Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

ein Nachkomme der alten Kapullahfürsten inne hat, 
während der erste Günstling des Lamido, Agia, ein 
Freigelassener ist. Die Fullahs bilden im Gegensatze 
hierzu gewissermaßen den Großadel und stehen ihnen 
fast seindlich gegenüber. Uns hatte man zu unserem 
Schaden den Kapullahs überwiesen, und dieses hab- 
süchtige, heimtückische Gesindel hielt uns von den 
Fullahs möglichst fern, um uns lediglich für ihre 
Zwecke ausnußen zu können. Sie sind es auch, 
welche den Lamido stets zu neuen Kriegszügen reizen, 
denn während die Fullahs lieber die Früchte ihrer 
früheren Eroberungen in Ruhe genießen möchten, 
hoffen diese Emporkömmlinge erst aus neuen Kriegs- 
errungenschaften Nutßen zu ziehen. Vor Ngambe 
nun scheint dem Eroberungszuge allerdings ein Halt 
geboten zu sein. Denun während es den kriegerischen 
Horden anscheinend unschwer gelang, die unter sich 
uneinigen Heidenstämme südlich des Gebirges zu 
unterwerfen und selbst die mächtigen WulEsürsten in 
das Tributverhältniß zu zwingen, sanden sie bei den 
zu Tikar gehörigen Mandiongolos einen unerwarteten 
Widerstand. Vier Jahre liegt nun schon die ganze 
Macht des Tibatihäuptlings vor dem stark besestigten 
Ngambe, und deuten absolut keine Anzeichen darauf 
hin, daß die ihrer Kraft wohl bewußten Bewohner 
dieses Ortes zu Kreuze kriechen werden. Der Krieg 
selbst wird in echt afrikanischer Weise geführt. Er 
beschränkt sich auf beiden Seiten darauf, dem Gegner 
dann und wann in den Farmen beschästigte Sklaven 
abzufangen, und bringen dann die Helden einige 
Köpfe nach Hause, so ist der Siegesjubel groß. 
Außerdem ziehen allwöchentlich einmal die tapferen 
Tibatikrieger in Haufen dicht an den, dem Sanserni 
nächstgelegenen Theil der Besestigungen; das Kriegs- 
geheul, Trommeln und Hörnerblasen und das ge- 
waltige Schießen läßt den Unbetheiligten die größte 
Feldschlacht vermuthen. Das Resultat ist dann im 
schlimmsten Fallc ein Pfeilschuß oder Speerstich, den 
ein übereifrig sich exponirender Held auf seine Rück- 
seite als Denkzettel erhalten hal. Im Allgemeinen 
hofft der Tibatihäuptling, die Gegner durch Hunger 
zu bezwingen, doch glaube ich nicht, daß ihm dies 
bei den enormen Hilfsmitteln derselben je gelingen 
wird. 
Amalamu selbst ist ein hochgewachsener Mann 
von ungefähr 26 Jahren mit einem Fullahtypus 
und auffallend hellem Gesichte. Er ist das Prolotyp 
des verschlagenen Afrikaners; Habsucht und Grausam= 
keit sind seine Haupteigenschaften, welche, geschickt ge- 
nährt durch seine Rathgeber, ihn zur verhaßtesten 
und gefürchteisten Geißel von Süd-Adamana gemacht 
haben. Daß er der Morgenschen Expedition so 
freundlich begegnete, hatte lediglich den Grund darin, 
daß er von dieser, die nur noch mit den spärlichsten 
Mitteln versehen war, nicht viel für sich erwarten 
konnte und mit Recht hoffte, daß bei herzlichem Ent- 
gegenkommen ihn wieder Weiße aussuchen würden, 
denen gegenüber er seine trügerische Maske werde 
fallen lassen können. Mangels größeren Naubes 
  
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verschmäht er auch Geringes nicht; so läßt er ein- 
zelne Haussas, welche mit dem in Sanserni Erwor- 
benen heimwärts ziehen wollen, durch seine Leute 
im Busche auflauern und berauben. Zu seinem 
Oberherrn in Yola steht er in einem änßerst ge- 
spannten Verhältniß. Es ist Sitte, daß alle Ada- 
mauafürsten behufs Erlangung ihrer Anerkennung 
nach Yola reisen, um dort vom Emir feierlich installirt 
zu werden; Amalamu hat trotz vielfacher Mahnungen 
des Emirs diese Reise bisher unter Hinweis darauf, 
daß er sich im Kriege befinde, hinauszuschieben ge- 
wußt, wie sein Bestreben überhaupt dahin geht, sich 
vollständig unabhängig zu machen. Selbstverständlich 
ist der Emir von Yola sehr erbost über diesen un- 
gesügen Vasallen, und zu der Zeit, als ich Adamana 
bereiste, hatte er verfügt, daß sämmtliche vom Norden 
in das Tibatireich führenden Handelsstraßen gesperrt 
würden und kein Kaufmann Waaren dahin bringen 
dürse. Derartige Repressalien werden nun für den 
Lamido, der gegen seine Feinde alle Hände voll zu 
thun hat, sehr unangenehm, und versucht er dann, den 
Jorn seines Oberherrn durch außerordentlichen Tribut, 
speziell an Sklaven, zu besänftigen. Da es nun fast 
nicht mehr möglich ist, aus den entvölkerten Gegenden 
des mittleren Mbam und des südlichen Adamana 
die nöthige Anzahl zu erlangen, werden die Wutc- 
häuptlinge zu verstärkten Lieferungen aufgefordert, 
und deshalb ist es erklärlich, daß diese gezwungen 
sind, ihre Raubzüge stets weit auszudehnen und 
blühende, von arbeitsamen Leuten bewohnte Land- 
striche in Wüsteneien zu verwandeln. Das war auch 
der Grund, warum ich es so sehr bedauerte, die 
Balingastation aufheben zu müssen, deren vornehm- 
lichste Aufgabe ich darin sehe, ein Bollwerk gegen 
die vordringenden Sklavenräuber zu sein. 
Im Austrage des Lamido wurden mir zwei 
Ochsen gebracht. Nun war alle Noth bei meinen 
Leulen vergessen, und wir richteten uns in der Vor- 
aussicht, doch einige Wochen hier liegen bleiben zu 
müssen, vollkommen häuslich ein. Unsere Hütten 
waren am äußersten Nordwestende des Sanserni, 
kaum 1000 m von den Besestigungen von Ngambe 
entsernt, so daß wir mit freiem Auge die Wachen 
der Mandiongolos auf dem Walle erkennen konnten. 
In einem umzäunten Raume befanden sich die Hütten 
für Häring, mich und die Jungen, ferner die 
Küche und das Wachzelt; um diesen Plaßz gruppirten 
sich die Hütten der Leute, nur eine derselben war 
etwas abseils im Orte gelegen. Den nun glücklich 
zurückgelegten ersten Abschnitt der Expedition be- 
schlossen Häring und ich durch ein opulentes Mahl 
zu feiern, dessen Menn ich anbei gebe: Bouillon, 
Rindfleisch mit Senf, gedünsiete Leber mit Eiersalat, 
Beessteak mit Gemüse, Honig, Kassee. Als Getränk 
Durrhabier, und zum Nachtisch wünschten wir uns 
bei einer Flasche Sekt Glück, die Hauptschwierigkeiten 
überwinden zu haben und nun bei uus freundlich 
gesinnten, gesitteten Völkern unserer Aufgabe weiter 
gerecht werden zu lönnen. Leider sollte sich diese
	        
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