Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

meiner Anwesenheit besonderen Werth beimesse, 
empfing er mich auf seinem Throne sitzend, umgeben 
von seinem gesammten nicht eben kleinen Hofstaat. 
Dieser Thron, in einer alkovenartigen Vertiefung 
der das Gehöft nach vorn abschließenden geräumigen 
Halle, besteht nur aus einem erhöhten Siß von 
plumpem, weiß getünchtem Gemäuer und erregt nur 
Interesse durch die wenig anmuthige Umgebung, in 
welcher er sich befindet. Zu beiden Seiten desselben 
stehen nämlich die heilig gehaltenen Kriegstrommeln, 
geziert mit Menschenschädeln und Beinknochen, wäh- 
rend die Wände eine Anzahl Kriegstrompeten aus 
Elfenbein schmückte, welche abwechselnd mit mensch- 
lichen Unter= und Oberkiesern umgeben waren. Als 
ich mich eingehender nach diesem seltsamen Zierat 
erlundigte, erklärte er mit vielsagendem Lächeln, das 
seien lauter Andenken an seine guten Freunde, 
welche sicherlich nicht eines natürlichen Todes ge- 
storben sind. Einige scheußliche Fetischfratzen aus 
Holz oder Thon vervollständigten die Ausstattung 
dieses merkwürdigen Raumes. Spätere Zusammen- 
künste mit Dagadu, welche Unterhaltungen politischer 
Natur galten, fanden auf meinen Wunsch im Innern 
seines Gehöftes nur im Beisein von zwei seiner 
nächsten Verwandten und zuverlässigsten Berather statt. 
Dagadu ist ein Mann von mittlerer Größe, 
hagerer Gestalt und zäher Konstitution, mit freund- 
lichem, ja fast sympathischem, vertrauenerweckendem 
Gesichtsausdruck, welcher jedoch die angeborene Ver- 
schlagenheit zuweilen deutlich durchleuchten läßt. 
Aus seinen unstet umherspähenden Augen spricht 
ebensowohl Milde und Wohlwollen wie unbengsame 
Strenge, fähig, sich bis zur Grausamkeit zu steigern. 
Sein schon stark graumelirter Backenbart von einer 
bei Negern seltenen Fülle verleiht ihm eine gewisse 
Würde und bei seinen Untergebenen wohl auch er- 
höhtes Ansehen. Nach seiner äußeren Erscheinung 
würde ich ihn für einen Mann in der Mitte der 
fünfziger Jahre halten, doch kann man in dieser 
Schätung leicht fehlgehen, da er durch rasches Leben 
frühzeitig gealtert sein mag. 
Vor weniger als zwei Jahren noch vollständig 
in den Netzen englischer Händler und Agenten und 
erklärter Feind der deutschen Regierung, macht Da- 
gadu heute den Eindruck, als ob er nunmehr ebenso 
sest auf Seiten der deutschen Sache stehe. 
Die Freude Dagadus über unser Erscheinen und 
die Herzlichkeit der uns gewährten Aufnahme waren 
anscheinend aufrichtig. Fühlte er sich doch ersichtlich 
geschmeichelt und seinem Volke gegenüber besonders 
gehoben, daß er eine bisher nie gesehene Anzahl 
weißer Leute auf einmal beherbergen konnte. Am 
Tage nach unserer Ankunft veranstaltete er zu unseren 
Ehren ein glänzendes Schauspiel, welches alle vorher 
dargebrachten plays bei Weitem in den Schatten 
stellte. Sämmtliche ihm unterstehenden Dörfer hatte 
er zu dieser Vorstellung aufgeboten, und wohl an 
6000 Personen hatten dieselben nach Kpandu ent- 
  
489 — 
sandt. Jede neu ankommende Dorsgemeinde bewegte 
sich in langsamem, feierlichem Zuge, einer Polonaise 
ähnlich, rings um den geräumigen Platz, ihrer Ehr- 
erbietung gegen ihren König durch Niedersinken auf 
die Kniee und wiederholtes Verneigen des Körpers 
Ausdruck gebend. Die gleiche Ceremonie wurde 
regelmäßig vor mir wiederholt. Alsdann begann 
das obligate lärmende play mit Tanz und Gewehr-= 
salven. Musterhaft waren Ruhe und Ordnung, 
trotz der ungeheneren Menschenmenge, und der Be- 
weis, daß er ein mächtiger Häuptling sei, war 
Dagadu glänzend gelungen. 
Der nächste Tag war ausschließlich der Erledi- 
gung des geschäftlichen Zweckes meiner Anwesenheit 
gewidmet, indem für die Bremer Faktorei, die Firmen 
C. Goedelt und Boedecker u. Meyer, deren 
Vertreter persönlich anwesend waren, Baugrundstücke 
zur Errichtung von Faktoreien ausgesucht und nach 
kurzen Auseinandersetzungen mit dem Häuptling über 
die Abgrenzung derselben von diesem auch unentgeltlich 
bereitgestellt wurden. Freilich war er, nach alther- 
gebrachter Sitte, durch vorher schon überreichte Ge- 
schenke, bestehend in kostbarer Seide, Pulver, Tabak 
und einigen süßen Getränken, seitens der Kaufleute 
bereits hinreichend willfährig gemacht, und weitere 
kleine Aufmerksamkeiten wurden ihm in Aussicht ge- 
stellt, so daß dem Geschenk immerhin eine recht werth- 
volle Gegenleistung gegenüberstand. 
Der Kaiserlichen Regierung schenkte Dagadu ein 
vortrefflich gelegenes Grundstück, welches die ganze 
Westseite des großen mit riesigen Schattenbäumen 
bestandenen Marktes einnimmt. 
Die Stadt Kpandu eignet sich indessen, wegen 
ihrer ungesunden, tiefen Lage in sumpfigem Terrain, 
nicht zum dauernden Aufenthalt für Europäer. Ich 
habe mir daher sogleich ein weiteres Grundstück auf 
einem etwa zehn Minuten westlich von Kpandu von 
Norden nach Süden streichenden Hügelrücken für die 
Regierung ausbedungen, welches Dagadu derselben 
gleichfalls in bereitwilligster Weise unentgeltlich als 
Eigenthum zusprach. 
Dieses von Lieutenant Plehn ausgesuchte Grund- 
stück liegt etva 80 m hoch und ist von Kpandu in 
zehn Minuten bequem zu erreichen. Bausteine sind 
in unmittelbarer Nähe vorhanden, während das 
nöthige Holz aus einer Entfernung von etwa einer 
Stunde herbeigeschafft werden müßte. Von sani- 
tärem Gesichtspunkte aus ist besonders wichtig, daß 
auf dem Grundstück anstehender Fels vorgefunden 
worden ist. Da ferner der Zufall zur Entdeckung 
einer klaren Quelle geführt hat, so dürfte die dort 
etwa anzulegende Europäerwohnung den Durch- 
schnittsansprüchen für afrikanische Bauten entsprechen.
	        
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