Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Buschmesser hergestellt, und Matten verfertigt wurde. 
Ohne auf das Einzelne der hierbei gemachten Er- 
fahrungen einzugehen, sei hervorgehoben, daß ich durch 
die mir von Seiten der Nyasosoleute gewordene Bei- 
hülfe, durch ihre Willigkeit und ihr Geschick bei der 
Arbeit sowie durch ihre leicht zu befriedigenden An- 
sprüche aufs Angenehmste überrascht wurde. In 
wenigen Tagen halte ich 80 Balken und gegen 
500 Bretter, welche mit dem Buschmesser sehr müh- 
sam herzustellen waren, zur Hand. Ein 6m langer 
Balken galt 1 bead Tabak, und Breiter wurden mit 
Blechbüchschen Zündhölzern, Kämmen, Messern, Perlen, 
Tabak, Zeugen u. s. w. im Werthe von 5 bis 30 Pf 
pro Stück bezahlt. Zur Arbeit auf dem Bauplatze 
stellten sich ebenfalls immer Arbeiter genng ein, die 
um einige Blätter Tabak meist ein ansehnliches Stück 
Arbeit lieferten. Es siellt ferner der Geschicklichkeit 
dieser Leute ein günstiges Zeugniß aus, daß es 
möglich war, ohne sachverständigen fremden Arbeiter 
ein ganz anständiges Bretterhäuschen mit drei Zim- 
mern von je 4 zu 4½ m Fläche allein mit diesen 
Leuten in wenigen Wochen fertig zu slellen. Obwohl 
die Sprachschranke sehr hindernd im Wege stand, so 
war ihnen doch unschwer etwas begreiflich zu machen 
und erhielt ich von ihnen durchaus nicht den Eindruck 
eines stupiden Volkes. Ueberhaupt konnte mich trotz 
anfänglicher Schwierigkeiten und Feindseligkeiten der 
Charakter des Nkosivolkes keineswegs abschrecken, viel- 
mehr habe ich schon vor zwei Jahren und noch mehr 
bei meinem diesmaligen Aufenthalt einen günstigen 
Eindruck von ihnen empfangen und sie als Menschen 
kennen gelernt, mit denen ein friedlicher Umgang 
leicht zu gewinnen ist und die voraussichtlich auch 
für geistliche Unterweisung und sonstige vernünftige 
Belehrung unschwer zugänglich sein dürften. Jeden- 
falls erwecken sie nicht von vorneherein den Eindruck 
eines siumpf und interesselos sich gegen alles Neue 
und Fremde abschließenden Volkes. Daß jedoch der 
tief eingewurzelte, das öffentliche wie private Leben 
beherrschende grenzenlose Aberglaube noch manchmal 
mit den neu aufzunehmenden Anschauungen in Kollision 
gerathen wird, läßt sich kaum anders erwarten. 
Es ließ sich in dieser Hinsicht Folgendes ermitteln: 
Im Jahre 1888 oder 1889 passirte Dr. Zintgraff 
das Nkosiland und fand beim Nyasosohäuptling gast- 
freundliche Aufnahme. Bald darauf starb dieser 
Häuptling, und die Schuld daran wurde dem Dr. 
Zintgraff zugemessen; dieser soll „des Häuptlings 
Seele gegessen und nach dem Westen genommen“ 
haben. Ja dieser Fall erschien dem RNkosivolk von 
solcher Bedeutung, daß öffentliche Berathung darüber 
stattfand, wie sie sich bei weiteren Besuchen von Euro- 
päern verhalten sollen. Die Mehrzahl der Dörfer 
stimmte für Abweisung derselben. Nyasoso stimmte 
auffallenderweise für freundliche Aufnahme, ebenso 
noch einige wenige unbedeutende Dörfer. Im Jahre 
1893 erhielten sodann die Rkosilente zum ersten Mal 
wieder Gelegenheit, ihre Gastfreundschaft dem Euro- 
päer gegenüber zu erproben. Eine aus 5 Weißen 
  
487 — 
und 30 Schwarzen bestehende Reisegesellschaft fand 
während eines zweitägigen Aufenthaltes im Dorfe 
Mbula — zwischen Ngab und Nyasoso gelegen — 
gastfreundliche Aufnahme, doch mag die ansehnliche 
Zahl dieser Gesellschaft, welche auch mit einigen 
Wassen versehen war, so viel Respekt eingeflößt haben. 
