Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Er erachtet die Fortdauer der Menschenfresserei, 
Menschenopfer, Gottesurtheile durch Gift in dem 
Schußgebiete für weit schlimmer als die gelegent- 
lichen Fälle von Trunkenheit. Nur eine starke Ver- 
waltung vermöge ihnen zu steuern, um eine solche 
aber zu erhalten, seien Einnahmen unentbehrlich, die 
nach Lage der Dinge nur aus Zöllen fließen könnten, 
die von Spirituosen und Waffen erhoben würden. 
Neuer Solltarif von Dahomey et Deépendences. 
Unter dem 1. Mai d. Is. ist in Dahomey ein 
neuer Zolliarif vorläufig in Kraft geseht worden. 
Es zahlen danach: 
Genever von 0 bis 20 vom Liter 0,25 
21 0,375 Frc. 
von 50 ab für jeden Grad 0,0075 Frc. Zuschlag. 
Spirituosen anderer Art in Fässern: 
Frc. 
: 50° = 2- 
von O bis 10° vom Hektoliter 3,00 Fre. 
11 20 = O 6,00 
21 40 1200 - 
2650 5.00 
von — bis70 bonchro chienhhlantiih 10 Frc. 
. 90 - - 7 - 
über 5 - - -0,6 
Spirituosen in Danies- jeannes (Demüohns) — 
Blechgefäßen außer den obigen Zöllen vom Liter ein 
Zuschlag von 0,05 Frc. 
Künstliche Weine werden wie Alkohol behandelt. 
Tabak vom Kilogramm. 0,35 Frc. 
Puluoer = - . 0,50- 
Gewehre, Stück . 2,00 
Meersalz für 1000 kg 6,00 
Anderes Salz 14,00 
Gewebe nach ben Fakturenwerthe unter Zuschlag 
der Transportkosten und einer Zurechnung von 
25 pCt. = 10 PéCt. 
Alle anderen Waaren zahlen einen Zoll vom 
Werthe von 4 pCt. 
Eine Anzahl Waaren, wie Lebensmittel, Bau- 
materialien, Maschinen u. s. w., sind zollfrei. 
Perschiedene Mittheilungen. 
Verarbeitung der Rheafaser (auch Ramie. Thinagras 
genannt. Bochmerln). 
In Bombay ist mit einem Kapital von 6000000 
Rupien eine Gesellschaft unter dem Namen „The 
Indian Rhea Fibre Patent Company Limited“ 
auf Grund der Indian Company Act 1882 in das 
Firmenregister eingetragen worden. Sie hegt die 
582 
  
Absicht, von Bombay aus Filialen in Bengalen, den 
Central= und Nordwestprovinzen, in der Präsident- 
schaft Madras, in Burmah, Assam, den Straits- 
Settlements und auf Ceylon — überhaupt überall 
zu errichten, wo die Verhältnisse den lukrativen Anbau 
–— 
von Rhea gestatten. Diese indische Gesellschaft besitzt 
ein sehr ausgedehntes Regierungsmonopol zur allei- 
nigen Ausbentung der Faser in Indien, hat aber 
ihre Rechte einer englischen Gesellschaft, der London 
Rhea Fibre Treatment Company), abkausen müssen. 
Lettere hat bereits in London, Belfast, Bradford, 
Glasgow, Leeds und anderen englischen Städten 
Rheaspinnereien in Betrieb. Von dieser britischen 
Gesellschaft ist im September d. Is. in Bombay ein 
Sachverständiger eingetroffen, um der indischen Ge- 
sellschaft die erforderlichen Maschinen aufzustellen 
und den Zubereitungsprozeß der Faser, nach dem 
Patent eines Dr. Gomez, das die Basis des Unter- 
nehmens zu bilden scheint, zu demonstriren. Es 
handelt sich hierbei vor Allem um eine einfache und 
gründliche Eutfernung von gummiartigen Bestand- 
theilen, die die industrielle Verwerthung der Faser 
bisher sehr erschwert haben. 
Nhea ist eine Bastfaser, welche aus den Zweigen 
von strauchförmigen Nesselgewächsen (Urticaceen) 
gewonnen wird, und zwar hauptsächlich von zwei 
Arten: Bochmeria niven und Bochmerin tenna- 
cissima. Diese beiden Spezies sind häufig mit- 
einander verwechselt worden, liefern aber eine ver- 
schieden starke Faser und besitzen sehr gut ausgeprägte 
Unterscheidungsmerkmale in den Blättern. Diese sind 
bei beiden Arten wechselständig, 3 bis 6 Zoll lang, 
breit oval, am Rande grob dreieckig gezähnt und 
scharf zugespitzt, — bei Bochmerins nivea unterseits 
silberweiß behaart und kurz in den Blattstiel ver- 
schmälert, — bei Bochmeria tenacissimn dagegen 
unterseits kahl, weiß geadert und länger gestielt. 
Beider Arten Blätter sind nicht wie zahlreiche ihrer 
Verwandten mit Brennborsten versehen. Die Blüthen 
sind bei beiden klein, unansehnlich, grün, eingeschlechtig, 
monöcisch und stehen in Nispen, welche den Blatt- 
winkeln entspringen. 
Beide Arten erheischen zu ihrem Gedeihen ein 
ganz verschiedenes Klima, was sehr bemerkenswerth 
ist. Man kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es 
in Indien einheimische Pflanzen oder in früherer Zeit 
nach dort eingeführte Kulturgewächse sind. Letzteres 
ist jedoch das Wahrscheinlicherc. 
Bochmeria niven dürfte aus China stammen, 
dem bisherigen Hauptproduktionsland der Rheafaser, 
die dort „China grass“ heißt und als solches auch 
zur Ausfuhr gelangt. Diese Art produzirt eine 
brauchbare Faser nur in einem gemäßigten, jedoch 
nicht zu kalten Klima und ist auch schon versuchs- 
weise in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal 
angebaut worden, aber wohl nur mit geringem Er- 
folg. Bochmeria tenacissima dagegen ist eine 
echt tropische Pflanze, die wahrscheinlich dem ma- 
layischen Archipel entstammt, der ihr mit seinem 
gleichmäßig feuchtwarmen, der Treiöhmesluft ähnlichen 
Klima die günstigsten Lebensbedingungen bietet. 
In Indien wurden die Boehmeriaarten zuerst 
im botanischen Garten zu Calcutta zu Anfang dieses 
Jahrhunderts von dem Botaniker Dr. Roxburgh
	        
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