Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Sicherheit zu siellen war. Selbst für Beurtheilung 
des Stadiums und des Charakters der Krankheit 
giebt uns der mikroskopische Blutbefund deutliche 
Fingerzeige, er läßt uns den Zeitpunkt erkennen, zu 
welchem von unseren Medikamenten Wirksamkeit zu 
erwarten ist, und die Zeitdauer, bis zu welcher ihre 
Anwendung fortgesetzt werden muß, ja wir dürfen 
hofsfen, daß es uns durch die mikroskopische Unter- 
suchung gelingen wird, einerseits so manchen bevor- 
stehenden Fieberanfall rechtzeitig genug zu erkennen, 
um einen Ausbruch der Krankheit überhaupt zu ver- 
hüten, und andererseits dem außerordentlichen Miß- 
brauch wirksam zu begegnen, der in tropischen Fieber- 
gegenden zu Schaden des Organismus noch so vielfach 
mit dem Chinin und seinen Ersatzmitteln getrieben 
wird. Auch aus dem auf das ätiologische Moment 
gestübten Studium der in einigen Tropenländern ge- 
sundenen, unter sich übrigens auszerordentlich wider- 
sprechenden Beziehungen zwischen Tuberkulose, Syphilis 
und Malaria läst sich ein unmittelbar praktischer 
Nupzen für die Patienten erhoffen. — Außerordentklich 
groß ist die Zahl der zunächst lediglich theoretischen 
Fragen, deren erst in fernerer Zukunft durch rastlose 
spstematische Arbeit zu erhoffende Lösung eine größere 
Klarheit in die Tropenpathologie zu bringen bestimmt 
ist. Zwiesach sind die Einflüsse, welche die Tropen 
auf den Gesundheitszustand des in sie versehten 
Enuropäers ausüben und die dadurch für die Akklima- 
tisation in Betracht kommen, einmal sind es die des 
veränderten Klimas an sich; sie müssen als nicht zu 
ändernde Konstante hingenommen werden; dann die 
Einflüsse der den Tropen eigenthümlichen Infektions- 
krankheiten; sie lassen sich durch die Thätigkeit des 
Menschen in mancher Hinsicht beeinflussen und ein- 
schränken, sowohl in allgemein hygienischer als in 
speziell klinischer Hinsicht. 
Unsere Begriffe von dem Einflusse des tropischen 
Klimas als solchen auf den menschlichen Organismus 
entbehren einstweilen noch in vieler Hinsicht der feslen 
Grundlage. Von Bedeutung sind in der Hinsicht 
zunächst allcin die in gesunden Tropengegenden an- 
gestellten Beobachtungen, und deren giebt es nicht 
allzu viele. Singapore, Penang und verschiedene 
günstig gelegene Orte auf Java kommen in der Hin- 
sicht am ersten in Betracht. Ergänzend müssen Beob- 
achtungen in den tropischen Meeren mit ihren den 
Küstengegenden vielfach sehr ähnlichen klimatologischen 
Verhältnissen eintreten. Allgemeine Schlüsse über 
die Akklimatisationsfähigkeit an die klimatologischen 
Verhältnisse der Tropen haben eine Berechtigung erst, 
wenn der Einfluß der verschiedenen Tropenklimata 
auf die Funktionen des Organismus studirt ist. Im 
Laborakorium lassen sich diese Fragen nicht entscheiden, 
der Einsluß der Sonnenstrahlung, Luftfeuchtigkeit und 
des Windes entziehen sich im Experiment naturgemäß 
fast jeder Kontrole. Die trockene windbewegke Hitze 
der tropischen Wüste mit häufig fünf Prozent und 
weniger Feuchtigkeitsgehalt wirkt mit ihrem Einfluß 
auf die temperaturregulirende Hantthätigkeit und das 
  
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Bedürfniß der Wasserzufuhr auf Herz= und Nieren- 
thätigkeit und Respiration naturgemäß außerordentllich 
viel anders als die feuchtigkeitsgesättigte Luft einer 
tropischen Küstengegend bei Windstille, das wird 
Jedem, der nur einmal den Suezkanal und dann 
das Rothe Mcer durchfahren, auch ohne jedes Nach- 
denken über die Gründe praktisch außerordentlich 
sühlbar. Für danernde Ansiedelung kommen praktisch 
freilich ausschließlich oder fast ausschließlich die seuch- 
ten, den Küsten mehr oder weniger nahegelegenen 
Gegenden der Tropen in Betracht. In ihnen sind 
die klimatischen Verhällnisse ja im Ganzen überein- 
stimmend, zeigen aber doch, namentlich was Feuchtig- 
keitsgehalt und Luftbewegung anlangt, genügende 
Differenzen, um eine gesonderte Betrachtung durchaus 
herechtfertigt erscheinen zu lassen, und das um so 
mehr, als in den Tropen ganz im Allgemeinen ge- 
ringfügige klimatische Schwankungen einen außerordent- 
lich viel größeren Einfluß auf den menschlichen Or- 
ganismus haben, als in unseren Breiten. Ihre 
genaue Berücksichtigung gehört demnach zu den her- 
vorragendsten Aufgaben des mit dem Sindium der 
Bedingungen der Akklimatisation beschäftigten Arztes. 
In richtiger Erkenntniß der praktisch hygienischen 
Bedeutung dieser Verhältnisse sind denn auch die 
regelmäßigen klimatologischen Beobachtungen in den 
tropischen Kolonien seilens der Kolonial-Abtheilung 
des Auswärtigen Amtes vorzugsweise den Regierungs- 
ärzten übertragen worden. Sie beziehen sich, soweit 
sie ein Interesse in physiologischer Hinsicht bean- 
spruchen, auf mehrmalige, mindestens dreimal täglich 
ausgeführte Temperatur= und Feuchtigkeitsbestimmun- 
gen mit gleichzeitiger Barometerablesung, sowie genaue 
Angaben über Windstärke und Richtung, Sonnen- 
strahlung, Bewölkung und Niederschlägc. Mit ihnen 
Hand in Hand sollten regelmäßige Untersuchungen 
der wichtigsten und einsachsten physiologischen Körper- 
funktionen gehen, wie ich sie auf zwei Tropenreisen 
regelmäßig vorgenommen habe und wie sie sich in 
der That leicht und ohne großen Zeitverlust ausführen 
lassen, Körpertemperatur-, Puls= und Blutdruck- 
bestimmungen, Messungen des Urinquankums und 
seines spezisischen Gewichtes, Bestimmungen der Ath- 
mungsfrcquenz und ähnliche. Das ist ein Gebiet, 
auf dem namentlich die Aerzte der Kriegs= und 
Handelsmarine eine außerordentlich danlbare Thätig- 
keit finden und zur Klärung unserer Vorstellungen 
von der Aeuderung der Körpersunktionen unter dem 
Einfluß des wechseluden Klimas wesemlich beitragen 
können. Gemeinsame Arbeit Vieler thut gerade hier 
um so mehr noth, als sich eine Anzahl der in Frage 
kommenden Untersuchungen mit der erforderlichen 
Regelmäßigkeit und Häufigkeit nur ausnahmsweise 
an einem anderen als am eigenen Körper ausführen 
lassen. Dabei sind komplizirte-Apparate in der be- 
zeichneten Umgebung nach Möglichkeit zu vermeiden. 
Mit einem Fueßschen Reisebarometer, einigen genau 
kontrolirten Thermometern, einem stets unter genauer 
Kontrole zu haltenden Haarhygrometer für hygro-
	        
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