Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Nichtsnutzen streng befolgt wird. Dasselbe gilt für 
die fünfmaligen Gebete am Tage, denen jedesmal 
eine Körperreinigung vorausgehen muß. 
In Oman giebt es nur wenige Minarels, 
da der Gebetsrufer aus der Thüre der Moschee 
heraus den Lockruf zum Gebete erschallen läßt. 
Infolge dessen fehlt auch die sonst im Orient 
übliche Illumination der Minarets. In der Stadt 
deutete nichts auf das Fest; Alles ging seinen ge- 
wöhnlichen Gang. Des Abends feierten wir den 
Geburtstag meines liebenswürdigen Gastfreundes. 
Nach Tische wurde musizirt. Mrs. Maguire spielte 
Harse und Klavier und versügte außerdem über eine 
gute Stimme. Ihr Gemahl sang Bariton. Ich 
ging befriedigt zu Belt, um am anderen Morgen 
dem Sultan meine Aufwartung zu machen. Der 
Palast ist zweistöckig, ohne Gitterwerk und sehr 
ärmlich ausgestattet. An der eisenbeschlagenen Thüre 
stand ein Neger, der das Entree in klingendem 
„Backschisch, verlangte. Man führte mich durch 
den Hofraum zu einer hölzernen Treppe in den 
ersten Stock und von hier aus in ein langes schmuck- 
loses, dem Meere parallel liegendes Audienzzimmer. 
Ungefähr 40 Wiener Stühle standen an je einer 
Langseite. Der Fußboden bestand aus schachbrett- 
artig zusammengelegten schwarz und weißen Marmor- 
fliesen. Die Wände waren weiß getüncht und jeg- 
lichen Schmuckes bar. Diese Einfachheit überraschte 
mich nicht. Von der viel besungenen Pracht des 
Orients weiß der richtige Araber nichts. Das 
Nomadenthum sitt selbst dem Städter noch im Blute. 
Schmuck und dergleichen betrachtet er als unmänn- 
lich und überläßt dieses seinen Frauen. Verbietet 
ihm doch die ibadytische Doktrin sogar das Tragen 
von Gold und Seide. Die Verhältmisse, unter denen 
er lebt, sind eben noch ziemlich dieselben wie zur 
Zeit des Propheten, und die Bodenbeschaffenheit 
macht ihn zu dem, was er ist. 
Patriarchalisch, wie man lebt, hat jeder Freie das 
Recht, unangemeldet den Sißungen des Herrschers 
beizuwohnen und etwaige Klagen direkt vorzubringen. 
Der Fürst hört ihn an und entscheidet, nöthigenfalls 
mit Hülfe seiner Richter. Das ganze Versahren ist 
kostenfrei und den Bedürsnissen dieser einfachen Ver- 
hältnisse entsprechend zugeschnitten. Bestechungen und 
Beeinflussungen der Richter kommen beidieser Religions- 
sekle, den „Ibadyten"“, weniger vor. Seine Hoheit 
Seyjid Fesal ben Turki erschien nach einiger 
Zeit in Begleitung seines Bruders Mhammed 
und seines Vetters Beder. Von sonstigen Per- 
sonen kam bloß der Geheimschreiber Mhammed 
ben Azzan mit. Auf den ersien Bllck erkannte 
ich den Familientypus der Jäl bu Sa' aydi, ohne 
mir indeß gewiß zu sein, welcher von den Dreien 
den Sultan vorstelle. Die Herren nahmen sämmtlich 
an der Langseite des Zimmers mir gegenüber Platz 
und ließen den an der Kurzseite befindlichen Sultanssitz 
umbesetzt. Da es bei den Arabern keine Vorstellung 
in unserem Sinne giebt, so war die Möglichkeit 
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nicht ausgeschlossen, daß Seine Hoheit nicht unter 
den Gekommenen sei und vielleicht erst später er- 
scheinen würde. In diesem Sinne hielt ich meine 
Anrede, deren Beanklworkung meine Zweifel hob. 
Seyjid Fesal unterscheidet sich von seiner Um- 
gebung durch seine dunklere Hautfarbe. Seine 
Gesichtszüge sind edel. Zwei intelligente Augen be- 
leben den Ausdruck derselben, ein schwarzer Bart 
umrahmt das Gesicht. Der Schnurrbart wird bei 
den Ibadyten wie ein Flaumbärtchen gehalten, damit 
die im Allgemeinen als unrein geltenden Haare beim 
Essen nicht hinderlich sind. Ebenso wird der Kopf 
und der übrige Körper geschoren. Nur der Bart 
gilt als unantastbar. Denselben schneiden gilt als 
ein Schimpf. Bei jeder Betheurung eines Ver- 
sprechens oder dergleichen fährt der Sprechende mit 
der Hand über seinen Bart oder über die paar 
Härchen, welche an der Stelle desselben stehen. — — 
Seyjid Fssal trug dieselbe Kleidung wie seine 
Begleiter, als Kopfbedeckung den hier zu Lande 
üblichen und hier gefertigten einfachen Turban aus 
blau und rothem Wollenzeug, den sich jeder Araber 
selbst täglich umbindet. Auch Fösal besorgt dies 
selbst, schürzt aber den über der Stirne befindlichen 
spitz zulaufenden Theil etwas höher hinauf als 
Andere. Unter dem dunklen, im Rücken und vorn 
mit Goldbesatz verzierten Ueberwurf (bischt) be- 
findet sich das lange, beinahe bis auf die Erde 
reichende weiße Hemd, welches durch den Dolch- 
gürtel über den Hüften umschlossen wird. Die Füße 
werden durch Sandalen geschützt, diese aber vor 
dem Eintreten in die Zimmer abgelegt. — — 
Da ich von Sansibar kam, so mußte ich dem 
Sultan über das Ableben des Seyjid Aly er- 
zählen. 
Ich bot ihm eine kürzlich genommene Photographie 
des Verstorbenen an, worauf er mir erwiderte: Er 
habe das Bild des Verstorbenen in seinem Herzen, 
er danke mir für meine Aufmerksamkeit. Dann 
sprachen wir über meine Angelegenheiten. Ueber 
meine Person, sagte der Sultan, habe er von seinem 
verstorbenen Bruder Chalyfi während des Auf- 
standes an der sansibaritischen Küste viel gehört. Er 
freue sich, einmal einen Deutschen kennen zu lernen, 
und er würde jetzt, nachdem dies geschehen, die deutsche 
Sprache zu erlernen suchen. Hierzu muß ich be- 
merken, daß er außer Arabisch, Hindustani und Suaheli 
auch etwas Persisch spricht und eine gewisse Vorliebe 
für Sprachstudien bekundete. 
Nachdem die Audienz über eine Stunde gedauert 
hatte, hielt ich es an der Zeit, zu gehen. Der 
Sultan geleitete mich bis zur Treppe, und nach Aus- 
tausch der gebräuchlichen Wünsche verabschiedeten wir 
uns. Für den Linguisten wird es nicht ohne Interesse 
sein zu erfahren, daß der Sultan im ersten Theile 
seiner Unterredung alle Mühe aufwandte, um litterär- 
arabisch zu sprechen. Auf meine Frage, warum er 
dies thue und nicht lieber sein schönes Omani spräche, 
gab er mir zur Antwort, daß er es für feiner hielte,
	        
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