770
Nachrichten aus den deulschen Schukgebieten.
Deulsch · Pstafrika.
Vom Rompagnieführer Ramsayh sind aus Udjidiji
folgende Berichte über seine Ankunft am Tanganyika
und seine Bereisung des Nordostufers des Tanganyika
eingegangen:
Udjidji, den 1. August 1896.
Wie ich schon früher meldete, bin ich mit der
Udüdjiexpedition nach 3½ monatlichem Marsch am
8. Mai hier eingetroffen.
Der sehr alte, leider blinde Wali Msabah ben
Yem, ein uns unbedingt ergebener, seit etwa
30 Jahren hier wohnender Araber, der die hiesigen
Verhältnisse und Land und Leute um den Tan-
ganyika herum besser kennt als irgend ein Anderer
und zu dem die Eingeborenen großes Zutrauen
haben, hatte zwei geräumige ganz gut erhaltene
Temben, die dem bisherigen Wali von Kambambarre
(Manyema) gehören, bereit gehalten, so daß die
Europäer der Expedition gleich Unterkunft fanden.
Auch die Soldaten konnten leidlich untergebracht
werden. Beide Temben, die nach arabischer Manier
innen fast ganz dunkel sind, sind inzwischen um-
gebaut und durch Einsetzen von mehreren Fenstern
und Thüren zu leidlichen Wohnungen und Magazinen
hergerichtet worden.
Der in Angriff genommene Neubau einer ordent-
lichen massiven Station schreitet gut vorwärts, da
ich hier eine Anzahl brauchbarer Maurer und
Zimmerleute engagiren konnte und ganz in der
Nähe der Station ein Sandsteinlager gefunden habe,
das hier Niemandem bekannt war und das uns jetzt
dic schönsten Bausteine liefert.
Kalksteine habe ich in der nächsten Umgebung
noch nicht finden können; aus den in großer Menge
am Strande liegenden Muscheln wird etwas Kalk
gebrannt, der zum Verputzen benutzt wird. Sehr
störend ist der gänzliche Mangel von guten Bau-
hölzern in der Nähe der Stadt; dieselben müssen
sehr weit mit Dhaus geholt werden.
Die unter dem Namen „Udjidji“ bekannte Stadt
mit ihrer 30= bis 40 jährigen arabischen Kultur und
der riesige Tanganyika mit seiner Meeresbrandung
machen einen großartigen Eindruck, der reichlich ent-
schädigt für die vielen Mühen und Strapazen der
langen Reise. Das fortwährende Bransen und
Rauschen des Sees und die vielen Fruchtbäume, die
von den Arabern hierher verpflanzt sind (Mango,
Citronen, Baummelonen, Dattelpalmen, Granatapfel,
Topetope ꝛc.), können es einen vergessen lassen, daß
man sich im Herzen von Afrika befindet. Die
Kokosnußpalme wird hier durch zahlreiche Oelpalmen
vertreten; hier am Ort giebt es zwei Kokosnuß-
palmen, die recht gut gedeihen. — Eine Stadt
„Ujidii“ giebt es eigentlich nicht, die so bezeichnele
Stadt besteht aus den zusammenhängenden Orten:
Kassimbo, welches auf dem der eigentlichen Stadt
östlich vorgelagerten Höhenzuge liegt und der ge-
sundeste Theil zu sein scheint, Bogogwa, Kawele,
Ungoi, wo sich der Markt befindet, Rugunga, Utarec,
Kascho und Urega. In diesen zerstreut liegen die
sogenannten „Campi“ der Araber und Küstenleute:
der Wali wohnt in dem höher gelegenen Kassimbo,
in dem auch die Station gebaut wird. Die ganze
Stadt hat eine kolossale Ausdehnung und mindestens
so viel Einwohner wie Tabora; wenn Letzeres zu-
nächst bevölkerter erscheint, so liegt es daran, daß
dort fast immer sehr viele Träger versammelt sind
und die Stadt belebt machen. Die nächste Um-
gebung von Udjidji ist wie diese ganze Landschaft
außerordentlich stark bevölkert.
Durch das Fallen des Tanganyika ist zwischen
der Stadt und dem See eine mehrere Hundert Meter
breite Sandebene (buga) entstanden, die der Station
als Exerzirplatz dient; das spärliche Gras derselben
dient fast dem gesammten Viehbestande von Udjidji
als Weide. Der See fällt seit zwei Jahren nicht
mehr, einige ganz besonders scharf sehende Leute
wollen sogar eine kleine Steigung bemerkt haben.
Die durch die Zeitungen gehende Notiz, daß
Udjidji den Eindruck einer großen Ruinc macht, ist
durchaus unzutreffend; es giebt hier nicht mehr und
nicht weniger Nuiuen als in jeder anderen großen
Stadt Afrikas. Die sehr große Tembe des Mohammed
ben Chalfan-Rumaliza ist infolge der Faulheit seiner
hiesigen Vertreter allerdings ctwas in Verfall ge-
rathen; trotzdem wohnt jetzt fast die halbe Kom-
pagnie in ihr und sie ist mit geringer Mühe wieder
in guten Stand zu setzen. Die große Dhau Ruma-
lizas, in der 400 bis 500 Menschen Platz hatten,
ist von der Brandung in Trümmer geschlagen
worden, weil sich keiner von seinen Leuten darum
bekümmert hat.
Welche Macht und welchen kolossalen Einfluß
dieser Rumaliza hier gehabt hat, davon machen sich
gewiß diejenigen, die den schmächtig und eigentlich
schwächlich aussehenden Araber mit den kleinen
schönen Händen und Füßen an der Küste kennen
lernen, keinen Begriff. Trotzdem er seinen Namen
in weiten Gebieten zu einem gefürchteten gemacht
und großes Unheil angerichtet hat, ist er im Allge-
meinen hier doch sehr beliebt. Ihm würden, falls
er hierher zurückkommen sollte, alle seine alten Leute,
das sind Tausende, wieder zuströmen. Recht beur-
theilen können nur diejenigen die Macht dieser
Araber, die Tippu Tip und ähnliche Leute in ihrer
Glanzperiode im Innern kennen gelernt haben.
Die Bevölkerung der Stadt besteht, abgesehen
von den eingeborenen Wadjidji, aus Angehörigen
aller afrikanischen Stämme. Es ist eine ziemlich