Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

rung ihrer Pläne bei den höchsten Würdenträgern 
des Staates unterstützte, eine der dunkelsten Seiten 
der Geschichte der englischen Kolonialentwickelung. 
Solchen wilden Auswüchsen gegenüber macht sich die 
in einem folgenden Kapitel gegebene Darstellung der 
fast ungestörten ruhigen Thätigkeit der Hudsonsbay 
Company, welche von 1690 bis 1800 ihren glück- 
lichen Antheilhabern eine jährliche Durchschnittsdivi- 
dende von 60 bis 70 péCt. auszahlte, beinahe wie 
ein Idyll. 
Die Kämpfe Englands mit Frankreich um Canada, 
welche schließlich nur durch die Siege Friedrichs des 
Großen für England einen günstigen Ausgang nah- 
men, trugen nicht unwesentlich dazu bei, die Spannung 
zwischen den nordamerikanischen Kolonien und dem 
Mutterlande zu vermehren, da erstere während dieses 
Krieges die Franzosen in Canada durch Zufuhr von 
Vorräthen mit der Entschuldigung, es sei verdienstlich, 
dem Feinde so viel Geld wie möglich abzunehmen, 
unterstützt hatten. Hätte nicht Pitt eine so maßvolle 
und versöhnliche Haltung den Kolonien gegenüber 
verfolgt, so wäre wohl damals schon der definitive 
Bruch eingetreten. Dieser erfolgte erst, wie im 
vierten Theile dargelegt wird, nach dem Sturze Pitts, 
als Georg III. und sein der Verhältnisse in Nord- 
amerika völlig unkundiger Minister Grenville alle 
widerstrebenden Einflüsse brechen und für den damals 
sehr geldbedürftigen Staat möglichst viel Geld aus 
den Kolonien ziehen wollten. In dem nunmehr 
entbrennenden Unabhängigkeitskampfe, aus dem die 
Kolonien ohne die reichliche materielle Unterstützung, 
die sie bei Frankreich fanden — wofür dieses aber 
schließhlich wenig Dank erntete —, wohl schwerlich 
siegreich hervorgegangen wären, zeigt sich die Un- 
fähigkeit der damaligen englischen Regierung und 
ihr gänzlicher Mangel an Verständniß für die 
Sachlage. Bei dem jämmerlichen Zustand des ame- 
rikanischen Milizheeres würde es bei einer energi- 
scheren Führung den englischen Streitkräften wohl 
leicht geworden sein, den Aufstand zu überwinden. 
Aber auch das Bild, welches man von einem der 
hervorragendsten Männer in diesem Kampfe, von 
Benjamin Franklin, gewinnt, ist kein ganz ungetrübtes. 
Dieser bei uns fast nur als Erfinder des Blitzablei- 
ters bekannte englische Generalpostmeister für Amerika 
und Agent von Pennsylvanien und anderen Kolonlen 
in London ist von gewissen Zweideutigkeiten nicht 
freizusprechen (S. 395, 428). Die in unseren Tagen 
oft bemerkte Rücksichtslosigkeit der amerikanischen 
Staatsmänner trat schon beim endlichen Friedensschluß 
Frankreich gegenüber sehr zu Tage. 
Die Kolonisationsversuche in Westafrika waren 
im Allgemeinen in jener Periode der englischen Ko- 
lonialgeschichte nicht von Erfolg begleitet; die ver- 
schiedenen nacheinander gegründeten Companyen ar- 
beiteten meist mit Verlust. Das Hauptobjekt des 
Handels bildeten stets die Negersklaven. In dem 
berüchtigten mit Spanien 17 13 geschlossenen Assiento- 
Vertrag erwarb England das Recht, im Laufe von 
304 
– 
  
30 Jahren 144 000 Sklaven nach den spanischen 
Besitzungen zu liefern. Seit 1750 begann die Be- 
wegung gegen den Sklavenhandel, der 1776 zuerst 
im britischen Parlament zur Sprache kam. 
Die Fortschritte der englischen Herrschaft in Ost- 
indien waren langsame. Zunächst hatte die ostindische 
Company weitere langwierige Kämpfe um ihr Mo- 
nopol zu bestehen, dann gewannen die Franzosen in 
Südindien das Uebergewicht und erst der Pariser 
Friede machte dem lange unentschiedenen Kampfe um 
Indien zu Gunsten Englands ein Ende. Der Ge- 
schichte der Gründung des indischen Reiches unter der 
ebenso energischen wie rücksichtslosen Führung von 
Clive und Warren Hastings sind die letzten Kapitel 
des Buches gewidmet. Die allgemeine Lage der 
Company und des Landes am Schlusse dieser Periode 
charakterisirt sich am besten durch die Schlußworte 
des Buches: „1785 erreichten die Erträgnisse des 
Reiches am Ganges die Höhe von 5 315 000 Ffd. 
Sterl., die Ausgaben die von 4 312 000 Pfd. Sterl. 
Diesem Ueberschuß im Vergleich zu 1771 stand aber 
ein Anwachsen der Schuldenlast in Eugland um 
15 Millionen, in Indien um 10 Mill. Pfd. Sterl. 
gegenüber. Im Ganzen sind während Hastings“ 
Thätigkeit die Schulden der Gesellschaft um 12½ 
Mill. Pfd. Sterl. gewachsen. Die Bevölkerung weiter 
Gebiete Indiens war in tiesstem Elend, den Vortheil 
zog eine Anzahl überaus hoch bezahlter, gut prote- 
girter Angestellter der Company. Die sechs Leiter 
des Salzamtes in Bengalen bezogen z. B. jährlich 
zusammen 72 800 Pfd. Sterl. Der Vorsteher erhielt 
außerdem noch 18 400 Pfd. Sterl. Gehalt. Beim 
Zollamt in Kalkutta hatten drei Beamte eine ge- 
meinsame Einnahme von 23 000 Pfd. Sterl.“ 
  
Paul Langhans: Justus Perthes' Deutscher 
Marine-Atlas. Gotha. Justus Perthes. 
Der hübsche handliche Atlas ist in der Art des 
kleinen deutschen Kolonial-Atlas, den die Kolonial= 
gesellschaft ins Leben gerufen hat, gearbeitet. Außer 
einer Darstellung aller Marine= und Kohlenstationen, 
der Reisen und des Wirkens deutscher Schiffe enthält 
der Atlas sehr lehrreiche Darstellungen der Be- 
sestigungen der deutschen Küsten sowie Karten aller 
deutschen Schutzgebiete. 
  
Rudolf Zabel: Cuba. Die wirthschaftliche, soziale 
und politische Entwickelung der Insel. Zweite 
Auflage. Berlin und Leipzig 1898. F. Luckhardt. 
Waldemar Miller: Cuba. Seine Geschichte, 
wirthschaftliche und handelspolitische Entwickelung. 
Mit einer Karte. Berlin 1898. Richard Schröder. 
Die beiden vorliegenden, mit Rücksicht auf den 
gegenwärtigen Krieg um Cuba verfaßten Schriften 
bringen vielerlei lehrreiches und interessantes Mate- 
rial zur Beleuchtung der Zustände der großen An- 
tilleninsel und der spanischen kolonialen Mißwirth- 
schaft bei. 
 
	        
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