Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

erkannte bei meinem Erscheinen die Gerechtigleit der 
Ausprüche seines Gegners rückhaltlos an, und beide 
schwuren sich in meiner Gegenwart Freundschast. 
Damit wird dieser Streit zwischen zwei der deutschen 
Regierung besonders treu gesinnten Häuptlingen 
wohl ein Ende haben. Ein von Aur gemeldcter 
Leprafall ergab sich bei der Untersuchung durch den 
Arzt des Kriegsschisses als ein sehr schwerer Fall 
einer hier oft vorkommenden Hautkrankheit (Gogo). 
Die über Aur versügte Quarantäne konnte daher 
aufgehoben werden. Mit besonderem Stolze zeigte 
mir Murgil die bedeutenden Neuanpflanzungen von 
Kokosnußbäumen, wie sie durch die Verordnung vom 
22. September 1894 veranlaßt worden sind. Es 
freut mich berichten zu können, daß auf allen Atollen, 
die ich besucht habe, die Häuptlinge mit besonderer 
Freude dieser Verordnung nachgelebt haben, und daß 
die Firmen wie die Händler in ihr eine besonders 
segensreiche Förderung der Ertragsfähigkeit des 
Schutzgebietes sehen. Nachdem noch einige Amts- 
geschäfte und schiedsrichterliche Urtheile gefällt worden 
waren, wurde die Reise gegen Abend nach Aruo 
fortgesetzt. 
Aus Aruo waren Gerüchte über die unruhige 
Haltung der beiden dortigen Häuptlinge Udijelang 
und Davidi zu mir gelangt. Beide Häuptlinge 
stellten indessen in Abrede, daß sie jemals an eine 
Auflehnung gegen die deutsche Regierung gedacht 
hätten, und es stellte sich heraus, daß die Gerüchte 
auf Mißhelligkriten mit einem inzwischen entlassenen 
englischen Händler der Jaluit-Gesellschaft zurückzu- 
führen waren. Die zwei Tage meiner Anwesenheit 
in Aruo wurden mit Erledigung zahlreicher Amts- 
geschäfte und mit der Beilegung einer ganzen Neihe 
von Klagen der Händler und Eingeborenen reichlich 
ausgefüllt. 
Am Morgen des 25. Juli traf ich in Madjurn 
— die Entfernung des Atolls von Aruo ist größer 
als auf der Karte angegeben ist — ein. 
Seit meiner letzten Anwesenheit ist die Ruhe hier 
nirgends gestört worden, und die beiden Häuptlinge 
Jibberik und Kaibnki versprachen auch in Zukunft 
in Frieden nebeneinander zu leben. Jibberik ist in- 
zwischen fast ganz Missionar geworden und trägt 
sich auch im Aeußeren so. Er verfügt nunmehr 
über nicht weniger als fünf Kirchen auf den einzelnen 
Juseln. 
Noch an demselben Abend mußte die Lagune 
von Madjuru verlassen werden, wenn am anderen 
Morgen noch Mille erreicht werden sollte. In 
Mille wurden nur die schwebenden Streitigkeiten 
geschlichtet und die Klagen und Wünsche der Häupt- 
linge angehört. Mille gehört zu den frucht- 
barslen Atollen, und besonders sorgfältig ist die Insel 
des einflußreichsten Häuptlings Moses gepflegt. Er 
hat in den letzten Jahren ganze Haine von jungen 
Kokosnußpalmen angelegt. Die Ernte verspricht auch 
in diesem Jahre eine ausgezeichnete zu werden. 
Nachdem unterwegs noch zwei Schiffbrüchige, die 
  
aus den Gilbert-Inseln nach Mille verschlagen 
waren, Aufnahme gefunden hatten, erreichte S. M. S. 
„Möwe“ am Morgen des 28. Juli wieder Jaluit. 
Die zweite Reise richtete sich nach Likieb, und 
währte von Dienstag, den 30. Juli bis Sonntag, den 
4. August. Liekreb ist ohne Zweisel eine Plantage 
von guter Zukunft. Sie gehört nicht der Jaluit- 
Gesellschaft, sondern den hier ansässigen Kausleuten, 
in erster Linie dem deutschen Neichsangehörigen 
Capelle, sodann dem Portugiesen de Broom und 
dem Amerikaner Ingalls. Lilieb mit seinem 
schönen tiecfen Hasen scheint wie geschaffen zum 
Handelsmittelpunkt für die nördlichen Inseln. Von 
Interesse war die von dem jungen de Broom hier 
angelegte Schiffsbauanstalt mit Dampfbiege; die dort 
angesertigten Schooner und Boote haben sich sehr 
gut bewährt und werden bis nach den Gilbert- 
Inselu verkauft. Auch jetzt lag wieder neben einigen 
großen Booten ein Schooner von etwa 20 Tons 
auf der Werft, der für den Häuptling Murgil in 
Aur bestimmt war. Von Likieb aus mußte eine der 
nördlichen Inseln, Ulirik, besucht werden, weil ein 
Neu-Guincamann dort getödict worden war. Der 
Mörder, der von dem Ermordeten — einem über- 
aus rohen Patron, der die ganze Insel unsicher ge- 
macht hatte — selbst schwer verwundet worden war, 
wurde durch ein an Ort und Stelle gebildetes Ge- 
richt zu fünf Jahren Gefängniß und Zwangsarbeit 
verurtheilt und nach Jaluit zur Abbüßung semer 
Strafe abgeführt. Unterwegs, etwa 60 Meilen von 
Likieb, sprang derselbe trotz der wimmelnden Haifische 
in See, wurde aber wieder ausgefischt. Er sagte 
mir später, er habe es nur aus Furcht, in Jaluit von 
den weißen Leulen gefressen zu werden, gethan. 
Uririk und die nördlichen Inseln in seiner Nähe sind 
noch niemals von einem deutschen Kriegsschiffe besucht 
worden; die dortigen Bewohner sind fast ohne jede 
Kulmur. Am 4. August traf S. M. S. „Möwe“ 
wieder in Jaluit ein. 
Die dritte Reise, die sich nach Namerik, Ebon 
und Kussain richten sollte, mußte aufgegeben werden, 
weil S. M. S. „Möwe“ am Montag, den 12. August 
bei dem Passiren der Südwestpassage, etwa sechs 
Meilen von Jaluit, aber noch in der Lugunc, infolge 
von plötzlich eingetretenen unklaren Wetters auf 
Grund gerielh und erst nach einigen Tagen wieder 
abgebracht werden konnte. Indessen hat mir der 
Kommandant wenigstens noch Gelegenheit gegeben, 
am 26. August Namerik, wo die Erledigung zahl- 
reicher Amts= und gerichtlicher Geschäfte vorlag, zu 
besuchen. 
Auf eine Begleitung des Kriegsschiffes auf seiner 
Abreise nach Matupi, die am Sonntag, den 1. Sep- 
tember erfolgen wird, um Ebon und Nauru zu be- 
suchen, konnte ich leider nicht eingehen, da meine 
Rückkehr von Nauru nach Jaluit sich gut auf einen 
Monat hätte verzögern lönnen, die Kosten zu hoch 
werden würden, und ich schon aus Rücksicht auf die 
Samoaner so lange von Jaluit nicht abwesend sein
	        
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