Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

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nur sogenannter „Sprecher“, hatte sich aber durch 
seinen überlegenen Verstand und seine Gerechtigkeit 
eine Stellung und einen Einfluß im Agomelande 
erworben, wie sie eben nur einem Oberhäuptling 
zukommen. Es galt daher nur die offizielle An- 
erkennung eines bereits bestehenden thatsächlichen 
Zustandes durch die Regierung. 
Der nunmehrige Oberhäuptling war zu der 
feierlichen Ceremonie seiner Standes= und Ranges- 
erhöhung in einem mit besonderem Geschmack ge- 
wählten Anzuge erschienen. Bunte großkarrirte Unter- 
beinkleider steckten in bereits stark abgenutzten Zug- 
stiefeln und wurden von einem schwarzen Frack 
ehrwürdigen Alters nur mangelhaft bedeckt. Das 
Haupt schmückte ein blanker französischer Kürassier- 
helm für den Theatergebrauch, den ihm Herr 
v. Carnap zum Geschenk gemacht hatte. Diese 
Zusammenstellung wirkte so unendlich komisch, daß 
es mir schwer fiel, den Ernst zu bewahren. 
Die Einrichtung eines Marktes in Agome-Palime, 
ein Hauptverdienst des leider so früh verstorbenen 
Botanikers Baumann, hat sich als ein überaus 
glücklicher Gedanke erwiesen. Zahlreiche Karawanen 
aus dem fernen Innern des Schutzgebietes sowohl 
wie des Hinterlandes, welche früher ausschließlich 
nach dem englischen Gebiet zogen, wenden sich jetzt 
nach Palime, woselbst sie ihre Produkte, hauptsächlich 
Gummi, gegen Waaren zu Lomepreisen rasch und 
bequem absetzen können. Die von der Bremer 
Faktorei dortselbst errichtete Zweigfaktorei ist bereits 
seit längerer Zeit mit gutem Erfolg in Betrieb. 
Die Firma C. Goedelt hatte während unserer 
Anwesenheit gleichfalls mit dem Bau einer Faktorei 
begonnen, während die Firma Boedecker u. Meher 
sich einstweilen ein Baugrundstück am Marktplatz 
sicherte. Man wird daher mit Recht dem dort sich 
entwickelnden Handel eine aussichtsvolle Zukunft 
prophezeien können. 
Nachdem die zu meiner Begrüßung erschienenen 
Häuptlinge mit ihren Dorfeingesessenen sich allmäh- 
lich auf den Rückmarsch nach ihrer Heimath begeben 
hatten, brachen wir von Palime zu der nicht mehr 
fernen Station Misahöhe auf, in der Hoffnung, dort 
in dem gastlichen Stationsgebäude, unter der Für- 
sorge unseres freundlichen Wirthes, des Lieutenants 
Plehn, nach den überstandenen Strapazen einige 
Tage der Ruhe genießen zu können. Darin hatten 
wir uns allerdings einer Täuschung hingegeben, und 
wir erfuhren bald, daß Agome-Palime nur ein 
schwacher Vorgeschmack von den lärmenden Festlich- 
keiten war, die hier unser harrten. Vom frühen 
Morgen bis zum Einbrechen der Dunkelheit kamen 
die Bewohner des Bezirkes der Station, diesseits 
und jenseits des Agomegebirges, in unaußhörlichem 
Zuge herbei, und der unvermeidlichen „plays“ gab 
es kein Ende. auche Dörfer ließen es sich nicht 
nehmen, mehrmals zu erscheinen, in der Erwartung, 
für den als Geschenk mitgebrachten saueren und mit 
Wasser stark verdünnten Palmwein, oder für eine 
  
  
ausgehungerte Ziege von zwerghafter Gestalt jedes- 
mal ein unverhältnißmäßig werthvolleres Gegen- 
geschenk zu erhalten. Meine Vorräthe an Geschenken 
waren indessen bereits erheblich gelichtet, so daß ich 
auf Sparsamkeit bedacht sein mußte und die dar- 
gebrachten Angebinde nur in demselben bescheidenen 
Maße erwidern konnte. 
Nachdem ich mehrere Tage hindurch den Höllen- 
lärm der in Begeisterung aufgelösten Menge mit 
Geduld hatte über mich ergehen lassen, drängte die 
Zeit zum Aufbruch nach dem zwei Tagereisen ent- 
fernten Kpandu, dem Endziel meiner Reise. Als 
wir von der Station aus in etwa einhalbstündigem, 
äußerst anstrengendem Aufstieg die Paßhöhe erreicht 
hatten, bot sich in dem vor uns liegenden lieblichen 
Bergland mit seinen zahlreichen kurzen Querthälern 
und seinen krystallklaren rauschenden Gewässern 
unseren Augen ein Landschaftsbild von unvergleich- 
licher Schönheit dar. Herrlich, aber stellenweise 
nicht gefahrlos, war der Marsch durch die wild- 
romantische, mit üppigster Tropenvegetation bestan- 
dene Kameschlucht, welche uns im voraus für die 
noch zu überwindende lange Savannentour reichlich 
entschädigte. 
Wir hatten Misahöhe kaum eine halbe Tagereise 
im Rücken, als ein Sendbote aus Kpandu zu mir 
stieß, welchen der Häuptling Dagadu mit seinem 
Königsstock zu meiner Bewillkommnung entgegen- 
gesandt hatte. Am folgenden Tage hatte sich Dagadu 
selbst mir einc kurze Strecke in einer prächtigen, 
mit schwerem, seidenem Dach versehenen Hängematte 
entgegentragen lassen. Als er meiner ansichtig 
wurde, verlich er die Hängematte und schritt, mit 
freundlicher Miene mir die Hand zum Gruße dar- 
bietend, auf mich zu. Nachdem wir mit Hilife 
meines Dolmetschers die umständlichen Begrüßungs-= 
formalitäten gerade beendet hatten, als wir die 
Stadt betraten, wurden uns zunächst gut gebante, 
geräumige und mit Sorgfalt gereinigte Gehöfte als 
Unterkunftsstätten angewiesen. Man erkennt sofort, 
daß Kpandu eine für starken Fremdenverkehr ein- 
gerichtete Stadt ist. 
Während ich damit beschäftigt war, mich in 
meinem Quartier so wohnlich wie möglich einzu- 
richten, sandte mir Dagadu bereits seine Geschenke, 
bestehend aus fünf großen fetten Hammeln, einer 
großen Portion Yams und einer noch größeren 
Menge Palmwein. Letztere beiden Artikel kamen 
mir besonders gelegen, weil ich sie meinen Trägern 
abgeben konnte, die wegen der unerschwinglichen 
Preise nicht in der Lage waren, sich genügend 
Lebensmittel zu verschaffen. 
Unmittelbar darauf stattele ich in Begleitung des 
Lieutenants Plehn dem Häuptling meinen offiziellen 
Besuch ab, bei welcher Gelegenheit ich ihm gleich- 
zeitig meine Geschenke überreichen ließ, unter welchen 
er an einer preußischen Infanterie-Schirmmüße be- 
sonderen Gefallen zu haben schien, da er sie von 
da an mit Vorliebe trug. Als Zeichen, daß Dagadu
	        
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