selbst die allgemeine Wehrpflicht auf der breitesten
Grundlage durchgeführt ist. Ich meinerseits beurtheile
daher diese Frage weniger von dem Standpunkte aus,
ob den hiesigen Ansiedlern eine Erleichterung gewährt
werden soll, als von demjenigen, ob dieselben die
Vertheidigung der neuen Heimath für immer und
ausschließlich auf die Schultern des alten Vaterlandes
legen dürfen. Denn thatsächlich herrscht hier der
letztgenaunnte Zustand. Die ausgedienten Soldaten
thun weder hier noch in der Heimath Dienst, sondern
lassen sich auch in Kriegszeiten durch die altiven
Truppen beschützen. Die noch gestellungspflichtigen
Rekruten dagegen suchen vorläufig Ausstand nach
und hosfen schließlich doch noch hier dienen zu dürfen.
Sollten diese indessen, in schrosser Anwendung des
Wehrgesetzes, zur Rückkehr nach der Heimath ge-
zwungen werden, so würde damit die Einwanderung
von Familienvätern in das hiesige Schutzgebict nahezu
unterbunden sein. Ohne irgend welchen Gegenvortheil
würden wir der Entwickelung des Schutgebietes einen
ernsten Riegel vorgeschoben haben. Denn die Gefahr,
daß infolge des Eintritts dieser Wehrpflichtigen in die
Schutztruppe der heimathlichen Armee Kräste ent-
zogen würden, halte ich nicht für bedrohlich. Einer-
seits ist es doch mehr als fraglich, ob nach Ausbruch
eines europäischen Krieges die hiesigen Wehrpflichtigen
noch Zeit und Gelegenheit zur Rückkehr in die Hei-
math finden werden, andererseits fallen bei einem
solchen die Hunderte von Wehrpflichtigen, um welche
es sich hier bloß handeln kann, nicht in das Gewicht,
während dieselben hier ausschlaggebend werden
können. Endlich aber braucht für jeden Mann, der
hier eintritt, die Armee keinen hinauszusenden. Im
Uebrigen liegt das Gewicht dieser Frage militärisch
nicht auf den wenigen gestellungspflichtigen Relruten,
sondern auf der Menge ausgedienter Soldaten, deren
Kräfte zur Zeit völlig brach liegen. Die Ersteren
kommen nur vom kolonial= politischen Gesichts-
punkte aus in Betracht, indem eine unbefriedigende
Lösung sie oder ihre Väter von einer Ansiedelung
dahier abschrecken würde.
Ich kann daher nur zu dem Schluß kommen,
daß die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im
hiesigen Schutzgebiete vom Standpunlte des Staats-
wohles nur Vortheile und keine Nachtheile mit sich
bringt. Die Unterlassung dieser Maßregel kann da-
gegen verschiedene Nachtheile haben, je nachdem wir
das militärische oder das kolonial-politische Interesse
in den Vordergrund stellen. Das Erstere verlangt
starre Erfüllung der Wehrpflicht in der Heimath
und führt daher zu Härten, welche zweifellos die
Entwickelung des Schußgebietes schädigen werden.
Das Zweite erfordert wohlwollende Anwendung des
Wehrgesetzes und Gestattung von Ausständen weil-
reichendster Art. Dadurch aber entziehen wir dem
alten Vaterlande Kräfte, ohne jedoch diese für das
Schutzgebiet nuhtbar zu machen und ohne das Erstere
in der bisher ausschließlich übernommenen Sorge für
den militärischen Schuß der Kolonie zu erleichtern.
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Militär-technische Schwierigkeiten dürften bei der
Sache wenig zu Tage treten. Die Listen könnten
mit Hülfe der Ortspolizeibehörden bei den Bezirks-
hauptmannschaften kurrent erhalten werden, wobei die
bereits jetzt im Schutzgebiete für die Weißen be-
stehende polizeiliche An= und Abmeldepflicht völlig
genügte. Kontrolversammlungen sowie Friedens-
dienstleistungen halte ich für entbehrlich. Den Mann-
schaften muß es lediglich zur ernsten Pflicht gemacht
werden, daß sie sich bei Ausbruch von Feindselig-
keiten irgend welcher Art bei der nächsten Militär=
station zu melden haben. Die gute Funktionirung
dieses Apparates hängt lediglich von der richtigen
An= und Abmeldung ab, und es müßte daher ein Unter-
lassen derselben so strenge wie möglich bestraft werden.
Troß der Größe des Landes pflegen sich die Weißen
eines Bczirkes durchweg untereinander zu kennen,
und es ist daher das dauernde Verschwinden eines
Wehrpflichtigen, wie dies in Deutschland ab und zu
vorkommt, hier kaum zu sürchten. Wassen und Aus-
rüstungsgegenstände würden an den Sitzen der
Distriktschess aufzubewahren und dort auch die Ein-
kleidung vorzunehmen sein. Da die Einbernfung nur
zu wirklichen Kriegszwecken erfolgt, so würde in der
Art der Erfüllung der Wehrpflicht ein Unterschied
zwischen den einzelnen Kategorien nicht eintreten, in
der Verwendung aber die Ausgebildeten von den
Nichtausgebildeten (Landsturm) zu trennen sein. Die
Ermächtigung zur Einberufung würde in die Hände
des Landeshauptmanns zu legen sein.
Bei der großen Zahl der im Schutgebiete an-
sässigen Ansiedler nichtdeutscher Nationalität würde
serner auch noch die Frage zu erwägen sein, in wie
weit bei diesen ein Ausgleich gegenüber den mehr-
belasteten Ansiedlern deutscher Nationalität zu schaffen
sein würde. Bei den Kriegen gegen Eingeborene
handelt es sich nicht ausschließlich um deutsche In-
teressen, sondern mehr um allgemeine Interessen der
weißen Bevölkerung. Es erscheint daher unbillig, wenn
die Vertheidigung der Lepßteren lediglich auf deutsche
Schultern gelegt wird. Die übrigen Weißen müßten
gleichfalls zur Kriegsheeresfolge verpflichtet oder mit
einer entsprechenden Wehrsteuer belegt werden. Von
den bereits hier befindlichen nichtdeutschen Ansiedlern
hat sich schon ein Bruchtheil zum freiwilligen Kriegs-
dienste bereit erkärt. Indessen könnte sich im Ernst-
falle diese Stütze als einc trügerische erweisen, so-
lange mir jedes geseßliche Mittel fehlt, die Betreffenden
unter Umständen auch zur Erfüllung ihres Wortes
zu zwingen. Doch dürfte die Lösung dieser Frage
zunächst noch keine dringende sein und derselben besser
erst nach Einführung der Wehrpflicht für die deutschen
Ansiedler näher getreten werden.
Schließlich bleibt noch die Frage zu erörtern, ob
die vorgeschlagene Art der Erfüllung der Wehrpflicht
von den hiesigen Ansiedlern voraussichtlich als
Härte empfunden werden würde, da ja kriegerische
Ereignisse hier mehr als in Europa zu erwarten
sein werden und denselben daher eine häufigere Ein-
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