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Gegen die Entscheidungen der Häuptlinge ist Berufung an das Eingeborenen-Schiedsgericht zulässig.
Dasselbe ist als erstinstanzliches Gericht zuständig für diejenigen Civil= und Strafprozesse, welche
nicht zur Zuständigkeit der Häuptlinge gehören. Das Verbrechen des Mordes und des Todtschlags bleibt
jedoch der Jurisdiktion des Schiedsgerichts entzogen.
Auch ist dasselbe nicht befugt, auf Todesstrase sowie auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei
Jahren zu erkennen.
8 4.
Streitigkeiten zwischen Eingeborenen und den im Geltungsbereich dieser Verordnung ansässigen
Angehörigen des Duallastanimes sind der Rechtsprechung der Häuptlinge entzogen. Sie fallen, auch wenn
der Gegenstand des Streitwerthes in Civilsachen oder der Urtheilsfindung in Strassachen das in § 2
bezeichnete Maß nicht überschreitet, unter die Zuständigkeit des Eingeborenen-Schiedsgerichts.
86.
Für die Rechtsprechung des Schiedsgerichts sind die an Ort und Stelle in Uebung stehenden
Gebräuche und Gewohnheiten maßgebend.
86.
Die Mitglieder des Eingeborenen-Schiedsgerichts sowie deren Stellvertreter werden durch den
Kaiserlichen Gouverneur ernannt. Die Ernennung ist jederzeit widerruflich.
§ 7.
Das Schiedsgericht ernennt einen Vorsitzenden, welcher die Verhandlungen zu leiten, sowie einen
Selretär, welcher über jeden Streitsall ein Protokoll zu führen hat.
Das Protokoll, welches das Datum des Sitzungstages, die Namen der Nichter und der Parteien,
den Gegenstand und Grund des Rechtsstreits sowie die erlassene Entscheidung enthalten muß, ist von dem
Vorsitzenden und dem Protokollführer zu unterschreiben. Die Protokolle eines Jahres sind chronologisch
zu einem Aktenstücke zu vereinigen und können von dem Gonverneur und dessen Stellvertreter jederzeit
eingesehen werden. Auch steht dem Gomwerneur und dessen Stellvertreter jederzeit frei, den Sitzungen des
Eingeborenen-Schiedsgerichts beizuwohnen.
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Gegen die Entscheidungen des Schiedsgerichts ist Berufung an den Kaiserlichen Gouverneur oder
dessen Stellvertreter zulässig. Dieselbe muß binnen 14 Tagen nach Verkündung der Entscheidung schristlich
oder mündlich beim Gouvernementssekretär eingelegt werden.
§5 9.
Die der Kompetenz des Eingeborenen-Schiedsgerichts nicht unterworfenen Strafsachen sind der
Jurisdiktion des Kaiserlichen Gonverneurs beziehungsweise dessen Stellvertreters vorbehalten.
Kamerun, den 12. September 1895.
Der Kaiserliche Gouverneur.
(L. S.) gez. v. Puttkamer.
Verordnung des Kaiserlichen Gonverneurs von Kamernun, betreffend Einführung
eines Eingeborenen-Schiedsgerichts für die Landschaft Bodiman.
Auf Grund des § 1 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutgebiete,
verordnet der Kaiserliche Gouverneur Folgendes:
81.
Es wird ein Eingeborenen-Schiedsgericht eingerichtet für die Landschaft Bodiman. Der Zuständig-
keit des Schiedsgerichts unterliegen die sämmtlichen Ortschaften der Landschaft Bodiman einschließlich Yabasi
und die in der Landschaft befindlichen Duallaniederlassungen, letztere nach Maßgabe der Bestimmung in § 4.
isi-
Streitigkeiten zwischen den Eingeborenen dieser Dörfer sind durch den eingeborenen Häuptling des
Beklagten zu erledigen, wenn in bürgerlichen Streitsachen der Werth des Streitgegenstandes 100 Mark
(5 Kru) nicht überschreitet, und in Strafsachen der Gegenstand der Urtheilsfindung eine That bildet, deren
Ahndung keine höhere Strafe als 300 Mark oder sechs Monate Gefängniß erfordert.