Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

angepflanzt, 1840 dann aber in Assam entdeckt. 
Zugleich wurdc konstatirt, daß die am Brahmaputra 
ansässigen Fischer schon seit alten Zeiten aus der 
Faser ihre sehr dauerhaften Netze und Tamwerk her- 
zustellen pflegten. Die bemerkenswerthe Hallbarkeit 
der Faser sowie deren Widerstandsfähigkeit gegen 
den Einfluß der Nässe waren bereits im Jahre 1810 
in London experimentell festgestellt, so daß es er- 
klärlich ist, daß man in Indien allmählich anfing, 
sanguinische Hoffnungen auf Entwickelung einer Rhea- 
industrie zu hegen. Dieselben scheiterten jedoch an 
der Schwierigkeit der Verarbeitung bezw. Herstellung 
der Faser. 
Zahlreiche Patente wurden zwar im Lause der 
Jahre hierfür gelöst; theils für Maschinen zum Ab- 
schälen des Bastes von den Zweigen und Ausziehen 
der Faser, theils für verschiedene Verfahren zum 
Entsernen des Gummis auf chemischem oder mecha- 
nischem Wege. Der gesammte Aufbereitungsprozeß 
blieb jedoch ein recht kostspieliger und dabei unvoll- 
ständiger, weil das Gummi nicht vollig ans der 
Faser entfernt werden konnte. Erst jetzt scheint durch 
das Gomezsche Patent ein billigeres und dabei 
gründlicheres Verfahren gefunden worden zu sein, 
das vielleicht ein Emporblühen der Rheaindustrie 
zur Folge haben wird. 
Die Kultur der Boehmeriaarten scheint für das 
neue industrielle Unternehmen zweifelsohne die wich- 
tigste Frage zu sein. Denn wemn auch die genaunten 
Gewächse in Indien äuszerlich vortresslich gedeihen, 
so ist damit doch noch keineswegs gesagt, daß sie 
auch überall eine brauchbare Faser liefern. Die mit 
Boehmeria z. B. im botanischen Garten zu Saharan- 
pur (nördlich von Delhi) angestellten Kulturversuche 
sind von einem vollständigen Mißerfolg begleitet ge- 
wesen. Dr. King, der zeitige Direktor des bota- 
nischen Gartens zu Calcutta, stellt unter Hinweis 
auf diese sowie auf seine eigenen, gleichfalls ungünstigen 
Kulturversuche der Rheaindustrie in Indien ein sehr 
schlechtes Prognostikon. Er bezeichnet die Versuche 
in Saharanpur und Calcutta als maßgebend für ganz 
Nordindien und als Grund für das Fehlschlagen 
dieser Versuche den zu jähen Temperaturwechsel, der 
ein zu ungleiches Gewebe in der Pflanze erzeuge. 
Er hebt ferner hervor, daß die beiden Boehmeria= 
arten, wenn sie eine kommerziell brauchbare Faser 
hervorbringen sollen, vor allen Dingen reichlich 
Dünger verlangen, — eine in Indien schwer zu 
ersüllende Bedingung, da der animalische fast überall 
als Brennmaterial verwendet wird. 
Die einzigen Distrikte, wo für die tropische bezw. 
subtropische Boehmeria vielleicht einigermaßen gute 
llimatische Verhältnisse vorhanden sind, dürften Assam 
und Burmah sein. Hier aber muß als ein schwer- 
wiegender Faktor der Arbeitermangel in Rechnung 
gezogen werden. Im Süden Indiens, in der Prä- 
sidentschaft Bombay, den Centralprovinzen wechselt 
die Temperatur kaum minder schnell als in Nord- 
  
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indien, und erfolgreiche Kulturversuche in diesen 
Distrikten liegen noch keineswegs vor. 
Die Aufgabe, welche die neugegründete Gesellschaft 
sich in Indien zu lösen gestellt hat, muß daher als 
eine recht schwierige erscheinen. Es handelt sich eben 
nicht um den Anbau einer einjährigen schnell empor- 
schießenden Pflanze, wie z. B. Jute, sondern um die 
Kultur eines perennirenden Strauches, dessen eine 
Art ein durchaus gemäßigtes Klima verlangt, wäh- 
rend die andere eine tropische, gleichmäßig heiße und 
dabei feuchte Atmosphäre ohne bedeutenden Temperakur= 
wechsel fordert. 
Viel eher als Indien dürften China und der 
malayische Archipel berufen sein, die Rheafaser- 
industrie zur Entwickelung und Blüthe zu bringen. 
Was schließlich die Eigenschaften der Rheafaser 
anbelangt, so ist deren große Stärke und Wider- 
standsfähigkeit gegen Feuchtigkeit bereits kurz hervor- 
gehoben worden. In der That ibertrifft die Rhea- 
faser in dieser Beziehung sowohl Flachs als Hauf 
— ein aus Rhea hergestelltes Seil erträgt ungefähr 
die doppelte Belastung eines gleichstarken aus Hauf 
gefertigten. Nur in der Aloefaser (von Agavearten 
stammend) und in dem Manilahanf (Musa textilis) 
findet die Rhea ebenbürtige Konkurrenten. Im 
Uebrigen ist sie feinhaarig und von einem schönen 
Glanz, wie ihn von Pflanzenfasern sonst nur die Jute 
zeigt; dabei aber zu steif und nicht elastisch genng, 
umsich leicht verspinnen zu lassen. Es ist indessen 
nicht ausgeschlossen, ja sogar wahrscheinlich, daß 
hierau das nicht völlige Entfernen des Gummis 
Schuld hat, und daß durch das neue Gomezsche 
Patent ein besseres, biegsameres Produkt erzielt 
werden wird. Bisher hat man davon absehen müssen, 
Rhea allein zu verspinnen, und dieselbe mit anderen 
Textilstoffen gemischt verarbeitet. Dabei sind sehr 
befriedigende Resultate erzielt und gute, starke Garne 
aus Flachs und Rhea sowie aus Hanf und Rhea 
erzeugt worden. Ferner eignet sich die Faser wegen 
ihrer haarartigen Beschaffenheit ganz vorzüglich zum 
Verspinnen mit Wolle. Zur Mischung mit Seide 
dagegen eignet sich Jute besser. Gewebe aus Rhea 
und Baumwolle sind bis jetzt noch zu kostspielig. 
Die Nhea läßt sich endlich auch gut färben und 
nimmt dabei von anderen Fasern verschiedene Farben- 
tönec an, was die Schönheit solcher gemischter Nhea- 
stosse ungemein erhöht. 
Die Faser der chinesischen Bochmeria nivean ist 
viel slärker und widerstandsfähiger als die der tro- 
pischen Bochmeria tenacissima, weshalb für die 
Rheaindustrie wohl besonders die erstere Spezies 
zur Kultur in Frage kommen dirste. 
Ueber die Vanille 
schreibt Wilheim Krebs in der „Pharmaceutischen 
Centralhalle“: 
Die Lodgesche Sammlung enthält zehn Arten 
Vanille, zu denen als elfte nach Williams Handbuch
	        
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