Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

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Mitschleppen des noch vorhandenen Gepäcks nicht 
mehr angehen wollte. So hatte Ehlers befohlen, 
als die Expedition wieder einmal auf dem Rücken 
eines hohen Gebirgszuges übernachtet hatte, daß in 
die Stammhöhlung eines dort befindlichen hohen 
Baumes das Gepäck hineingelegt und verlassen werden 
sollte. Es wurden daher die beiden Zelte, Bettgestell, 
Tauschwaaren, wie Aexte, Messer, Perlen, auch Pulver 
und etwas Dynamit dort gelassen. 
Die Waffen mit der nöthigen Munition wurden 
mitgenommen, ebenso alle Papiere, und es ist nach 
Allem sicher, daß Ehlers in den Baum keinerlei 
schriftliche Mittheilung mit hineingelegt hat. Der 
Baum wurde auf Befehl des Ehlers durch Axt- 
hiebe gezeichnet, um ihn wieder finden zu können. 
Aus der Aeußerung des Ehlers: „Nach zwei 
Tagen kommen wir nach großen Dörfern mit viel 
Essen, und wenn wir uns erholt haben, dann holen 
wir die Sachen uns!“ tönt noch immer die große 
Hoffnung, seine Expedition gelingen zu sehen. 
Mittlerweile waren den großen Leiden im Ganzen 
zehn Schwarze erlegen und der Rest befand sich in 
beklagenswerthem Zustande. Beim Ueberklettern eines 
der vielen Felsen stürzte Piering herunter und ver- 
letzte sich so böse an seinen beiden Oberschenkeln, daß 
ihm das Gehen nur durch Unterstützung gelang. 
Hierbei wurde auch der Taschenkompaß, welcher bis 
dahin die Richtung angegeben hatte, zertrümmert. 
Endlich am elften Tage der nahrungslosen Lei- 
denszeit, also am 30. September, wurde der große 
Fluß gesehen, welcher seine Gewässer nach Westen 
ezw. Südwesten führte, und auf dessen Erreichen 
Ehlers seine ganze Hoffnung gesetzt hatte. 
In durch hohe Berge eingeengtem Flußbett brausten 
die Fluthen stürmisch dahin und wiesen wohl der 
Expedition den Weg zu ihrer Rettung, aber leider 
kein Dorf war weit und breit zu sehen, auch nicht 
die Spuren einer bewohnten Gegend zu erkennen. 
Ehlers selber litt furchtbar an dem schon erwähnten 
Darmleiden mit rein blutigen Ruhrerscheinungen, und 
seine Kraft war ganz zu Ende; dazu war sein ganzer 
Körper, den schließlich nur noch ein baumwollenes 
Unterhemd, ein sogenanntes „Singlet“, schützte, voll 
jener übelriechenden eitrigen Wunden, in denen sich 
zahllose röthliche Maden tummelten, ja bis ins Ge- 
sicht hatten sich diese Wunden gezogen. 
Dem Polizeiunteroffizier Piering ging es nicht 
viel besser, auch er war mit seiner Kraft nahezu zu 
Ende und daneben mußte er noch an den Folgen 
seines Sturzes von dem Felsen leiden. 
Die überlebenden Schwarzen gaben den Enro- 
päern nur wenig nach, ein großer Theil war sogar 
noch viel schlimmer daran. Der kleine Diener des 
Herrn Ehlers, Tschokra, starb an Entkräftung in 
dem Lager am Fluß. 
Einigen Schwarzen war es gelungen, eine Sago- 
palme zu entdecken und das Mark dieser leider nur 
einen Palme gab endlich ein wenig bessere Nahrung 
als das früher genossene Gras, wenn es auch im 
  
Heißhunger roh gegessen wurde. Hier endlich gab 
auch Ehlers seine Genehmigung zum Schlachten 
der großen Hündin, die die Expedition treu bis 
dahin begleitet hatte, doch hat Ehlers abgelehnt, 
das Fleisch derselben zu essen. 
Die beiden Europäer und der größte Theil der 
Schwarzen schliefen fast fortwährend in dem Lager 
am Flusse vor Erschöpfung und den kräftigeren unter 
den letzteren trat die Ueberzeugung entgegen, daß 
Ehlers, den Alle nicht geuug als ihren guten 
Herrn preisen konnten, dem Tode entgegensah und 
in ganz kurzer Zeit, vielleicht schon in wenigen 
Stunden sterben müßte. 
Von einer Fortsetzung des Jußmarsches 
konnte für Ehlers allgemein, für Piering schon 
wegen seiner Beinverletzung nicht die Nede sein. 
Ehlers empfand dies auch selber und trug Ranga 
und Opia, zwei noch etwas kräftigeren Leuten aus 
Buka, auf, ein Floß zu bauen, auf dem er, Piering 
und die zwei Schwarzen den Fluß abwärts fahren 
könnten. Allen übrigen Leuten sprach er Muth ein 
und sagte ihnen, sie sollten nur, nachdem sie aus- 
geruht hätten, den Fluß so schnell wie möglich stromab 
entlang gehen, sie kämen dann bald nach Dörfern 
im englischen Gebiet. 4 
Nach dreitägigem Aufenthalt am Flusse war ein 
Floß am Morgen des 3. Oktober fertiggestellt und 
Alles wurde zum Aufbruch bereit gemacht. Das Floß 
war wohl fest gebaut aus Stämmen, die lageweise 
rechtwinkelig übereinandergelegt und mit Rotang fest- 
gebunden waren, aber es hatte den großen Fehler, 
der dort nicht zu vermeiden war, daß das Holz, 
welches zum Bauen benutzt werden mußte, für ein 
richtiges Floß zu schwer war. So kam es, daß das 
Floß, in das Wasser gelassen, schon ohne Belastung 
unter Wasser schwamm und naturgemäß einen be- 
deutenden Tiefgang hatte. Mit der Belastung der 
vier Passagiere: Ehlers, Piering und den 
beiden Schwarzen Ranga und Opia, sank es noch 
etwas tiefer. Mit Mühe gelang es, für Ehlers 
und Piering in der Mitte des Flosses eine 
Erhöhung zu bauen, auf diese wurde die Geld- 
kassette, ein Stahlkoffer mit allen Papieren, Gewehre, 
Patronen und einzelne Kleinigkeiten geladen und dann 
wurden durch Stäbe zwei Armsessel konstruirt. Beide 
Europäer, auf das Floß gebracht, sanken vor Schwäche 
bald in sich zusammen und schienen sofort in tiefen 
Schlaf gesunken zu sein. 
Nanga, dem schon in Friedrich Wilhelmshafen 
seitens Pierings, der ihn seit fünf Jahren kannte, 
stets großes Vertrauen entgegengebracht worden war, 
hatte auch auf der Expedition durch seine Eigen- 
schaften das Vertrauen Ehlers' sich erworben und 
wurde deshalb immer in besonderer Weise bevorzugt 
und mit einer Art Aufseherposten betraut. 
Am 3. Oktober vormittags waren die überleben- 
den Schwarzen aufgebrochen zu neuem Marsch stromab 
und gegen Mittag fand die Abfahrt des Flosses statt. 
Trotz des erhöhten Sitzes spülte das Wasser den
	        
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