Jedenfalls hielten es die Mbulaleute damals, entgegen 
ihrem früher ausgesprochenen Grundsatze, für weiser, 
gastfreundlich zu sein. Als ich jedoch bald darauf 
allein mit einigen Schwarzen und ohne Waffe nach 
Mbula kam, wo ich mich einige Zeit aufzuhalten ge- 
dachte, machte man mir gleich von vorneherein mein 
Bleiben dadurch unmöglich, daß mir die Leute an 
Nahrungsmitteln rein nichts verkauften. Ich gedachte 
nach den großen Dörfern Sundem und Ngombo zu 
ziehen, hatte ich ja doch von der Stimmung im 
Lande nicht die geringste Ahnung. Unterwegs wurde 
ich von den Nyasosolenten aufs Freundlichste gebeten, 
bei ihnen wenigstens einen kurzen Aufenthalt zu 
nehmen, was ich mir gefallen ließ. Ehe ich aber 
von hier weiterreisen konnte, kam von den landein- 
wärts liegenden Dörfern Botschaft über Botschaft, 
die mir mittheilten, daß ich mich nicht unterstehen 
solle, zu ihnen zu kommen. Aus Bitten des Nyasoso= 
häuptlings Sona, der ein junger Mann von wirklich 
edlem Charakter war, der mich auch über den wahren 
Grund der Abweisung dieser Dörfer und über Mbulas 
Handlungsweise aufklärte, stand ich denn auch von 
meinem Plane ab und entschloß mich, mein Stand- 
quartier in Nyasoso aufzuschlagen, welches mir mehr 
und mehr als ein für eine Missionsstation sehr ge- 
eigneter Platz erschien. 
Mit den besten Hoffnungen kehrte ich damals 
von Nyasoso nach mehrwöchentlichem Aufenthalt zu- 
rück. Doch unglückseligerweise wurde im August 
v. Is. der edelgesinnte Häuptling Sona von kurzer 
Krankheit dahingerafft, was für das ganze Nkosiland 
ein nicht minder großes Ereigniß war, als der Tod 
seines Vorgängers. Der schon bei Dr. Zintgraff 
geglaubte todbringende Zaubereinfluß des Weißen 
war nun zur Evidenz erwiesen. Es stand Allen fest, 
daß ich „Sonas Seele gegessen und mit fortgenommen 
habe". Diesmal konnten sich auch die Nyasosoleute 
dieser Ueberzeugung nicht mehr ganz verschließen, 
und wäre nicht der sehr verständige und wohlgesinnte 
junge Bruder des Verstorbenen, Jebe, der aus den 
Schicksalsschlägen nicht dieselben Schlußfolgerungen 
seines Volkes zog und trotz Allem dem Europäer 
freundlich gesinnt blieb, an Sonas Stelle getreten, 
eine friedliche Aufnahme in Nyasoso hätte ich in 
diesem Jahre kaum zu erwarten gehabt. Daß ich 
Sona getödtet hätte und daß ich gekommen sei, „noch 
mehr Seelen zu essen“, wurde mir offen ins Gesicht 
gesagt. Wenn es mir schließlich gelang, in Nyasoso 
sesten Fuß zu fassen, so fällt hiervon dem Einfluß 
Jebes das Hauptverdienst zu. Er hat das Möglichste 
gethan, unsere Niederlassungen zu bewerkstelligen und 
die hierzu nöthigen Schritte zu beschleunigen. 
Neben diesen abergläubischen Gründen gaben die
	        
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