Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

machen einen angenehmen Eindruck. Was uns 
wunderte, waren die spärlichen Zeichen des Feti- 
schismus sowohl in den Häusern als auch in der 
Umgebung der Dörfer. Auch tragen die Leute sehr 
wenig Amulette. Leider trifft man viele Aussätzige 
und mit Kröpfen behaftete Leute fast allerorten. 
Ein neunstündiger Marsch über gewelltes Hoch- 
land mit vielen Flußrinnen brachte uns am 5. August 
in den ersten Bedere-Weiler Talabo. Unterwegs 
hörten wir das hundeähnliche Gebell von Pavianen, 
die sich durch das hohe Gras regelrechte Pfade an- 
legen, so daß man glauben könnte, sie rührten von 
Menschen her. 
Von Talabo aus erreichten wir am 6. August 
gegen Mittag die Forschungsstation Bismarckburg, 
die den Gipfel eines frei aus der Hochlandebene 
aufsteigenden Hügels krönt. 
Die Bedere werden oft Adeli genannt, eine Ver- 
unstaltung des Wortes Adele, mit dem einige Stämme 
jenes Land bezeichnen. Die Eingeborenen selbst 
heißen ihr Land und ihre Sprache Bedere. Es ist 
ein sehr stark gewelltes Hochland. Einige Berge 
erheben sich bis zu einer absoluten Höhe von 800 m, 
ja bei Dikpelen dürfte sie nicht viel weniger als 
900 m betragen. Die relativen Erhebungen werden 
wohl 200 bis 300 m nicht übersteigen. In dem 
südwestlichen Theil von Bedere, der fast ganz in der 
Ebene liegt, wird Tschi gesprochen. 
Urwald auf den Bergen und Höhen, Baum- 
savanne mit Gesträuch und Gebüsch in den Niede- 
rungen und an den Abhängen bilden im Allgemeinen 
die Vegetationsform des Ländchens. Durch die 
Steppe mit ihrer einförmigen Flora schlängeln sich 
Bachläufe, begleitet von schmalen Streifen herrlichen 
Urwaldes, dessen dunkelgrüne Färbung mit der 
helleren Tönung der Savanne angenehm kontrastirt. 
Von Bismarckburg bereisten wir die an Bedere 
im Norden anstoßende Landschaft Betwuati und 
kamen über Dikpelen wieder zurück nach Bismarck- 
burg. An vielen Orten, besonders in Katsenke, leiden 
die Leute sehr am Kropf, und es haben manche 
dieser Auswüchse eine surchtbare Größe angenommen. 
Das Landschafts= und Vegctationsbild von Betwuati 
ist dem von Bedere sehr ähnlich, nur daß hier die 
Thaleinschnitte viel schärfer sind, ja zum Theil 
Schluchten mit wildromantischem Gepräge bilden. 
Die Betwuatier haben ihre eigene Sprache, die mit 
Guan verwandt sein soll; doch verstehen auch viele 
Tschi. Die Aufnahme, die wir in Betwuati fanden, 
war im Allgemeinen freundlich, mit Ausnahme von 
Siare, der Hauptstadt des Ländchens. Die runden 
Hütten von Siare sind etwa in halber Bergeshöhe 
terrassenförmig, aber ganz unregelmäßig auf und 
zwischen Felsen erbaut, und es macht die ganze 
Dorfanlage den Eindruck einer wohlbewehrten Felsen- 
f#estung. Kein Haus steht mit einem anderen in 
gleicher Höhe. Von höher gelegenen Vorsprüngen 
schaut man auf die kegelförmigen Grasdächer und 
die kleinen Hofräume der tiefer liegenden, da und 
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dort gleich Schwalbennestern an den Felsen hängen- 
den Häuser. Wohin das Auge blickt, sieht es nichts 
als das dunkele Grün eines prächtigen Hochwaldes, 
der das ganze Dorf umschließt. Siare ist von allen 
Seiten von steil ansteigenden, bewaldeten Bergen 
umgeben, zu deren Füßen klare Gebirgswasser über 
Geröll dahineilen, die zwei Wasserfälle bilden und 
deren Geräusch und Gebrause bis hinauf in den 
Ort dringt. 
- 
Aus Lukuledi in der Apostolischen Präfektur 
Süd--Sansibar berichtet P. Basilius in „Kreuz 
und Schwert“ unter dem 2. Februar 1896 
Folgendes: 
Die Benediktiner-Missionsstation Lukuledi liegt 
am Oberlaufe des gleichnamigen Flusses, der sich bei 
Lindi in den Indischen Ocean ergießt. Ihr Gebiet 
wird zu ziemlich gleichen Theilen von Wayao und 
Makua bewohnt, die zwar zwei sehr verschiedene 
Sprachen sprechen, aber, wenigstens hier, dieselben 
Sitten und Gebräuche haben. Der Hauptsitz beider 
Völkerschaften ist südlich des Rovuma; die nördlich 
des Rovuma Wohnenden scheinen durch Kriege hier- 
her versorengt worden zu sein. Sie bilden auch 
keine größere Gemeinschaft, sondern nur kleine Dorf- 
schaften, die unter wenig einflußreichen Häuptlingen 
stehen. 
Die Leute treiben zwar keine Viehzucht, sind 
aber fleißige Ackerbauer und auch in manchen 
Industriezweigen wohl erfahren. Sie sind durch- 
schnittlich geistig gut entwickelt und lernbegierig. 
Alle begrüßten eine Missionsniederlassung aufs 
Freudigste. - 
Die hiesige Station wurde im Februar 1895 
vom apostolischen Präfekten P. Maurus Hart- 
mann gegründet und zählt gegenwärtig zwei Patres, 
zwei Brüder und drei Schwestern. Die noth- 
wendigen Gebäulichkeiten (alles einstöckig, von Bam- 
bus mit Lehmboden und Grasdach) sind fertiggestellt, 
Garten und Schamba (Feld) angelegt, die Missions- 
thätigkeit im Gange. 
Schulunterricht erhalten nur Schüler, welche in 
der Mission verpflegt werden. Mit Schülern, die 
bei den Eltern wohnen und essen, ist hier, wenigstens 
solange die Eltern nicht gute Christen sind, nichts 
anzufangen. Sklavenkinder loszukaufen, ist keine 
Gelegenheit. Für die freiheitsgewohnten Knaben ist 
es keine kleine Aufgabe, ständig in der Mission zu 
bleiben; namentlich wenn die verlockenden Töne der 
Ngoma aus dem Dorfe herüberschallen, wälzt sich 
Mancher auf seinem Lager, denkt nach Hause — 
auakumbuka kwake — und ist am andern Morgen 
verschwunden. Doch diese Ausreißer sind nicht die 
schlimmsten; wenn sie einige Zeit in der Elternhütte 
verbracht, kommt ihnen das Heimweh nach der 
Mission, viele kehren reuig zurück und bitten wieder 
um Aufnahme. Ein viel schwierigeres Hinderniß 
für die Entwickelung der Schule ist die Arbeitsscheu 
der Knaben. Wenn wir die Knaben nur unterrichten
	        
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