Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

selbst die allgemeine Wehrpflicht auf der breitesten 
Grundlage durchgeführt ist. Ich meinerseits beurtheile 
daher diese Frage weniger von dem Standpunkte aus, 
ob den hiesigen Ansiedlern eine Erleichterung gewährt 
werden soll, als von demjenigen, ob dieselben die 
Vertheidigung der neuen Heimath für immer und 
ausschließlich auf die Schultern des alten Vaterlandes 
legen dürfen. Denn thatsächlich herrscht hier der 
letztgenaunnte Zustand. Die ausgedienten Soldaten 
thun weder hier noch in der Heimath Dienst, sondern 
lassen sich auch in Kriegszeiten durch die altiven 
Truppen beschützen. Die noch gestellungspflichtigen 
Rekruten dagegen suchen vorläufig Ausstand nach 
und hosfen schließlich doch noch hier dienen zu dürfen. 
Sollten diese indessen, in schrosser Anwendung des 
Wehrgesetzes, zur Rückkehr nach der Heimath ge- 
zwungen werden, so würde damit die Einwanderung 
von Familienvätern in das hiesige Schutzgebict nahezu 
unterbunden sein. Ohne irgend welchen Gegenvortheil 
würden wir der Entwickelung des Schutgebietes einen 
ernsten Riegel vorgeschoben haben. Denn die Gefahr, 
daß infolge des Eintritts dieser Wehrpflichtigen in die 
Schutztruppe der heimathlichen Armee Kräste ent- 
zogen würden, halte ich nicht für bedrohlich. Einer- 
seits ist es doch mehr als fraglich, ob nach Ausbruch 
eines europäischen Krieges die hiesigen Wehrpflichtigen 
noch Zeit und Gelegenheit zur Rückkehr in die Hei- 
math finden werden, andererseits fallen bei einem 
solchen die Hunderte von Wehrpflichtigen, um welche 
es sich hier bloß handeln kann, nicht in das Gewicht, 
während dieselben hier ausschlaggebend werden 
können. Endlich aber braucht für jeden Mann, der 
hier eintritt, die Armee keinen hinauszusenden. Im 
Uebrigen liegt das Gewicht dieser Frage militärisch 
nicht auf den wenigen gestellungspflichtigen Relruten, 
sondern auf der Menge ausgedienter Soldaten, deren 
Kräfte zur Zeit völlig brach liegen. Die Ersteren 
kommen nur vom kolonial= politischen Gesichts- 
punkte aus in Betracht, indem eine unbefriedigende 
Lösung sie oder ihre Väter von einer Ansiedelung 
dahier abschrecken würde. 
Ich kann daher nur zu dem Schluß kommen, 
daß die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im 
hiesigen Schutzgebiete vom Standpunlte des Staats- 
wohles nur Vortheile und keine Nachtheile mit sich 
bringt. Die Unterlassung dieser Maßregel kann da- 
gegen verschiedene Nachtheile haben, je nachdem wir 
das militärische oder das kolonial-politische Interesse 
in den Vordergrund stellen. Das Erstere verlangt 
starre Erfüllung der Wehrpflicht in der Heimath 
und führt daher zu Härten, welche zweifellos die 
Entwickelung des Schußgebietes schädigen werden. 
Das Zweite erfordert wohlwollende Anwendung des 
Wehrgesetzes und Gestattung von Ausständen weil- 
reichendster Art. Dadurch aber entziehen wir dem 
alten Vaterlande Kräfte, ohne jedoch diese für das 
Schutzgebiet nuhtbar zu machen und ohne das Erstere 
in der bisher ausschließlich übernommenen Sorge für 
den militärischen Schuß der Kolonie zu erleichtern. 
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Militär-technische Schwierigkeiten dürften bei der 
Sache wenig zu Tage treten. Die Listen könnten 
mit Hülfe der Ortspolizeibehörden bei den Bezirks- 
hauptmannschaften kurrent erhalten werden, wobei die 
bereits jetzt im Schutzgebiete für die Weißen be- 
stehende polizeiliche An= und Abmeldepflicht völlig 
genügte. Kontrolversammlungen sowie Friedens- 
dienstleistungen halte ich für entbehrlich. Den Mann- 
schaften muß es lediglich zur ernsten Pflicht gemacht 
werden, daß sie sich bei Ausbruch von Feindselig- 
keiten irgend welcher Art bei der nächsten Militär= 
station zu melden haben. Die gute Funktionirung 
dieses Apparates hängt lediglich von der richtigen 
An= und Abmeldung ab, und es müßte daher ein Unter- 
lassen derselben so strenge wie möglich bestraft werden. 
Troß der Größe des Landes pflegen sich die Weißen 
eines Bczirkes durchweg untereinander zu kennen, 
und es ist daher das dauernde Verschwinden eines 
Wehrpflichtigen, wie dies in Deutschland ab und zu 
vorkommt, hier kaum zu sürchten. Wassen und Aus- 
rüstungsgegenstände würden an den Sitzen der 
Distriktschess aufzubewahren und dort auch die Ein- 
kleidung vorzunehmen sein. Da die Einbernfung nur 
zu wirklichen Kriegszwecken erfolgt, so würde in der 
Art der Erfüllung der Wehrpflicht ein Unterschied 
zwischen den einzelnen Kategorien nicht eintreten, in 
der Verwendung aber die Ausgebildeten von den 
Nichtausgebildeten (Landsturm) zu trennen sein. Die 
Ermächtigung zur Einberufung würde in die Hände 
des Landeshauptmanns zu legen sein. 
Bei der großen Zahl der im Schutgebiete an- 
sässigen Ansiedler nichtdeutscher Nationalität würde 
serner auch noch die Frage zu erwägen sein, in wie 
weit bei diesen ein Ausgleich gegenüber den mehr- 
belasteten Ansiedlern deutscher Nationalität zu schaffen 
sein würde. Bei den Kriegen gegen Eingeborene 
handelt es sich nicht ausschließlich um deutsche In- 
teressen, sondern mehr um allgemeine Interessen der 
weißen Bevölkerung. Es erscheint daher unbillig, wenn 
die Vertheidigung der Lepßteren lediglich auf deutsche 
Schultern gelegt wird. Die übrigen Weißen müßten 
gleichfalls zur Kriegsheeresfolge verpflichtet oder mit 
einer entsprechenden Wehrsteuer belegt werden. Von 
den bereits hier befindlichen nichtdeutschen Ansiedlern 
hat sich schon ein Bruchtheil zum freiwilligen Kriegs- 
dienste bereit erkärt. Indessen könnte sich im Ernst- 
falle diese Stütze als einc trügerische erweisen, so- 
lange mir jedes geseßliche Mittel fehlt, die Betreffenden 
unter Umständen auch zur Erfüllung ihres Wortes 
zu zwingen. Doch dürfte die Lösung dieser Frage 
zunächst noch keine dringende sein und derselben besser 
erst nach Einführung der Wehrpflicht für die deutschen 
Ansiedler näher getreten werden. 
Schließlich bleibt noch die Frage zu erörtern, ob 
die vorgeschlagene Art der Erfüllung der Wehrpflicht 
von den hiesigen Ansiedlern voraussichtlich als 
Härte empfunden werden würde, da ja kriegerische 
Ereignisse hier mehr als in Europa zu erwarten 
sein werden und denselben daher eine häufigere Ein- 
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