Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Ueber die Seelsorge für die Deutschen in Ost- 
afrika berichten die „Nachrichten aus der ostafrika- 
nischen Mission“: Für die Stationen in Dar-es= 
Saläm und in Tanga war die Seelsorge an den 
Deutschen ein nicht geringer Theil der Arbeit. In 
Dar-es-Saläm wurde sie von Br. Worms, in 
Tanga von Br. Kraemer gethan. 
In der Kapelle des Krankenhauses zu Dar-es- 
Saläm wurde sonntäglich Gottesdienst gehalten. 
1893 trat Pastor Holst an die Stelle des 
Pastors Worms. Der Raum der Kapelle erwies 
sich schon damals oft als zu eng, und der Wunsch 
nach einer eigenen Kirche wurde laut. Bis zum 
Schlusse des Jahres 1894 hatte Pastor Holst für 
den Bau einer evangelischen Kirche in Dar-es-Saläm 
2500 Rup. gesammelt. Die Bildung einer evange- 
lischen Gemeinde in der Hauptstadt der Kolonie war 
somit vorbereitet. Inzwischen hatte der evangelische 
Oberkirchenrath es ausgesprochen, daß die evangelische 
Kirche des Mutterlandes nicht müßig zusehen dürfe. 
Es wurde eine Kirchenkollekte für die seelsorgerische 
Bedienung der Deutschen im ostafrikanischen Küsten- 
gebiete ausgeschrieben und im Herbst 1893 in allen 
Kirchen der Landeskirche eingesammelt. Der Ertrag 
derselben belief sich auf etwa 33000 Mk. Dem Pastor 
wurde unter dem 25. März 1895 die geistliche Ver- 
sorgung der in Dar-es-Saläm und dessen Umgebung 
ansässigen oder sich vorübergehend dort aufhaltenden 
deutschredenden Evangelischen übertragen. Er richtet 
den Auftrag des Oberkirchenraths aber nur neben- 
amtlich aus; in seinem Hauptamt bleibt er Missionar 
und Vorsteher des Krankenhauses in Dar-es-Saläm. 
Ueber Dar-es-Saläm hinaus seine Thätigkeit aus- 
zudehnen, davon wird er vorderhand absehen müssen. 
Denn die Gelegenheit, die anderen Küstenstationen 
zu besuchen, ist noch nicht so günstig, daß dies mög- 
lich wäre. 
In Tanga ist Missionar Kraemer mit der Auf- 
gabe betraut, Seelsorge an den Deutschen zu üben. 
In Ersüllung dieser Aufgabe hat er Sonntagsgottes- 
dienste in der kleinen Kapelle des Missionshauses 
abgehalten, die Sakramente verwaltet, Ehen einge- 
segnet und Begräbnißfeiern gehalten. 
Die älteste und zugleich bedeutendste englische 
Mission in Ostafrika ist die Universitäten-Mission, 
die schon seit 1867 von der Insel Sansibar aus auf 
dem Festland von Usambara und am Rovuma, dem 
Grenzfluß zwischen dem deutschen und portugiesischen 
Gebiete, arbeitet. Unter ihrem Bischof Smythies 
hat sich, wie das „Evangelische Missions-Magazin"“ 
ausführt, dieselbe zu bedeutendem Umfang entfaltet. 
Leider ist der Bischof, nachdem er zehn Jahre lang 
mit unermüdlichem Eiser das Missionswerk geleitet 
hatte, am 7. Mai v. Is. auf einer Seereise nach Aden, 
auf der er Erholung für seine gebrochene Gesundheit 
suchte, dem Fieber erlegen. Ueberhaupt ist diese 
Mission im letzten Jahre von schweren Verlusten 
heimgesucht worden, denn sie verlor nicht bloß den 
  
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eben erwähnten Bischof Smythies durch den Tod, 
sondern auch den für das Nyassagebiet neu ernannten 
Bischof Hornby durch Abgang. Derselbe mußie 
schon bald nach seinem Antrikt mit zerrütteter Ge- 
sundheit nach England zurückkehren und sein Amt 
niederlegen. Auch von den sieben neuausgesandten 
Missionaren, mit denen er in seinem Sprengel am 
Nyassa ankam, erlagen binnen Jahresfrist drei dem 
Klimafieber; die vier anderen mußten nach Europa 
zurückkehren, so daß von der ganzen Arbeiterschaar 
kein einziger mehr auf dem Missionsselde steht. — 
Unter den vier Hauptslationen des Usambaradistrikts 
ist Magila die bedeutendste mit einer großen Kirche, 
einer Erziehungsanstalt, einem Krankenhaus und einem 
Schwesternheim für die Arbeit unter dem weiblichen 
Geschlecht. Wie die meisten Gebiete Ostafrilas, hat 
auch Usambara im letzten Jahre durch die allgemeine 
Heuschreckenplage und die darauf folgende Hungers- 
noth zu leiden gehabt. Die vier Stationen nördlich 
vom Rovuma sollen demnächst um einen wichtigen 
Stützpunkt gegen den Nyassa zu vermehrt werden 
und zwar ist die Stadt Mtarika am rechten Ufer des 
Rovuma dazu ausersehen. Auf den alten Stationen 
Newala und Masasi und ihren Außenposten giebt 
sich in letzter Zeit unter den Eingeborenen eine er- 
freuliche Lernbegierde kund. Das frühere Masasi 
dagegen, von dem die heutige Station einige Meilen 
entfernt liegt, bietet einen traurigen Anblick dar, denn 
der seiner Zeit so überaus schön angelcgte Ort, der 
im Jahre 1882 von den räuberischen Magwangara 
überfallen und ausgeplündert wurde, ist heute eine 
verwilderte Stätte. Zwischen üppigen Mango, Kokos- 
palmen und anderen Fruchtbäumen liegen die Trümmer 
der früheren Steinkirche und der übrigen Gebäude. 
Nur ein Häuflein befreiter Sklaven lebt noch daselbst. 
aber auch sie sind, obwohl getauft und durch die 
Mission aus zweifacher Sklaverei erlöst, kotal ver- 
wildert und verschmähen jede hristliche Einwirkung. 
Daß die Stationen am Rovuma noch immer von den 
Magwangara bedroht sind, hat erst das letzte Jahr 
gezeigt; denn wie gewöhnlich erschienen sie wieder 
im Herbst, überfielen die am jenseitigen Ufer in por- 
tugiesischem Gebiet liegende Stadt Msaka und schlepp- 
ten viele Bewohner als Sllaven hinweg. Die Uni- 
versiläten-Mission geht neuerdings ernstlich mit dem 
Gedanken um, die schon einmal angefangene, aber 
wieder unterbrochene Arbeit unter diesem kriegerischen 
Volk energischer als zuvor aufzunehmen. Auf den 
zahlreichen Stationsplätzen des Nyassagebietes (die 
alle außerhalb der dentschen Kolonie liegen) geht es 
munter vorwärts. In Likoma, einer kleinen Insel 
an der Ostlüste des Sees, wurden an Oslern v. Is. 
allein 50 Personen getauft. Schon sleht etwa ein 
Viertel der Inselbevölkerung unter dem direkten Ein- 
fluß der Mission, das heißl etwa 600 derselben sind 
theils Christen, theils Katechumenen oder doch regel- 
mäßige Besucher der Gottesdienste. Auch auf zwei 
anderen Uferplätzen wurden im letzten Jahre über 
100 Personen, meist Erwachsene, getauft. Die Wich-
	        
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