Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Hütte, welche ohne andere Oeffnung lediglich mit 
einer kaum 1 m hohen Thüre versehen war. Die 
Temperatur war drückend schwül, kein Luftzug be- 
wegte die bleiernen Wolken, und während überall in 
der Umgegend schwere Regen niedergingen, blieb 
unser Fleck fast immer trocken. Bald siellte sich bei 
mir ein heftiges Schwarzwasserfieber ein, das, weder 
schlechter noch besser werdend, mich an das Lager 
"esselte und, da dasselbe mir den Schlaf fast gänzlich 
raubte, mich in kürzester Zeit aufs Aeußerste schwächte. 
Da endlich am 16. August erschien die von uns Allen 
so sehnlich erwartete Dampflaunch und zu gleicher 
Zeit ein zweiter Dampfer der Company, die „Nupc“, 
auf welchem sich der Generalagent Mr. Wallace 
befand. 
Ich ließ mich nun auf den Hulk bringen, dessen 
friedliches Aussehen sich vollständig verändert hatte. 
Auf ihm und der längsseit liegenden „Nupe“ wimmelte 
es von Soldaten und von Schnellfeuergeschützen und 
Kanonen. Mr. Wallace theilte mir mit, daß 
Mizon sich im Emirate Muri seit /1 Jahren häuslich 
niedergelassen habe, den Emir bei seinen Kriegszügen 
unterstütze und zwei Handelsstationen angelegt hätte. 
Auf Beschwerde englischerseits sei er zwar vom fran- 
zösischen Auswärtigen Amte abberufen und hätte er 
ihm selbst das betreffende Schreiben übersandt. Mizon 
weigere sich jedoch, dies anzuerkennen, und sei eben 
im Begriffe, nach Yola aufzubrechen, um sich mit 
dem Emir, zu dem er bereits mehrmals Boten 
gesandt hatte, in Verbindung zu setzen. Dies 
zu verhindern, sei er nun hierher vorausgeeilt. 
Mr. Wallace trat auch sogleich in Unterhandlungen mit 
dem Emir ein, erinnerte ihn an sein den Engländern 
und mir gegebenes Versprechen und erlangte unter 
Hinweis auf seine imponirende Macht unschwer von 
diesem die Versicherung, daß er Mizon nicht empfan- 
gen würde. 
Indessen hatte sich dank der aufopfernden Pflege, 
welche mir am Hulk Mr. Bradshaw angedeihen 
ließ, sowie durch die Medikamente, vor Allem durch 
das mir wieder Schlaf gewährende Chloral und die 
mehr europäische Verpsflegung des Mr. Wallace 
mein Zustand so weit gebessert, daß ich wieder hoff- 
nungsvoller in die Zukunft sehen konnte. 
Am 18. August nachmittags erschien plötlich 
Mizon mit seinen beiden Dampfern „Moskwa“ und 
„Sergeant Melamine“ und ging kaum 1000 m fluß- 
aufwärts vor uns vor Anker. Ich theilte ihm so- 
gleich mein Abkommen mit dem Emir mit; er nahm 
in einem sehr höflichen Schreiben davon Notiz 
und stattete mir am nächsten Tage einen Besuch auf 
dem Hulk ab. Diesen erwiderte ich ihm am solgen- 
den Vormittage auf der „Moskwa“. Mizon, welcher 
noch zehn Europäer bei sich hatte, schien noch vor- 
züglich ausgerüstet und wohl befähigt, sich beliebig 
lange Zeit hier halten zu können. Der Anfforderung 
des Generalagenten, Yola zu verlassen, entgegnete er, 
nur der Gewalt weichen zu wollen. 
  
186 — 
Nachdem der Emir nochmals hoch und theuer 
versprochen hatte, mit den Franzosen unter keinen 
Umständen in Verbindung zu treten, beschloß 
Mr. Wallace, einen Theil der Soldaten auf dem Hulk 
zu belassen und sich mit der „Nupe“ nach Lokodja 
zu begeben. Mich wollte er selbst an die Küste 
bringen, während meine Expedition die Rückreise mit 
der täglich zu erwartenden „Kuka“, auf welcher sich 
die Expedition Uechtritz befand, antreten sollte. Ich 
muß sagen, daß, trotzdem ich mich sehr nach einem 
Klimawechsel sehnte, ich es lieber gesehen hätte, wenn 
die „Nupe“ noch länger in Yola geblieben wäre, 
denn ich kannte die Doppelzüngigkeit der Fullahs 
und wußte, daß die Begierde nach Feuerwaffen 
sie zu jedem Treubruch veranlassen könne. Doch 
Mr. Wallace ist ein alter erfahrener Afrikaner, der 
speziell den Benus und dessen Nebenflüsse der Com- 
pany erschlossen hatte, also diese Völker kannte und 
deshalb wohl genügende Garantien haben mußte. 
Die Folge hat es anders gelehrt, denn laum waren 
wir fort, so trat der Emir, von Mizon durch 
Schenkung von Gewehren und Kanonen gewonnen, 
mit diesem in Verbindung und Mr. Wallace mußte 
später Gewalt anwenden, um Mizon zum Verlassen 
von YMola zu veranlassen. · 
Am 23. August verließen wir Yola. Bereits im 
Gebiete der Bassama ist der zu einem mächtigen 
Strome angeschwollene Benus stellenweise 1500 m 
breit. Im Emirate Muri hatte, wie erwähnt, 
Mizon zwei Handelsstationen, in Koonini und Mana- 
rawa, angelegt und mit je einem Europäer besetzt. 
Da der Emir jedoch längst einen Vertrag mit der 
Company hatte, legte die „Nupc“ hier an und Mr. 
Wallace ließ beide Stationen schließen, die Waaren 
an Bord der „Nupe“ bringen und stellte es den beiden 
Stationsvorständen frei, mit der bald zu erwartenden 
„Kuka“ sich nach Yola zu Mizon zu begeben. Dieser 
Dampfer begegnete uns nun auch nahe bei Ibi. 
Während eines kurzen Haltes beider Schiffe begrüßte 
ich meine beiden Landsleute Herren v. Uechtritz# 
und Dr. Passarge, ihnen Glück zur bevorstehenden 
Reise wünschend. 
In Ibi, dem englischen Hauptquartier am Benune, 
mußte Mr. Wallace sich aus dienstlichen Gründen 
länger aufhalten und ich hatte Zeit, mich in dieser 
Musterstation mit ihren riesigen Lagerhäusern, ihren 
Kasernen und komfortabel eingerichteten Europäer= 
wohnungen umzusehen. Gegenwärtig allerdings stockte 
der ganze Handel am Benus und hatte die Company 
viele Stationen zeitweise geschlossen oder, wie hier, 
ihren Betrieb reduzirt; das Vorgehen Mizons hatte 
ihr eben doch ganz bedeutenden Schaden zugefügt. 
Am 27. August erreichten wir Lokodja, die Haupt- 
station am Zusammenfluß des Niger und Benus, 
welch Letzterer hier bedeutend breiter ist als Ersterer. 
Hier entschloß sich Mr. Wallace, doch wieder nach 
Yro#la zurückzukehren, und so trat ich mit Mr. Bed- 
sord die Weiterfahrt nach Akassa an. In Lokodja 
erschien bei mir auch Cornelius, welcher mit drei
	        
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