Was meinen dreimonatlichen Aufenthalt in Nkosi-
land betrifft, so hatte derselbe den Zweck, wenn irgend
Möglich, die ersten einleitenden Schritte zur Begrün-
dung einer Missionsniederlassung daselbst zu thun.
Inwieweit dieses Ziel zu erreichen war, hing zunächst
vollständig von der Stimmung und dem guten Willen
der Nkosibevölkerung ab. In dieser Hinsicht waren
anfänglich die Aussichten so ungünstig als möglich.
Geradezu ein Sturm der Erregung erhob sich durch
das ganze Land, als mich der junge und verständige
Häuptling Jebe (Dschebe) von Nyasoso in seinem
Dorse willkommen hieß und meine Absichten billigte.
Schon nach drei Tagen erklärten die großen Dörfer
Sundem und Ngombo dem Häuplling Jebe den
Kricg, wenn er mich nicht innerhalb einiger Tage
aus Nyasoso verweise. Zwei Tage später, am 18.Fe-
bruar, versammelte sich eine große Menge Volks im
Dorse Sundem und beschlossen bei feierlichen Cere-
monien, falls ich nicht abziehe, mich umzubringen.
Die Stimmung in Nyasoso wurde durch die drohende
Haltung der übrigen Dörfer mit jeder Stunde be-
denklicher, und die Dorfhäupter verlangten von Jebe
immer stürmischer, mich zu verjagen. Dieser blieb jedoch
allen Androhungen gegenüber standhaft, doch zweifelte
er zuletzt selbst, mich halten zu können. In dieser
bedrängten Lage, in der die Möglichkeit meincs
Bleibens abgeschnitten schien und meine Sicherheit
bedroht war, entschloß ich mich noch zu einem Schritt,
der leicht verhängnißvoll hätte werden können. Da
ich jede Stundc den direkten Ausweisebefehl von
Sundem und Ngombo erwarten mußte, dem auch
Jebe sich nicht zu widersetzen gewagt hätte, so wollte
ich die feindlichen Hauptdörfer Sundem und Ngombo
durch mein persönliches Erscheinen überraschen und
dadurch, wenn möglich, noch eine Aenderung der
Stimmung herbeizuführen. Von dem am 18. Februar
festgesetzten Beschluß wußte ich bis dahin nichts und
vermuthete daher auch keine besondere Gefahr für
meine Person; es war mir nur zu Ohren gekommen,
daß am 17. Februar in mehreren Dörfern viel Vieh
geschlachtet worden sei, weil man fürchte, ich werde
durch meine Zaubermacht Menschen und Vieh zu
Grunde richten. So machte ich mich am Morgen
des 19. Febrnar mit drei Abo= und zwei Nhasoso=
jungens auf den Weg nach Sundem.
Gleich in dem nächsten Dorse, Mpako, ging ein
Sturmlauf gegen uns los, der mich nicht wenig
überraschte; man suchte uns aufzuhalten, und meine
Jungens wurden fortwährend gestoßen und hin= und
hergezerrt. Ich war mir meiner Situation bald
klar, doch schritt ich so unverfroren als möglich
weiter und trat, als ob ich vom ganzen Tumult,
der hinter mir her sich bewegte, nichts merkte und
flüsterte meinen angstvollen Jungens fortwährend
Muth zu, denn ich war mir bewußt, daß, wenn wir
hier zum Stehen gebracht und zurückgetrieben werden,
unsere ganze Sache verloren war und froh sein
mußten, wenn wir überhaupt noch ungefährdet das
Nlosiland verlassen konnten. So schlugen wir uns
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denn durch und erreichten unter Lärm und Tumult
das große Dorf Sundem. Hier ging sofort ein un-
geheurer Sturm los. Hätte ich gewußt, was tags
zuvor hier beschlossen worden war, ich würde wohl
an der Aussichtslosigkeit jenes Plans kaum mehr ge-
zweifelt haben. Zum Glück war ich immer noch
vertrauensselig genug, um keinen schlimmeren Be-
fürchtungen Naum zu geben. Lange wogte der Tu-
mult auf offener Straste hin und her, während meinen
vor Angst schlotternden Jungens nicht geslattet wurde,
ihre Lasten vom Kopfe zu thun. Ich wollte jedoch
meine Sache nicht so leichten Kaufs verloren geben
und sträubte mich aufs Aeußerste, das Dorf zu ver-
lassen. Schließlich gelang es auch, in eine Hütte
eingelassen zu werden und damit war meine Sache
zu einem guten Theil gewonnen. Mit diesem Akt
war mir nämlich, wenn auch erzwungen, das Gast-
recht gewährt, und wollten sie nicht gegen alle Sitte
verstoßen, so durfte ich nicht weiter vergewaltigt
werden. Meine Lage war jedoch nichts weniger als
angenehm. Immer von Neuem entstand wieder
Numor, und in der folgenden Nacht war mein Schick-
sal beinahe besiegelt. Eine Rotte wüthender Menschen
sammelte sich um Mitternacht vor meiner Hütte und
verlangte brüllend vom Häuptling, mich herauszugeben,
um mir den Kopf abzuhauen und mein Fleisch zu
kosten, welches, wie die Mordgesellen versicherten,
„durch und durch so süß sei, wic lauter Salz“. Der
Häuptling Lobwe, ein schwacher und furchtsamer
Mann, wollte jedoch die Verantwortung nicht auf sich
nehmen und gab die Erlaubniß nicht. So entlam
ich zuletzt nach allen aufregenden Szenen doch un-
beschadet den Händen meiner Gegner. Mit einiger
Hosfnung auf die Möglichkeit meines Bleibens im
Nkosiland konnte ich wieder von Sundem nach Nyasoso
zurückkehren. Die stürmische Erregung der Gemüther
war für den Augenblick etwas gelegt, doch war die
Stimmung noch keineswegs günstig und war dadurch
noch mehrere Wochen die Erreichung meines Zwecks
in Frage gezogen. Da ich von Anfang an wußte,
daß größtentheils abergläubische Furcht und unrichtige
Vorstellungen die Ursache der feindseligen Aeußerungen
waren, so ließ ich es mir aufs Aeußerste angelegen
sein, den freundlichsten Verlehr zu pflegen und Alles
zu thun, was geeignet war, die Leute vom Gegen-
theil ihrer Befürchtungen zu überzeugen. Der Erfolg
hiervon trat denn auch bald in erfreulichster Weise
zu Tage. Das Zutrauen wenigstens der Nyasoso-
leute wuchs zusehends, und nach fünf bis sechs Wochen
war es so weit, daß mich die Nyasosolente selbst baten,
bei ihnen zu bleiben, sie mir auch ihre Beihülfe zur
Errichtung eines Wohnhauses zusagten. Die übrigen
Dörfer sahen zwar noch immer nicht gut zur Sache,
doch bereitete man mir keine sonderlichen Schwierig-
keiten mehr.
Die folgende Zeit war nun ausgefüllt mit der
Errichtung eines provisorischen Wohnhauses, welches
ganz aus einheimischem Material, nämlich aus roh
aczimmerten Balken und Brettern, letztere mit dem