genommen war, so daß Nasenspitze und Oberlippe
lediglich durch den kleinen Hautlappen verbunden
sind. Trotz des Anbaues ist das Land sehr wild-
reich, und besonders am Fuße des Gebirges finden
sich außer Büssel und Antilopen Elefanten in großer
Menge. Die Städte sind alle mit Wall und Graben
versehen und haben meist einen ganz bedeutenden
Umfang, da innerhalb der Befestigungen auch so viel
angebautes Land liegt, daß die Bewohner bei einer
längeren Belagerung des Platzes durch dessen Er-
trägniß vor Mangel geschützt sind. Die Häuser sind
rund, aus Lehm aufgeführt und haben sehr spitze
Dächer. Im Innern sind sie äußerst sauber ge-
halten und nicht selten in drei bis vier Räume ab-
getheilt. Mit besonderer Sorgsalt sind hier die
Königsplätze angelegt. Durch die Umzäunung aus
Flechtwerk gelangt man zuerst zu dem mit schattigen
Bäumen bedeckten Spiel= und Palaverplatz, dessen
Abschluß ein oder zwei oft bis 15 m hohe recht-
eckige Lehmhäuser bilden; erst hinter diesen befinden
sich die Hütten der einzelnen Familienmitglieder.
Zwei Stunden wurden wir von den Mandiongolo-
führern an den Befestigungen entlang geleitet, bis
uns endlich dicht daran in schattiger, übersichtlicher
Lage ein Schlafplatz angewiesen wurde. Kaum
waren wir angekommen, als auch bereits im Auf-
trage des Häuptlings uns eine kolossale Essens-
sendung, bestehend aus Durrha-Pudding, weißer Hirse
in Geflechten, gekochten Kürbissen und entengroßen
Hühnern und Eiern, überbracht wurde. Diese
Sendungen wiederholten sich noch am selben Abend
und am nächsten Morgen. Ich hatte ihm sofort
meine Gegengeschenke übermitteln lassen und schickte
mich am nächsten Morgen an, dem Häuptling meinen
Besuch abzustatten.
Ngamb ist weitaus die interessanteste Stadt,
welche ich während meiner Reise betreten habe. In
einem Umfange von ungefähr 15 bis 18 km zieht
sich um dieselbe ein 5 m tiefer, tadellos erhaltener
Graben. Derselbe ist oben 5 bis 6 m breit, läuft
spitz zu, so daß die Grabensohle eine Breite von
1 m haben dirste. Hinter diesem ist ein Wall auf-
geführt, welcher mit Pallisaden gekrönt ist, und diese
wieder sind alle 80 bis 100 Schritte durch stark
verpfählte, mit Schießscharten versehene, kaponieren-
artige Vorsprünge unterbrochen. Ueber den Graben
führen, lediglich auf der Sanserni abgewendeten
Seite, zwei Brücken. Auf schmalen, einziehbaren
Balken betritt man hier die Stadt und befindet sich
vorerst in den als Wachlokale dienenden Wart-
thürmen.
Tritt man aus diesen Räumen heraus, so erblickt
man, soweit das Auge reicht, nur Korn= und Durrha-
selder, zwischen denen zerstreut sich die Wohnhütten
befinden. Da auch rings am Glacis sich Mais-,
Casseda= und Erdnußfelder befinden, dürfte es den
Tibatis doch sehr schwer fallen, den Plaß auszu-
hungern. An den Befestigungen wurde neun Jahre
gearbeitet, da der Häuptling in der Voraussicht,
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daß die rücksichtslos vordringenden Fullahhorden
auch ihn bald angreifen würden, sich zeitig für diesen
Fall vorbereilet hatte. Ursprünglich war nur die
Hälfte der jetzigen Stadt umwallt, doch haben sich
allmählich alle Landbewohner dahin zurückgezogen.
Vor dem Kriege soll Ngambé der reichste und
größte Handelsplatz von ganz Tikar gewesen sein
und viele Haussas sich dort aufgehalten haben. Seit
der Belagerung jedoch stockt jeder Handel und
Verkehr.
Ich wurde auf dem Königsplatz, dem schönsten,
den ich je in Afrika gesehen habe, empfangen. Die
hohen, viereckigen Häuser waren mit grober, jedoch
nicht eben kunstloser Malerei bedeckt; in der Mitte
des Platzes erhob sich ein ungefähr 15 m hohes,
thurmartiges Gebäude, die Schaßkammer, wie mir
mitgetheilt wurde. Der Häuptling, ein Mann von
etwa 60 Jahren, mit würdigen, doch energischen Zügen,
saß auf einem niederen Schemel. Er trug ein langes,
blaues Gewand und auf dem Kopfe eine niedere
Mütze; von einem Ohr zum anderen über das Kinn
laufend hatte er ein steifes Perlencollier. Neben
ihm saßen seine mit Rothholz gefärbten Frauen,
jedes Wort aus seinem Munde mit stetem U—U
der Akklamation begleitend; die ihn umgebenden
Krieger hatten vielfach Steinschloßgewehre, so daß
auch in der Bewaffnung die Mandiongolas nicht
den Tibatis nachzustehen scheinen. Er begrüßte mich
freundlich und versicherte mir seine große Frende,
endlich auch einmal einen Weißen bei sich zu sehen,
und versprach mir, mich bis zum Mbam geleiten zu
lassen, weiter sei es nicht möglich, da die Bewohner
des nächsten Platzes, obgleich eines Stammes mit
ihm, infolge der Verhetzung durch die Fullahs mit
ihm in Feindschaft lebten. Das ganze Wesen dieses
durch die Belagerung lange auf sich selbst ange-
wiesenen Häuptlings war ein durchaus würdevolles
und selbstbewußtes, und nicht die geringste An-
spielung, ihn im Kriege zu unterstützen, fiel, ja nicht
einmal den kleinsten Versuch machte er, von mir
Gewehre zu erhalten, ein Ansinnen, das doch sonst
selbst im unbedeutendsten Orte an mich herantrat;
und so sehr mich auch mein soldatisches Gefühl dazu
trieb, mit ihm vereint an den Tibatis Nache zu
nehmen, mußte ich doch diesen Wunsch dem höheren
Zwecke unterordnen und versuchen, der mir gestellten
Ausgabe gerecht zu werden. Er bat mich nur,
wiederzukommen und, wenn möglich, dann in
Handelsverbindung mit ihm zu treten. Leider konnte
ich ihm dies nicht versprechen, doch wäre es ein
Segen für Kultur und Civilisation, wenn endlich
dem Buschllepperhäuptling von Tibati das Hand-
werk gelegt würde und ein arbeitsames, kulturfähiges
Volk aus seinen Umklammerungen befreit würde.
Am 29. Mai verließ ich das mir in dieser
kurzen Zeit so lieb gewordene Volk. Meine Leute
trennten sich schwer von den Fleischtöpfen Ngambes,
und während der ganzen Nacht prasselten noch lustig
die Kochfeuer und hörte das Schachern und Handeln