Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

alten Mhimageschlecht entsprossen, von denen nur 
einige in diesen Ländern die Berechtigung zu haben 
scheinen, die regierenden Herrscher zu geben, er ist 
absoluter Herrscher über die aus zwei Klassen be- 
stehende Bevölkerung, die Wawelu und die Wahima. 
Die Wavelu, wahrscheinlich die Urbevöllerung, 
welche in den verschiedenen Ländern auch verschiedene 
Namen tragen, sind das Arbeitsvolt. Sie bebauen 
die Aecker, während der Mhima jede andere Arbeit, 
außerder Pflege seines Viehes, verachtet. Der Mwelnu ist 
anscheinend von Natur sehr feige, sonst wäre es den 
Wahima nicht möglich, bei ihrer geringen Anzahl 
in der starken Bevölkerung der Wavelu eine der- 
artige Herrscherrolle zu spielen, wie sie es in der 
That thun. Wahrscheinlich waren die Wavelu bei 
dem Eindringen der Wahima in viele kleine Stämme 
zersplittert und konnten der Invasion einer einheit- 
lichen, besonders durch vielen Fleischgenuß gekräf- 
tigten Volksmenge nicht standhalten. Die Wahima 
unterjochten diese Völker und machten sie zu dem, 
was sie augenblicklich sind, eine arbeitsame, mehr 
für ihre Herren als sich selbst arbeitende genügsame 
Bevölkerung, die aber stets vor den Besuchen ihrer 
Herren zittert. Dabei sind die Leute frei, haben 
ihre eigenen kleinen Herrscher, führen Kriege von 
Thal zu Thal, die aber meist höchst unblutig ver- 
laufen, und sind dadurch, daß sie auf ihr eigencs 
Gebiet beschränkt sind, merkwürdig unorientirt über 
ihre nächste Umgebung. Am meisten läßt sich wohl 
ihr Loos mit dem des deutschen Bauern im Mitiel- 
alter vergleichen. 
Die Wahima sind ein äußerst schönes, ansehn- 
liches Volk, nicht nur unter Negern, sondern auch 
unter den kritischen Augen des Europäers. Hoch 
und schlank gewachsen mit wundervoll gebildeten 
Händen und Füßen, vereint der Mhima in seinem 
Aeußeren die Krafterscheinung eines Naturmenschen 
mit der klassisch schönen Erscheinung der Statue 
eines Praxiteles. Kein Wunder, daß derartige 
Erscheinungen bei ihrem Vordringen gegen die im 
Kampse um das tägliche Brot verkümmerten Acker- 
bauer obsiegen mußten. 
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Außer ihrer persönlichen Ueberlegenheit kam, 
ist — es ist das bevölkertste Land, welches ich in 
wie schon oben erwähnt, den Wahima ihr geschlossenes 
Auftreten gegenüber der in kleine Stämme zer- 
sprengten Urbevölkerung zu statten. 
gekommen sind, wird wohl genau nicht festzustellen 
sein. 
große weiße Berge seien, und wo der Mond aus 
den Spitzen neue Kraft und sein schönes weißes 
Licht schöpft“. Sehr geschickt haben diese Eroberer 
verstanden, einen alten Geisterglauben für sich nutzbar 
zu machen: ob sie denselben selbst eingeführt oder 
schon vorgesunden haben, lasse ich dahingestellt. — 
In allen diesen Ländern existirt nämlich der Glaube 
an einen großen Gott oder Geist Njawingi. Der- 
selbe thut Alles, weiß Alles, sieht Alles. Ich fragte 
einmal einen Eingeborenen, wo nun ihr Njawingi 
wäre, und er antwortete darauf: „Das weiß ich 
Woher sie selbst 
Sie geben ein Land im Nordosten an, „wo 
werden hauptsächlich Erbsen, Bataten, 
nicht, vielleicht sitzt er gerade unter deinem Stuhle.“ 
Seine Priester sind hauptsächlich alte Weiber, die 
durch Tanz, Verzückungen, Opfer und Prophe- 
zeiungen mit ihm verkehren. 
Diesen Geist gaben nun die Wahima als ihren 
Urvater aus und genießen infolgedessen auch ein 
abergläubisches Ansehen. Ich habe mir diese Er- 
scheinung dahin erklärt, daß sich die Wawelu bei 
ihrer starken Anzahl nicht erklären konnten, weshalb 
die Wahima in ihrer Minderzahl imstande waren, 
sie zu unterjochen, und sie daher für etwas Ueber- 
irdisches halten mußten. — Der Aberglaube der 
Wawelu geht aber so weit, daß sie bei unserem An- 
blick ihre Waffen weglegten, uns Europäer für Nja- 
wingis erklärten und uns durch lantes Händeklatschen 
ehrten. Der Aberglaube der Wahima scheint jedoch 
nicht minder groß zu sein. Kingele, der Obersultan 
von Ruhanda, vermied zweimal durch fluchtähnlichen 
Abmarsch ein Zusammentreffen mit mir, angeblich 
nur, weil seine Medizinmänner ihm erklärt hätten, 
es wäre für ihn nicht gut, einen Europäer zu sehen. 
In diesem Fall wird er wohl weniger den Anblick 
eines Europäers als eine eventuelle Anwendung 
unserer Waffen gescheut haben, deren Wirkung, be- 
sonders des Schnellfeuergeschützes, bei diesen bisher 
noch nic von der Kultur beleckten Wilden ins Unge- 
heuere vergrößert wurden. Ich selbst erachte die 
Wahima unseren Waffen gegenüber als für dieselben 
Gegner wie die Massai, als nicht besonders ge- 
fährlich. 
Das von der Expedition durchzogene Land siellt 
in seinem Haupttheile ein Hochgebirge mit Höhen 
bis zu 3000 m dar. Nur nach dem Albert-Edwardsee 
hin flacht es sich zu einer Ebene ab, eine andere 
Ebene wird durch das Thal der Kagera gebildet. 
In den Thälern sind Papyrussümpfe nichts Seltenes. 
ein größerer wunderschöner Gebirgssee von etwa 
10 km Länge und 5 km Breite wurde in Ruhanda 
angetrossen. Die Kagera selbst ist nur bis etwas 
oberhalb Kitengule schiffbar, da sich im weiteren 
Oberlauf viele Katarakte finden. Das Land ist gut 
angebaut, selbst an den steilsten Hängen sind Felder 
angelegl. Da die Bevölkerung eine sehr zahlreiche 
Ostafrika gesehen habe —, sieht man wenige unan- 
gebaute Strecken. Trotdem sollen im Westen Ru- 
handas Elefanten nichts Seltenes sein. An unbe- 
banten und nicht bevölkerten Strecken ist das Land 
meist von einem dichten Urwald bedeckt, wo man 
häufig zahlreiche Elefantenspuren antrifft. Aus- 
nehmend zahlreich scheinen die jährlichen Nieder- 
schläge zu sein, da die Eingeborenen selbst angeben, 
daß es während des ganzen Jahres regnet. Gebaut 
Matama, 
Eleusine und wenig Bananen. Eine Skizze des 
Marsches der Expedition werde ich nach Fertigstellung 
derselben einsenden. 
Der Gesundheitszustand war als ein durchaus 
befriedigender zu bezeichnen. Trotdem, oder auch
	        
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