Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

genommen war, so daß Nasenspitze und Oberlippe 
lediglich durch den kleinen Hautlappen verbunden 
sind. Trotz des Anbaues ist das Land sehr wild- 
reich, und besonders am Fuße des Gebirges finden 
sich außer Büssel und Antilopen Elefanten in großer 
Menge. Die Städte sind alle mit Wall und Graben 
versehen und haben meist einen ganz bedeutenden 
Umfang, da innerhalb der Befestigungen auch so viel 
angebautes Land liegt, daß die Bewohner bei einer 
längeren Belagerung des Platzes durch dessen Er- 
trägniß vor Mangel geschützt sind. Die Häuser sind 
rund, aus Lehm aufgeführt und haben sehr spitze 
Dächer. Im Innern sind sie äußerst sauber ge- 
halten und nicht selten in drei bis vier Räume ab- 
getheilt. Mit besonderer Sorgsalt sind hier die 
Königsplätze angelegt. Durch die Umzäunung aus 
Flechtwerk gelangt man zuerst zu dem mit schattigen 
Bäumen bedeckten Spiel= und Palaverplatz, dessen 
Abschluß ein oder zwei oft bis 15 m hohe recht- 
eckige Lehmhäuser bilden; erst hinter diesen befinden 
sich die Hütten der einzelnen Familienmitglieder. 
Zwei Stunden wurden wir von den Mandiongolo- 
führern an den Befestigungen entlang geleitet, bis 
uns endlich dicht daran in schattiger, übersichtlicher 
Lage ein Schlafplatz angewiesen wurde. Kaum 
waren wir angekommen, als auch bereits im Auf- 
trage des Häuptlings uns eine kolossale Essens- 
sendung, bestehend aus Durrha-Pudding, weißer Hirse 
in Geflechten, gekochten Kürbissen und entengroßen 
Hühnern und Eiern, überbracht wurde. Diese 
Sendungen wiederholten sich noch am selben Abend 
und am nächsten Morgen. Ich hatte ihm sofort 
meine Gegengeschenke übermitteln lassen und schickte 
mich am nächsten Morgen an, dem Häuptling meinen 
Besuch abzustatten. 
Ngamb ist weitaus die interessanteste Stadt, 
welche ich während meiner Reise betreten habe. In 
einem Umfange von ungefähr 15 bis 18 km zieht 
sich um dieselbe ein 5 m tiefer, tadellos erhaltener 
Graben. Derselbe ist oben 5 bis 6 m breit, läuft 
spitz zu, so daß die Grabensohle eine Breite von 
1 m haben dirste. Hinter diesem ist ein Wall auf- 
geführt, welcher mit Pallisaden gekrönt ist, und diese 
wieder sind alle 80 bis 100 Schritte durch stark 
verpfählte, mit Schießscharten versehene, kaponieren- 
artige Vorsprünge unterbrochen. Ueber den Graben 
führen, lediglich auf der Sanserni abgewendeten 
Seite, zwei Brücken. Auf schmalen, einziehbaren 
Balken betritt man hier die Stadt und befindet sich 
vorerst in den als Wachlokale dienenden Wart- 
thürmen. 
Tritt man aus diesen Räumen heraus, so erblickt 
man, soweit das Auge reicht, nur Korn= und Durrha- 
selder, zwischen denen zerstreut sich die Wohnhütten 
befinden. Da auch rings am Glacis sich Mais-, 
Casseda= und Erdnußfelder befinden, dürfte es den 
Tibatis doch sehr schwer fallen, den Plaß auszu- 
hungern. An den Befestigungen wurde neun Jahre 
gearbeitet, da der Häuptling in der Voraussicht, 
160 
  
daß die rücksichtslos vordringenden Fullahhorden 
auch ihn bald angreifen würden, sich zeitig für diesen 
Fall vorbereilet hatte. Ursprünglich war nur die 
Hälfte der jetzigen Stadt umwallt, doch haben sich 
allmählich alle Landbewohner dahin zurückgezogen. 
Vor dem Kriege soll Ngambé der reichste und 
größte Handelsplatz von ganz Tikar gewesen sein 
und viele Haussas sich dort aufgehalten haben. Seit 
der Belagerung jedoch stockt jeder Handel und 
Verkehr. 
Ich wurde auf dem Königsplatz, dem schönsten, 
den ich je in Afrika gesehen habe, empfangen. Die 
hohen, viereckigen Häuser waren mit grober, jedoch 
nicht eben kunstloser Malerei bedeckt; in der Mitte 
des Platzes erhob sich ein ungefähr 15 m hohes, 
thurmartiges Gebäude, die Schaßkammer, wie mir 
mitgetheilt wurde. Der Häuptling, ein Mann von 
etwa 60 Jahren, mit würdigen, doch energischen Zügen, 
saß auf einem niederen Schemel. Er trug ein langes, 
blaues Gewand und auf dem Kopfe eine niedere 
Mütze; von einem Ohr zum anderen über das Kinn 
laufend hatte er ein steifes Perlencollier. Neben 
ihm saßen seine mit Rothholz gefärbten Frauen, 
jedes Wort aus seinem Munde mit stetem U—U 
der Akklamation begleitend; die ihn umgebenden 
Krieger hatten vielfach Steinschloßgewehre, so daß 
auch in der Bewaffnung die Mandiongolas nicht 
den Tibatis nachzustehen scheinen. Er begrüßte mich 
freundlich und versicherte mir seine große Frende, 
endlich auch einmal einen Weißen bei sich zu sehen, 
und versprach mir, mich bis zum Mbam geleiten zu 
lassen, weiter sei es nicht möglich, da die Bewohner 
des nächsten Platzes, obgleich eines Stammes mit 
ihm, infolge der Verhetzung durch die Fullahs mit 
ihm in Feindschaft lebten. Das ganze Wesen dieses 
durch die Belagerung lange auf sich selbst ange- 
wiesenen Häuptlings war ein durchaus würdevolles 
und selbstbewußtes, und nicht die geringste An- 
spielung, ihn im Kriege zu unterstützen, fiel, ja nicht 
einmal den kleinsten Versuch machte er, von mir 
Gewehre zu erhalten, ein Ansinnen, das doch sonst 
selbst im unbedeutendsten Orte an mich herantrat; 
und so sehr mich auch mein soldatisches Gefühl dazu 
trieb, mit ihm vereint an den Tibatis Nache zu 
nehmen, mußte ich doch diesen Wunsch dem höheren 
Zwecke unterordnen und versuchen, der mir gestellten 
Ausgabe gerecht zu werden. Er bat mich nur, 
wiederzukommen und, wenn möglich, dann in 
Handelsverbindung mit ihm zu treten. Leider konnte 
ich ihm dies nicht versprechen, doch wäre es ein 
Segen für Kultur und Civilisation, wenn endlich 
dem Buschllepperhäuptling von Tibati das Hand- 
werk gelegt würde und ein arbeitsames, kulturfähiges 
Volk aus seinen Umklammerungen befreit würde. 
Am 29. Mai verließ ich das mir in dieser 
kurzen Zeit so lieb gewordene Volk. Meine Leute 
trennten sich schwer von den Fleischtöpfen Ngambes, 
und während der ganzen Nacht prasselten noch lustig 
die Kochfeuer und hörte das Schachern und Handeln
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.