Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Eroberung Fessans durch das Reich Kanem, an die 
Eroberung Tuats durch das von Sonrhay —, sind 
sie, wenn zu stark mit Negerblut durchsetzt, nicht 
mehr im Stande, ihre Erbfeinde zurückzuhalten, und 
diese drängen in den Sudan hinein. 
Im Sudan, in Ostafrika, immer dasselbe Bild. 
Fremde Völker bringen Kultur und Leben in die 
träge Masse der Schwarzen, aber bald hemmt die 
Stabilität derselben allen Fortschritt, alle Ent- 
wickelung. Dieser seit Jahrhunderten sich vollziehende 
Prozeß bildet den wesentlichsten Inhalt der Geschichte 
des tropischen Afrika. 
Gerade im centralen Sudau vollziehen sich 
heutzutage mehrere dieser Prozesse. Einmal die 
Vernegerung der hamitischen Fulbe, serner die der 
ursprünglich sublybischen Gobir oder Haussa. Die 
Haussasprache breitet sich mehr und mehr aus, die 
zahlreichen kleinen Heidenstämme des centralen Sudan, 
ferner sogar die Nupe, Igbirra, Igara, Djikum und 
andere Stämme am unteren Benus, zahllose im- 
portirte Sklaven werden von ihnen aufgesogen, werden 
selbst zu „Hanssac. Bautschi, Muri, das Königreich, 
Kororofa, Keffi, die Nupe= und Igbirraländer, Alles 
Gegenden, in denen noch vor 50 Jahren kaum Haussa 
zu sinden waren, sind heutzutage bereits der Haupt- 
masse nach mit Haussa“ besiedelt, überall wird 
Haussa verstanden und gesprochen, und zwar in stark 
reduzirter Form, ähnlich der malalischen Verkehrs- 
sprache in Asien. Auch in dem sonst durchaus von 
Fulbe beherrschten, den Haussa gänzlich fremden 
Adamana wächst die Zahl und ihr Einfluß jährlich. 
Wie Viele sind aber wirkliche Haussa, d. h. Nach- 
kommen der kriegerischen und energischen Gobir? 
Voraussichtlich wird allmählich den ganzen centralen 
Sudan das große Mischvolk der Haussa einnehmen 
und sich zu einer einheitlichen Rasse entwickeln. 
Meiner Ansicht nach haben alle Sudanneger 
eine ähnliche Entwickelung wie die Haussa durch- 
gemacht. Die Grenzländer gegen die Wüste sind 
die Heimath aller dieser Stämme gewesen; dort sind 
sie entstanden, entstehen noch heute, werden dann 
aber durch neuen Nachschub von der Wüste her ab- 
gestoßen und nach Süden gedrängt, wie die Eisberge 
des kalbenden Gletschers. 
Eine neue, energische Bewegung der Wüsten- 
stämme scheint übrigens bevorzustehen, welche z. Th. 
mit dem Vordringen des Europäers in dem Niger- 
Benuc-Gebiet in Zusammenhang zu bringen ist. 
Die Tuareg sind zum großen Theil ihrer 
Existenzmittel, welche ihnen der Wüstenhandel ein- 
brachte, beraubt worden. Das Erheben von Tributen 
und Vermiethen von Kameelen hat aufgehört, sie 
sind auf Naubzüge angewiesen. Dazu kommt, daß 
der europäische Salzhandel am Niger-Benns den 
Salzhandel aus Asben nach den Haussaländern, aus 
welchen die Asbenana das Geld zum Einkauf von 
Getreide bezogen, schädigen muß. Dem Andrängen 
der Tuareg konnten die Kanembu bereits zu Nachtigals 
Zeit kaum widerstehen, jetzt ist jenen auch die Oase 
  
Kauar und damit der Karawanenweg von Kuka nach 
Tripolis in die Hände gefallen. 
Die Araberhorden Rabbehs haben 1893 Kuka 
erobert und sollen neuesten Nachrichten zufolge 
(April 1895) auf dem Marsch nach Sokoto sein. 
Die Straße von Tripolis nach Kuka ist bereits 
verödet, dagegen blüht noch der Handel zwischen 
Wadai und Aegypten über Djerabut, den Sitz des 
Ssuussioberhauptes.“ 
Leider hat sich der Verfasser nicht auf die rein 
wissenschaftliche Darstellung beschränkt, sondern in 
einem Schlußkapitel „Kamerun als deutsche Kolonie“ 
auch die Fragen der praktischen Kolonialpolitik und 
besonders der Mission behandelt. Die Urtheile, die 
er darin fällt, beweisen, daß er die Verhältnisse in 
dem bisher wirllich besiedelten Theile Kameruns 
nicht genügend kennt und die Schwierigkeiten, mit 
denen dort auf Schritt und Tritt zu rechnen ist, 
unterschätzt. Das sonst so ausgezeichnete und der 
deutschen Wissenschaft ebenso wie dem deutschen Buch- 
handel zur Ehre gereichende Werk würde gewinnen, 
wenn dieser Absatz bei einer neuen Auflage gestrichen 
würde. 
Segel-Handbuch für die Küste von Deutsch- 
Ostafrika und die Insel Zanzibar. Mit 
26 Holzschnitten. Herausgegeben vom Reichs- 
Marinc-Amt. Berlin 1895. Kommissionsverlag 
von Dietrich Reimer. 
Zum ersten Male werden durch diese dankens- 
werthe Veröffentlichung die deutschen Schiffe, welche 
Ostafrika besuchen, unabhängig von den englischer- 
seits herausgegebenen Werken. Das Erscheinen 
deutscher Admiralitätskarten, welche nicht minder er- 
wünscht sind, für alle Theile der Küste des deutschen 
Schutzgebicts steht bevor. Vor der Hand sind leider 
erst für die Gewässer von Tanga und Nachbarschaft 
solche vorhanden. Es sleht zu hoffen, daß die deutsche 
Marine in absehbarer Zeit ähnliche Hülfsmiktel für 
die Schifffahrt in den Gewässern aller deutschen 
Schutzgebiete fertigstellt. Die hier vorliegende Arbeit 
bietet mancherlei Interessantes auch für die allgemeine 
Kenntniß Deutsch-Ostafrikas. 
  
Paul Reichard: Zur Frage der Austrocknung 
Afrikas. 
Der bekannte Reisende widerspricht in dem hier 
genannten, in der Leipziger geographischen Zeitschrift 
kürzlich erschienenen Anssatz auf Grund seiner persön- 
lichen Beobachtungen der Behauptung einzelner 
Forscher, daß das Klima Innerasrikas von Jahr zu 
Jahr trockner werde und die Binnenseen in abseh- 
barer Zeit versiegen müßten. Er weist darauf hin. 
daß einzelne der Seen allerdings zurückgehen, andere 
aber wachsen, und nimmt daher periodische 
Schwankungen der Feuchtigkeit des afrikanischen 
Klimas an.
	        
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