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nur sogenannter „Sprecher“, hatte sich aber durch
seinen überlegenen Verstand und seine Gerechtigkeit
eine Stellung und einen Einfluß im Agomelande
erworben, wie sie eben nur einem Oberhäuptling
zukommen. Es galt daher nur die offizielle An-
erkennung eines bereits bestehenden thatsächlichen
Zustandes durch die Regierung.
Der nunmehrige Oberhäuptling war zu der
feierlichen Ceremonie seiner Standes= und Ranges-
erhöhung in einem mit besonderem Geschmack ge-
wählten Anzuge erschienen. Bunte großkarrirte Unter-
beinkleider steckten in bereits stark abgenutzten Zug-
stiefeln und wurden von einem schwarzen Frack
ehrwürdigen Alters nur mangelhaft bedeckt. Das
Haupt schmückte ein blanker französischer Kürassier-
helm für den Theatergebrauch, den ihm Herr
v. Carnap zum Geschenk gemacht hatte. Diese
Zusammenstellung wirkte so unendlich komisch, daß
es mir schwer fiel, den Ernst zu bewahren.
Die Einrichtung eines Marktes in Agome-Palime,
ein Hauptverdienst des leider so früh verstorbenen
Botanikers Baumann, hat sich als ein überaus
glücklicher Gedanke erwiesen. Zahlreiche Karawanen
aus dem fernen Innern des Schutzgebietes sowohl
wie des Hinterlandes, welche früher ausschließlich
nach dem englischen Gebiet zogen, wenden sich jetzt
nach Palime, woselbst sie ihre Produkte, hauptsächlich
Gummi, gegen Waaren zu Lomepreisen rasch und
bequem absetzen können. Die von der Bremer
Faktorei dortselbst errichtete Zweigfaktorei ist bereits
seit längerer Zeit mit gutem Erfolg in Betrieb.
Die Firma C. Goedelt hatte während unserer
Anwesenheit gleichfalls mit dem Bau einer Faktorei
begonnen, während die Firma Boedecker u. Meher
sich einstweilen ein Baugrundstück am Marktplatz
sicherte. Man wird daher mit Recht dem dort sich
entwickelnden Handel eine aussichtsvolle Zukunft
prophezeien können.
Nachdem die zu meiner Begrüßung erschienenen
Häuptlinge mit ihren Dorfeingesessenen sich allmäh-
lich auf den Rückmarsch nach ihrer Heimath begeben
hatten, brachen wir von Palime zu der nicht mehr
fernen Station Misahöhe auf, in der Hoffnung, dort
in dem gastlichen Stationsgebäude, unter der Für-
sorge unseres freundlichen Wirthes, des Lieutenants
Plehn, nach den überstandenen Strapazen einige
Tage der Ruhe genießen zu können. Darin hatten
wir uns allerdings einer Täuschung hingegeben, und
wir erfuhren bald, daß Agome-Palime nur ein
schwacher Vorgeschmack von den lärmenden Festlich-
keiten war, die hier unser harrten. Vom frühen
Morgen bis zum Einbrechen der Dunkelheit kamen
die Bewohner des Bezirkes der Station, diesseits
und jenseits des Agomegebirges, in unaußhörlichem
Zuge herbei, und der unvermeidlichen „plays“ gab
es kein Ende. auche Dörfer ließen es sich nicht
nehmen, mehrmals zu erscheinen, in der Erwartung,
für den als Geschenk mitgebrachten saueren und mit
Wasser stark verdünnten Palmwein, oder für eine
ausgehungerte Ziege von zwerghafter Gestalt jedes-
mal ein unverhältnißmäßig werthvolleres Gegen-
geschenk zu erhalten. Meine Vorräthe an Geschenken
waren indessen bereits erheblich gelichtet, so daß ich
auf Sparsamkeit bedacht sein mußte und die dar-
gebrachten Angebinde nur in demselben bescheidenen
Maße erwidern konnte.
Nachdem ich mehrere Tage hindurch den Höllen-
lärm der in Begeisterung aufgelösten Menge mit
Geduld hatte über mich ergehen lassen, drängte die
Zeit zum Aufbruch nach dem zwei Tagereisen ent-
fernten Kpandu, dem Endziel meiner Reise. Als
wir von der Station aus in etwa einhalbstündigem,
äußerst anstrengendem Aufstieg die Paßhöhe erreicht
hatten, bot sich in dem vor uns liegenden lieblichen
Bergland mit seinen zahlreichen kurzen Querthälern
und seinen krystallklaren rauschenden Gewässern
unseren Augen ein Landschaftsbild von unvergleich-
licher Schönheit dar. Herrlich, aber stellenweise
nicht gefahrlos, war der Marsch durch die wild-
romantische, mit üppigster Tropenvegetation bestan-
dene Kameschlucht, welche uns im voraus für die
noch zu überwindende lange Savannentour reichlich
entschädigte.
Wir hatten Misahöhe kaum eine halbe Tagereise
im Rücken, als ein Sendbote aus Kpandu zu mir
stieß, welchen der Häuptling Dagadu mit seinem
Königsstock zu meiner Bewillkommnung entgegen-
gesandt hatte. Am folgenden Tage hatte sich Dagadu
selbst mir einc kurze Strecke in einer prächtigen,
mit schwerem, seidenem Dach versehenen Hängematte
entgegentragen lassen. Als er meiner ansichtig
wurde, verlich er die Hängematte und schritt, mit
freundlicher Miene mir die Hand zum Gruße dar-
bietend, auf mich zu. Nachdem wir mit Hilife
meines Dolmetschers die umständlichen Begrüßungs-=
formalitäten gerade beendet hatten, als wir die
Stadt betraten, wurden uns zunächst gut gebante,
geräumige und mit Sorgfalt gereinigte Gehöfte als
Unterkunftsstätten angewiesen. Man erkennt sofort,
daß Kpandu eine für starken Fremdenverkehr ein-
gerichtete Stadt ist.
Während ich damit beschäftigt war, mich in
meinem Quartier so wohnlich wie möglich einzu-
richten, sandte mir Dagadu bereits seine Geschenke,
bestehend aus fünf großen fetten Hammeln, einer
großen Portion Yams und einer noch größeren
Menge Palmwein. Letztere beiden Artikel kamen
mir besonders gelegen, weil ich sie meinen Trägern
abgeben konnte, die wegen der unerschwinglichen
Preise nicht in der Lage waren, sich genügend
Lebensmittel zu verschaffen.
Unmittelbar darauf stattele ich in Begleitung des
Lieutenants Plehn dem Häuptling meinen offiziellen
Besuch ab, bei welcher Gelegenheit ich ihm gleich-
zeitig meine Geschenke überreichen ließ, unter welchen
er an einer preußischen Infanterie-Schirmmüße be-
sonderen Gefallen zu haben schien, da er sie von
da an mit Vorliebe trug. Als Zeichen, daß Dagadu