgte nunmehr die Zerstörung des Dorfes.
Hierbei wurde eine Anzahl von Schweinen er-
beutet, und eine Menge von Waffen, Hausgeräth=
schaften, Schmucksachen und Tanzmasken fiel in unsere
Häude.
Das Dorf Bosso ist ein außerordentlich reinlich
gehaltener großer Platz. Die Häuser, von oblonger
Form mit Eingang an einer Längsseite, stehen un-
mittelbar auf dem Boden (nicht auf Pfählen) und
sind sehr regelmäsig gebaut, mit Atap eingedeckt.
Die Häuser siehen zerstreut auf viereckigen sauber
gehaltenen Plätzen, welche von Manern eingeschlossen
sind, welche aus 2 bis 3 Fuß hoch aufsgeschichteten
Korallensteinen bestehen. Der Ort hat einen großen
Bestand an Kokospalmen, worunter sich zahlreiche
junge befinden, so daß man den Eindruck planmäßiger
An= bezw. Nachpflanzung gewinnt. Dieserhalb scheint
der Platz als Wohnsitz eines Händlers sehr geeignet,
allerdings schon wegen seiner isolirten Lage (etwa
50 Meilen südöstlich vom Nordkap der Jusel Neu-
mecklenburg) nicht sicher.
Der „Bussard“ ging um 3 Uhr nachmittags in
See und steuerte, nachdem in Nusa der Ortskundige
Schulle abgesetzt war, in der Richtung auf die
Tasmaninseln. Diese und die Ontong-Java-(Lord
Howe-) Gruppe hatten schon seit langer Zeit die
Aufmerksamkeit der Verwaltung auf sich gezogen.
Australische Schiffe hatten hier seit Jahren Kopra-
handel getrieben, ohne sich um die Zollgesetze des
Schutgebiets zu kümmern, sie hatten der hier inter-
essirten Firma Forsayht zu Nalum ihr Geschäft
erschwert, ja nahezu unmöglich gemacht, da sie mit
dem auf Kopra liegenden Zoll nicht rechueten. Die
Treibereien dieser australischen Händler hatien es
zuwege gebracht, daß der auf der Tasmangruppe
wohnende Händler der Handlung Forsayht sich
nicht mehr sicher fühlte und im Herbst 1891 die
Gruppe mit dem Schuner der Handlung verließ.
Der Kapitän des Leßteren brachte zugleich einen auf
der Tasmangruppe lebenden Lord Howe-Eingeborenen
Ponisse mit und gestellte denselben als dringend ver-
dächtig, einen Mordversuch gegen besagten Händler
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unternommen zu haben, dem Kanzleramt zur Be-
strafung. Die Untersuchung ließ zwei Tasmaninsu-
laner Puli und Fotau als der Theilnahme an
der Strafthat verdächtig erscheinen, und diese sollten
verhaftet werden. Zudem hatten sich die australischen
Kapitäne den Eingeborenen gegenüber so verächtlich
und geringschätzend über das deutsche Regiment aus-
gelassen, daß es dringend im Interesse des Ansehens
desselben erforderlich schien, die Eingeborenen eines
Besseren zu belehren und ihnen unsere Macht vor
Augen zu führen.
Der „Bussard“ ging am 6. Mai, vormittags
10 Uhr, in der Lagune der Tasmangruppe zu
Anker. Diese sowie die Lord Howegruppe bilden
Atolle, aus einer Anzahl niedriger Inseln bestehend,
deren Korallengrund sehr wenig fruchtbar und vor-
nehmlich mit Kokospalmen bestanden ist. Versuche,
Taros und Yams anzubauen, sind auf Einwirkung
der Handlung Forsayht ins Werk gesetßzt, indessen
fehlgeschlagen. Die Mehrzahl der Inseln ist sehr
klein und infolge dessen sind nur wenige bewohnt,
in der Tasmangruppe allein die große Insel Niu-
manno; auf der Lord Howegruppe finden sich acht
Wohnplätze, von welchen aber nur zwei, Leucneuwa
und Palao, von Bedeutung sind.
Die Bewohner dieser Inselgruppen (zusammen
oberflächlich geschätzt dreihundert) sind außerordentlich
verschieden von denen der benachbarten Inseln des
Schutzgebiets. Ihre Hautfärbung zeigt ein helleres
lichtes Braun, welches auf eine Verwandtschaft mit
der polynesischen Bevölkerung hinweist. Die Männer
haben regelmäßige Gesichtszüge und sind von hohem
Wuchse und sehr vollen weichen Körperformen, was
wohl durch ihre Hauptnahrung, die fetthaltige Kokos-
nuß, erklärt werden dürfte. Die Haare sind durch-
weg glatt oder lang gewellt (nicht dicht an der Kopf-
haut gekräuselt) und werden lang getragen, oft oben
auf dem Kopfe in einen einfachen Knoten geschlungen.
Bei den Männern sind beide Nasenflügel durchbohrt
zur Befestigung des Schildpattschmuckes, welchen man
öfter antrifft. Die Weiber sind von einer abschrecken-
den Häßlichkeit, die Folgen der fetthaltigen Rahrung
äußern sich hierin. Sie sind von äußerst plumper,
fast möchte ich sagen viereckiger Gestalt und ent-
behren ganz des anmuthigen schlanken Wuchses,
welchen man namentlich bei den Papnamädchen der
Astrolabebai so oft wahrnehmen kann.
Sämmtliche Individuen sind über das Gesicht
und den ganzen Körper tättowirt und unterscheiden
sich auch hierin von den benachbarten Salomon-
insulanern. Die Tälttowirung wird bewirkt, indem
in die durch eine Fischgräte beigebrachten Hautritze
die geriebene Kohle eines bestimmten Baumes ein-
gebracht wird; ihr Kolorit ist ein mattes Blau.
Die Sprache der Tasman= und Lord Howe-
insulaner ist dic gleiche und wird, ein Zeichen der
Stammesgleichheit, auch auf der Mortlock= und Feed-
inselgruppe gesprochen.