Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Kriegsunruhen und Ereignisse in Miang, deren Fluth- 
wellen bis ins Nkosiland hineinreichten, Veran- 
lassung, die Weißen zu fürchten. Man wußte in 
Nkosi die ungeheuerlichsten Sachen über die „Kriegs- 
enropäer“ zu erzählen, welche bei der Verfolgung 
Pens und Mitoms nach Mamelo und Lom gekommen 
waren. Glücklicherweise waren mir die Führer jener 
Verfolgungskolonnen als achtbare Männer nicht nur 
persönlich bekannt, sondern ich hatte auch auf meiner 
Reise ins Nkosiland Gelegenheit, über ihr durchaus 
in geordneten Schranken gehaltenes Vorgehen mich 
zu informiren. Jedenfalls hat der verfolgte Pen, 
der bekanntlich auf seiner Flucht weit ins Nkosiland 
hinein kam und im Dorfe Ngombo beherbergt wurde, 
zur Verbreitung schlimmer Gerüchte am meisten bei- 
getragen. Seine Aeußerungen mußten auch um so 
mehr Glauben finden, als er selbst halb verhungert 
und in elendem Zustande ins Rkosiland kam. Selbst- 
verständlich suchte ich den Nyasosolenten die Unwahr= 
heit der verbreiteten Gerüchte, wie die Vorgänge in 
Miang und die Zwecke der deutschen Regierung so 
klar als möglich zu machen. 
Was die geographischen, klimatischen, agri- 
kulturellen, merkantilen, ethnographischen 
u. s. w. Verhältnisse des Nkosilandes betrifft, so 
will ich mich hierüber nur auf kurze Notizen be- 
schränken, indem ich hoffe, bei späterer Gelegenheit 
Näheres und wohl auch Richtigeres darüber mittheilen 
zu können, als dies jetzt der Fall sein kann. 
Das Rlosiland ist, abgesehen vom Kamerunberg, 
von dem das Küstenniederlandgebiet abschließenden 
Hochgebirgswall das der Küste nächstgelegene Hoch- 
landgebiet und trägt hinsichtlich seines Volkes und 
Landes sein besonderes Gepräge. Es tritt aus dem 
Hochgebirgswall etwas südwärts hervor und hat in 
dem 3000 m hohen Kupeberg, der sozusagen am 
weitesten ins Niederland hereingrschoben ist und letz- 
teres in seiner ganzen Ansdehnung beherrscht, sein 
imposantestes Wahrzeichen. Das Nkosigebirge setzt 
sich, vom Kupe ausgehend, in nördlicher und nord- 
östlicher Richtung in einer Höhe von 1000 bis 2000 m 
fort bis es sich nordöstlich mit dem 2500 m 
hohen Manengulagebirge — auf Karten irrthümlich 
Ndobo-Pinda genannt — vereinigt und dann wei- 
terhin in ein Hochland ausläust. 
Das Klima des Nkosilandes ist vermöge seiner 
Höhenlage selbstverständlich ein von der Küste be- 
deutend verschiedenes. Die Temperatur in Nyasoso 
weist im Vergleich mit Mangamba einen Durch- 
schnittsunterschied von 5° R. auf, was höchst angenehm 
empfunden wird. Auffallend ist die geringe Variation 
der Temperatur, da doch wohl nicht angenommen 
werden kann, daß hier noch der maritime Einfluß 
von wesentlichem Belang ist. In wie weit das ge- 
mäßigtere Klima auch hygienisch vortheilhafter ist als 
das Küstenland, dafür dürften die drei Monate meines 
Aufenthalts zu kurz gewesen sein, um aus meinen 
persönlichen Erfahrungen ein beweiskräftiges Ergebniß 
abstrahiren zu wollen. 
488 
  
Immerhin mag es eine in 
dieser Hinsicht günstige Perspektive gewähren, wenn 
ich feststelle, daß ich mich in Nyasoso trotz ungünstiger 
Verpflegungsbedingungen und großer körperlicher An- 
strengungen eines besseren Wohlseins erfreute, als dies 
an der Küste in der Regel der Fall ist. 
In agrikultureller Hinsicht ist das Nkosigebirge 
mit seinem schwarzen Lavaboden zweifellos ein gün- 
stiges Gebiet, und wie schon der oberflächliche Angen- 
schein ergiebt, sehr fruchtbar. Es dürfte mit dem 
Kamerunberg zu vergleichen sein, da es auch geologisch 
dieselbe Beschaffenheit zeigt. Der Versuch, welchen 
ich mit europäischen Kartoffeln und einigen anderen 
europäischen Gartengewächsen anstellte, ergab ein be- 
friedigendes Resultat. Seinen Hauptreichthum erblickt 
jedoch das Nkosivolk nicht in erster Linie in seiner 
Landwirthschaft, welche immerhin ziemlich ausgiebig 
betrieben wird, sondern in seiner Viehzucht und in 
dem sehr lebhaft betriebenen, gewinnreichen Viehhandel, 
welchen es als Zwischenhändler zwischen den land- 
eimwärts gelegenen Stämmen einerseits und dem 
Balongstamm andererseits vermittelt. Die Preise 
fand ich jedoch so unverhältnißmäßig hoch, daß ich 
mich nie bewogen fühlen konnte, eine Ziege oder ein 
Schaf zu kausen. Doch ist hierbei in Betracht zu 
ziehen, daß Zeuge, die mir fast als einziges Zah- 
lungsmittel zu diesem Zweck zur Verfügung standen, 
von den Nkosi sehr niedrig gewerthet werden, da- 
gegen Salz, welches sie als Zahlungsmittel in der 
Regel von den Balong annehmen, verhältnißmäßig 
hoch im Werthe steht. Einc Ziege mit Zeugen be- 
zahlt, steht schon so hoch oder noch höher im Preise 
als selbst an der Küste, und die Balong und Duala 
können nur insosern noch mit einigem Gewinn dieses 
Vieh an die Küste liesern, als sie den Trausport 
von Salgz ebenso billig bewerkstelligen können wie den 
anderer Waaren. Daß das Nlosiland sehr viehreiche 
Hinterländer haben muß, geht aus den zahlreichen 
Handelskarawanen hervor, die fast täglich, oft bis zu 
300 Mann, mit ebenso vielen Stück Klein= oder 
Federvieh in Nyasoso durchreisen und nach Balong 
ziehen. 
Einheimische Industrie findet sich beim Nkosivolk 
mehr ausgebildet als bei den Küstenstämmen. Her- 
vorzuheben ist eine verhältnißmäßig ausgiebige Eisen- 
bearbeitung. Ich habe sogar in Rkosi geschmiedete 
Stifte zum Bau meines Hauses verwendet. Außer- 
dem werden Flecht-, Holz= und Töpserarbeiten da 
und dort fleißig betrieben. Diese einheimische In- 
dustrie bedingt auch einc viel reichere Ausstattung 
der Wohnhütten als an der Küste. In schöner 
Ordnung und reicher Auswahl sind die Töpfe auf 
Schäften aufgepflanzt, und an den Wänden hängen 
sauber gescheuert in Reih und Glied große und kleine 
Holzschüsseln in großer Zahl. Ferner sind an einem 
Brett hölzerne Schöpf= und Eßlöffel, meist von sehr 
gefälliger Form, aufgehängt. Eßlöffel werden zwar 
meist nur von den Männern beuutzt, während Weiber 
und Kinder dieselben durch die Hand ersetzen. 
Hinsichtlich der Kleidung stehen die RNkosi noch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.