Kriegsunruhen und Ereignisse in Miang, deren Fluth-
wellen bis ins Nkosiland hineinreichten, Veran-
lassung, die Weißen zu fürchten. Man wußte in
Nkosi die ungeheuerlichsten Sachen über die „Kriegs-
enropäer“ zu erzählen, welche bei der Verfolgung
Pens und Mitoms nach Mamelo und Lom gekommen
waren. Glücklicherweise waren mir die Führer jener
Verfolgungskolonnen als achtbare Männer nicht nur
persönlich bekannt, sondern ich hatte auch auf meiner
Reise ins Nkosiland Gelegenheit, über ihr durchaus
in geordneten Schranken gehaltenes Vorgehen mich
zu informiren. Jedenfalls hat der verfolgte Pen,
der bekanntlich auf seiner Flucht weit ins Nkosiland
hinein kam und im Dorfe Ngombo beherbergt wurde,
zur Verbreitung schlimmer Gerüchte am meisten bei-
getragen. Seine Aeußerungen mußten auch um so
mehr Glauben finden, als er selbst halb verhungert
und in elendem Zustande ins Rkosiland kam. Selbst-
verständlich suchte ich den Nyasosolenten die Unwahr=
heit der verbreiteten Gerüchte, wie die Vorgänge in
Miang und die Zwecke der deutschen Regierung so
klar als möglich zu machen.
Was die geographischen, klimatischen, agri-
kulturellen, merkantilen, ethnographischen
u. s. w. Verhältnisse des Nkosilandes betrifft, so
will ich mich hierüber nur auf kurze Notizen be-
schränken, indem ich hoffe, bei späterer Gelegenheit
Näheres und wohl auch Richtigeres darüber mittheilen
zu können, als dies jetzt der Fall sein kann.
Das Rlosiland ist, abgesehen vom Kamerunberg,
von dem das Küstenniederlandgebiet abschließenden
Hochgebirgswall das der Küste nächstgelegene Hoch-
landgebiet und trägt hinsichtlich seines Volkes und
Landes sein besonderes Gepräge. Es tritt aus dem
Hochgebirgswall etwas südwärts hervor und hat in
dem 3000 m hohen Kupeberg, der sozusagen am
weitesten ins Niederland hereingrschoben ist und letz-
teres in seiner ganzen Ansdehnung beherrscht, sein
imposantestes Wahrzeichen. Das Nkosigebirge setzt
sich, vom Kupe ausgehend, in nördlicher und nord-
östlicher Richtung in einer Höhe von 1000 bis 2000 m
fort bis es sich nordöstlich mit dem 2500 m
hohen Manengulagebirge — auf Karten irrthümlich
Ndobo-Pinda genannt — vereinigt und dann wei-
terhin in ein Hochland ausläust.
Das Klima des Nkosilandes ist vermöge seiner
Höhenlage selbstverständlich ein von der Küste be-
deutend verschiedenes. Die Temperatur in Nyasoso
weist im Vergleich mit Mangamba einen Durch-
schnittsunterschied von 5° R. auf, was höchst angenehm
empfunden wird. Auffallend ist die geringe Variation
der Temperatur, da doch wohl nicht angenommen
werden kann, daß hier noch der maritime Einfluß
von wesentlichem Belang ist. In wie weit das ge-
mäßigtere Klima auch hygienisch vortheilhafter ist als
das Küstenland, dafür dürften die drei Monate meines
Aufenthalts zu kurz gewesen sein, um aus meinen
persönlichen Erfahrungen ein beweiskräftiges Ergebniß
abstrahiren zu wollen.
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Immerhin mag es eine in
dieser Hinsicht günstige Perspektive gewähren, wenn
ich feststelle, daß ich mich in Nyasoso trotz ungünstiger
Verpflegungsbedingungen und großer körperlicher An-
strengungen eines besseren Wohlseins erfreute, als dies
an der Küste in der Regel der Fall ist.
In agrikultureller Hinsicht ist das Nkosigebirge
mit seinem schwarzen Lavaboden zweifellos ein gün-
stiges Gebiet, und wie schon der oberflächliche Angen-
schein ergiebt, sehr fruchtbar. Es dürfte mit dem
Kamerunberg zu vergleichen sein, da es auch geologisch
dieselbe Beschaffenheit zeigt. Der Versuch, welchen
ich mit europäischen Kartoffeln und einigen anderen
europäischen Gartengewächsen anstellte, ergab ein be-
friedigendes Resultat. Seinen Hauptreichthum erblickt
jedoch das Nkosivolk nicht in erster Linie in seiner
Landwirthschaft, welche immerhin ziemlich ausgiebig
betrieben wird, sondern in seiner Viehzucht und in
dem sehr lebhaft betriebenen, gewinnreichen Viehhandel,
welchen es als Zwischenhändler zwischen den land-
eimwärts gelegenen Stämmen einerseits und dem
Balongstamm andererseits vermittelt. Die Preise
fand ich jedoch so unverhältnißmäßig hoch, daß ich
mich nie bewogen fühlen konnte, eine Ziege oder ein
Schaf zu kausen. Doch ist hierbei in Betracht zu
ziehen, daß Zeuge, die mir fast als einziges Zah-
lungsmittel zu diesem Zweck zur Verfügung standen,
von den Nkosi sehr niedrig gewerthet werden, da-
gegen Salz, welches sie als Zahlungsmittel in der
Regel von den Balong annehmen, verhältnißmäßig
hoch im Werthe steht. Einc Ziege mit Zeugen be-
zahlt, steht schon so hoch oder noch höher im Preise
als selbst an der Küste, und die Balong und Duala
können nur insosern noch mit einigem Gewinn dieses
Vieh an die Küste liesern, als sie den Trausport
von Salgz ebenso billig bewerkstelligen können wie den
anderer Waaren. Daß das Nlosiland sehr viehreiche
Hinterländer haben muß, geht aus den zahlreichen
Handelskarawanen hervor, die fast täglich, oft bis zu
300 Mann, mit ebenso vielen Stück Klein= oder
Federvieh in Nyasoso durchreisen und nach Balong
ziehen.
Einheimische Industrie findet sich beim Nkosivolk
mehr ausgebildet als bei den Küstenstämmen. Her-
vorzuheben ist eine verhältnißmäßig ausgiebige Eisen-
bearbeitung. Ich habe sogar in Rkosi geschmiedete
Stifte zum Bau meines Hauses verwendet. Außer-
dem werden Flecht-, Holz= und Töpserarbeiten da
und dort fleißig betrieben. Diese einheimische In-
dustrie bedingt auch einc viel reichere Ausstattung
der Wohnhütten als an der Küste. In schöner
Ordnung und reicher Auswahl sind die Töpfe auf
Schäften aufgepflanzt, und an den Wänden hängen
sauber gescheuert in Reih und Glied große und kleine
Holzschüsseln in großer Zahl. Ferner sind an einem
Brett hölzerne Schöpf= und Eßlöffel, meist von sehr
gefälliger Form, aufgehängt. Eßlöffel werden zwar
meist nur von den Männern beuutzt, während Weiber
und Kinder dieselben durch die Hand ersetzen.
Hinsichtlich der Kleidung stehen die RNkosi noch