Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Hier hatten die in Uliampiti gegebenen Lehren 
insoweit schon gewirkt, daß Belästigungen seitens der 
Waniaturu nicht versucht wurden und die meisten 
der aus der Ferne von Tembendächern und Fels- 
blöcken uns beobachtenden Leute scheinbar unbewaffnet 
waren. Mwati, der oben erwähnte kleine Chef, that sein 
Bestes, unterstützt von seinem greisen Vater und den 
Verwandten. Er versicherte, die meisten Waniaturn 
Muniahatis wünschten jetzt Frieden und würden zum 
Schauri kommen, sobald der böse Einfluß zweier ekwa 
1 / Stunden davon entfernten Dörfer, die zur Zeit 
eifrig „Daua“ (Zauber) gegen uns machten, beseitigt 
wärc. Seine Herde habe er nach Eintreffen der 
Nachricht meiner Ankunft in Uliampiti gleich wieder 
bekommen. Auf seinen Wunsch gab ich ihm Unter- 
offizier Frahm mit einigen Leuten mit, die am 
Abend bei den erwähnten Dörsern auf Widerstand 
stießen, zwei Leute tödteten und zwei Temben an- 
zündeten. 
Leider war ich nicht in der Lage, die in Aussicht 
gestellten Schauris abzuwarten, da sich in der Nacht 
zum 5. Juni perniziöses Fieber bei mir einstellte 
und ich mich deshalb in einer Decke am Abend des 
5. forttragen ließ. 
In Eilmärschen ging es durch Matongi, Mguji 
und Chipamba, lauter aneinander gereihte breite 
Kulturlichtungen mit schönstens stehender Feldfrucht, 
nach Suna, dann auf einer von Lieutenant Engel- 
hardt bei früherer Gelegenheit aufgenommenen Route 
scharf südlich über Saranda zur Station, wo ich 
am 8. eintraf. 
Die restirenden Weiber und Kinder hatte ich 
Mwati überwiesen, damit er sie zu Schauris mit 
  
seinen Landslenten verwende und durch Rückgabe 
derselben sich Einfluß und Dankbarkeit erwerbe. 
tracht, da es jeder politischen Organisation entbehrt. 
Die Leute wohnen nur zusammen, weil ihre Sprache 
und Rasse von den umliegenden Stämmen gänzlich 
verschieden ist, im Uebrigen ist aber jeder sich selbst 
der Nächste und Größte. Ein Europäer der Station 
wird einige Wochen unter ihnen weilen, sie durch 
beharrliches Aushalten zu gemeinschaftlichem Schauri 
zwingen müssen. Dann erst wird es allmählich ge- 
lingen, sie politsch zusammenzuziehen und sie unter 
Kurakel von Jumben zu stellen, wobei Mwati viel- 
leicht in erster Linie in Betracht käme. 
Der Menschenschlag ist ein sehr schöner, fast durch- 
weg lange, schlanke Männer mit auffallend aus- 
geprägter Muskulatur, deutlich semitischem Typus 
und Somalihaar. An persönlichem Muthe stehen 
sie über den Wassandaui und Wagogo, die durchaus 
Angst vor ihnen haben. 
Gewehre sind vereinzelt vorhanden, wie ein an- 
geschossener Träger von mir beweist. Hauptwafssen 
sind aber ein langer, schwerer Speer, kurzer auf- 
fallend geformter Schild aus Büffelhaut, anderthalb 
Meter lange, knorrige Schlagknüppel, Bogen und 
vielfach vergiftete Pfeile. Die Stöcke werden auch 
in Spiel= und Fechtübungen angewandt, wobei ein 
anderer Schild merkwürdiger Form in Anwendung 
kommt. 
Die Kleidung der Weiber ist häßlich und schmierig, 
von gegerbtem eingefettetem Felle, das, in langen, 
schmalen Streifen genäht, ähnlich einem „Unterrock 
geschneidert ist und auch wie ein solcher getragen 
wird. Hierzu treten dic nöthigen Perlen, die häufig 
in hübschen Mustern aneinander gereiht sind und zum 
Schmucke aller möglichen Körpertheile dienen. Dünne 
Beinringe von Gras sind beliebt, werden aber zum 
Theil auffallender Weise strumpfbandartig unterm 
Knie getragen. 
Ein ähnliches Fellkleid wird zuweilen von den 
alten Männern über den ganzen Körper wie ein 
„Kansu“ getragen, vermuthlich wegen der Kälte und 
der vorherrschend rauhen Winde. 
Die jüngeren Männer begnügen sich mit einem 
kleinen, über Brust und Schulter flatternden Ziegen- 
felle und machen einen kaum bekleideteren Eindruck 
als die Kinder, von denen meist nur die größeren 
Mädchen allenfalls eine Perlenschnur oder Miniakur- 
schürzen aus einem Bischel schmutziger Lederstreifen 
aufweisen. 
Die Hütten sind durchweg Temben, slets sehr 
kleine, im Halbkreis errichtete, sehr niedrige Be- 
hausungen, über die der Durchschnittsmensch hinweg 
das Gewehr anlegen kann. Dabei wird der Boden 
nicht, wie sonst häufig bei Temben der Fall, aus- 
gehoben. Sie sind aber meist sauber gehalten und 
von dichtem Kreise von Euphorbien nett umhegt, machen 
überhaupt, speziell in Uliampiti, einen durchaus nied- 
lichen Eindruck. Eine Unannehmlichkeit für Fremde 
sind aber die Bewohner der bei allen Temben zahl- 
reich unter den vorspringenden äußeren Dachrändern 
Politisch kommt das Land fast gar nicht in Be- 
angebrachten Bienenkörbe. So viel Honig, und zwar 
vorzüglicher Qualität, habe ich noch nie auf einem 
Fleck gesehen. In einer Tembe wohnen in den 
seltensten Fällen mehr als vier Männer, häufig nur 
einer. 
Sie schlafen nicht auf dem Boden, sondern be- 
nußzen eine Art Bettstelle primitivster Art, deren 
knorrige Leisten recht ungemüthlich aussehen und 
troh des darüber liegenden Kuhfelles schwerlich be- 
quem sind. 
Die Hausutensilien sind nur mäßig, hölzerne 
Tröge für Milch und Honig und hölzerne Melk- 
eimer sind gut und sorgfältig gesormt, häufig auch 
geschnitzt und gebrannt und zwar lediglich in ein- 
fachem parallelem Ringmuster. 
Das Land steigt von einer bei Muhalala be- 
ginnenden nach Nordost laufenden, etwa 100 m hohen 
Terrassensiufe beständig nach Nordnordost an. Die 
Nächte sind schon von 6 Uhr an sehr, die ersten 
Tagesstunden empfindlich kalt. Gegen 9 und 10 Uhr 
vormittags ist die Luft wunderbar klar und er- 
frischend, die Nachmittage sind aber bei fehlendem 
Winde schwül. Bäche und Flüsse giebt es eigentlich 
gar nicht, dafür desto mehr zerrissene, zackige Granit-
	        
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