meiner Anwesenheit besonderen Werth beimesse,
empfing er mich auf seinem Throne sitzend, umgeben
von seinem gesammten nicht eben kleinen Hofstaat.
Dieser Thron, in einer alkovenartigen Vertiefung
der das Gehöft nach vorn abschließenden geräumigen
Halle, besteht nur aus einem erhöhten Siß von
plumpem, weiß getünchtem Gemäuer und erregt nur
Interesse durch die wenig anmuthige Umgebung, in
welcher er sich befindet. Zu beiden Seiten desselben
stehen nämlich die heilig gehaltenen Kriegstrommeln,
geziert mit Menschenschädeln und Beinknochen, wäh-
rend die Wände eine Anzahl Kriegstrompeten aus
Elfenbein schmückte, welche abwechselnd mit mensch-
lichen Unter= und Oberkiesern umgeben waren. Als
ich mich eingehender nach diesem seltsamen Zierat
erlundigte, erklärte er mit vielsagendem Lächeln, das
seien lauter Andenken an seine guten Freunde,
welche sicherlich nicht eines natürlichen Todes ge-
storben sind. Einige scheußliche Fetischfratzen aus
Holz oder Thon vervollständigten die Ausstattung
dieses merkwürdigen Raumes. Spätere Zusammen-
künste mit Dagadu, welche Unterhaltungen politischer
Natur galten, fanden auf meinen Wunsch im Innern
seines Gehöftes nur im Beisein von zwei seiner
nächsten Verwandten und zuverlässigsten Berather statt.
Dagadu ist ein Mann von mittlerer Größe,
hagerer Gestalt und zäher Konstitution, mit freund-
lichem, ja fast sympathischem, vertrauenerweckendem
Gesichtsausdruck, welcher jedoch die angeborene Ver-
schlagenheit zuweilen deutlich durchleuchten läßt.
Aus seinen unstet umherspähenden Augen spricht
ebensowohl Milde und Wohlwollen wie unbengsame
Strenge, fähig, sich bis zur Grausamkeit zu steigern.
Sein schon stark graumelirter Backenbart von einer
bei Negern seltenen Fülle verleiht ihm eine gewisse
Würde und bei seinen Untergebenen wohl auch er-
höhtes Ansehen. Nach seiner äußeren Erscheinung
würde ich ihn für einen Mann in der Mitte der
fünfziger Jahre halten, doch kann man in dieser
Schätung leicht fehlgehen, da er durch rasches Leben
frühzeitig gealtert sein mag.
Vor weniger als zwei Jahren noch vollständig
in den Netzen englischer Händler und Agenten und
erklärter Feind der deutschen Regierung, macht Da-
gadu heute den Eindruck, als ob er nunmehr ebenso
sest auf Seiten der deutschen Sache stehe.
Die Freude Dagadus über unser Erscheinen und
die Herzlichkeit der uns gewährten Aufnahme waren
anscheinend aufrichtig. Fühlte er sich doch ersichtlich
geschmeichelt und seinem Volke gegenüber besonders
gehoben, daß er eine bisher nie gesehene Anzahl
weißer Leute auf einmal beherbergen konnte. Am
Tage nach unserer Ankunft veranstaltete er zu unseren
Ehren ein glänzendes Schauspiel, welches alle vorher
dargebrachten plays bei Weitem in den Schatten
stellte. Sämmtliche ihm unterstehenden Dörfer hatte
er zu dieser Vorstellung aufgeboten, und wohl an
6000 Personen hatten dieselben nach Kpandu ent-
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sandt. Jede neu ankommende Dorsgemeinde bewegte
sich in langsamem, feierlichem Zuge, einer Polonaise
ähnlich, rings um den geräumigen Platz, ihrer Ehr-
erbietung gegen ihren König durch Niedersinken auf
die Kniee und wiederholtes Verneigen des Körpers
Ausdruck gebend. Die gleiche Ceremonie wurde
regelmäßig vor mir wiederholt. Alsdann begann
das obligate lärmende play mit Tanz und Gewehr-=
salven. Musterhaft waren Ruhe und Ordnung,
trotz der ungeheneren Menschenmenge, und der Be-
weis, daß er ein mächtiger Häuptling sei, war
Dagadu glänzend gelungen.
Der nächste Tag war ausschließlich der Erledi-
gung des geschäftlichen Zweckes meiner Anwesenheit
gewidmet, indem für die Bremer Faktorei, die Firmen
C. Goedelt und Boedecker u. Meyer, deren
Vertreter persönlich anwesend waren, Baugrundstücke
zur Errichtung von Faktoreien ausgesucht und nach
kurzen Auseinandersetzungen mit dem Häuptling über
die Abgrenzung derselben von diesem auch unentgeltlich
bereitgestellt wurden. Freilich war er, nach alther-
gebrachter Sitte, durch vorher schon überreichte Ge-
schenke, bestehend in kostbarer Seide, Pulver, Tabak
und einigen süßen Getränken, seitens der Kaufleute
bereits hinreichend willfährig gemacht, und weitere
kleine Aufmerksamkeiten wurden ihm in Aussicht ge-
stellt, so daß dem Geschenk immerhin eine recht werth-
volle Gegenleistung gegenüberstand.
Der Kaiserlichen Regierung schenkte Dagadu ein
vortrefflich gelegenes Grundstück, welches die ganze
Westseite des großen mit riesigen Schattenbäumen
bestandenen Marktes einnimmt.
Die Stadt Kpandu eignet sich indessen, wegen
ihrer ungesunden, tiefen Lage in sumpfigem Terrain,
nicht zum dauernden Aufenthalt für Europäer. Ich
habe mir daher sogleich ein weiteres Grundstück auf
einem etwa zehn Minuten westlich von Kpandu von
Norden nach Süden streichenden Hügelrücken für die
Regierung ausbedungen, welches Dagadu derselben
gleichfalls in bereitwilligster Weise unentgeltlich als
Eigenthum zusprach.
Dieses von Lieutenant Plehn ausgesuchte Grund-
stück liegt etva 80 m hoch und ist von Kpandu in
zehn Minuten bequem zu erreichen. Bausteine sind
in unmittelbarer Nähe vorhanden, während das
nöthige Holz aus einer Entfernung von etwa einer
Stunde herbeigeschafft werden müßte. Von sani-
tärem Gesichtspunkte aus ist besonders wichtig, daß
auf dem Grundstück anstehender Fels vorgefunden
worden ist. Da ferner der Zufall zur Entdeckung
einer klaren Quelle geführt hat, so dürfte die dort
etwa anzulegende Europäerwohnung den Durch-
schnittsansprüchen für afrikanische Bauten entsprechen.