Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

afrikanischen Staaten folgende: Die von Geh. Rath 
Koch und nach ihm vom Redner vorgenommenen 
Impfungen hatten durchweg volle Immunität der 
geimpften Rinder, ohne daß dieselben andere Er- 
scheinungen als die geschilderte Schwellung gezeigt 
hätten, erzielt. 
Dagegen waren aus verschiedenen Theilen Süd- 
afrikas Mittheilungen laut geworden, daß die 
Gallenimpfung häufiger bei vorher gesunden bezw. 
der Rinderpest unverdächtigen Thieren Rinderpest 
erzeugt habe. Andererseits war berichtet worden, 
daß gallengeimpfte Thiere ein bis zwei Monate nach 
der Impfung sich gegen Rinderpestinfektion nicht 
mehr immun erwiesen hätten. Die erstere Erschei- 
nung mußte nach den eigenen Erfahrungen auf 
mangelhafte Sorgfalt beim Impfgeschäft, besonders 
bei Trennung der geimpften Thiere vor Eintritt der 
Immunität von kranken bezw. verdächtigen Rindern, 
geschoben werden. Trotzdem beschloß Redner, bei 
Ausführung des Impfgeschäftes in Deutsch-Südwest- 
afrika alle schwachen, alten und kranken Thiere, von 
denen behauptet wurde, daß sie nach der Impfung 
schwere allgemeine Rinderpesterscheinungen zeigen 
könnten, von den übrigen Thieren streng gesondert 
zu impfen. 
Auf Grund der zweiten Mittheilung infizirte 
Redner vier Kontrolthiere der Herde, welche drei 
Monate zuvor von Geh. Rath Koch selbst mit Galle 
geimpft worden waren, mit tödlichen Dosen Rinder- 
pestbluts; dieselben sind gesund geblieben. Auch 
trotz dieses Ergebnisses beschloß Redner, auf die 
Dauer der reinen Gallenimmunität bezw. eine Ver- 
stärkung der letzteren seine besondere Aufmerksamkeit 
zu richten. Nachdem Redner in Kapstadt seine 
wissenschaftlich-praktische Ausrüstung zusammengestellt 
hatte, fuhr er nach dem Hafenplatz Deutsch-Süd- 
westafrikas Swakopmund, wo er Ende Mai 1897 
eintraf. Hier fand er folgende Sachlage: Gleich 
nach Bekanntwerden des Auftretens der Rinderpest 
in Südafrika hatte die Regierung Sperr= und Beob- 
achtungsmaßnahmen an der gefährdeten Grenze ge- 
trosen. Trotzdem war die Rinderpest über die 
Nordostgrenze hereingebrochen und war, von dort, 
durch einen Frachtfahrer verschleppt, Anfang April 
bei Windhoek aufgetreten. Zuerst nicht erkannt, war 
sie nach Eintreffen der ersten Kochschen Berichte mit 
naalknimpfung bekämpft worden. Es wurde durch 
! düe eine größere Anzahl Rinder gerettet, dem 
Cur ringen der Seuche nach der Küste jedoch kein 
inhalt gethan. Dieselbe war Ende Mai 1897 bis 
Bwbtie, drei Tagemärsche von der Küste, gelangt. 
ner entwarf für sein Vorgehen folgenden Plan: 
1. Gewinnung eines Platzes an der Pestgrenze 
wo mit größter Schnelli kei # · ig 3 / 
aushubilden sind chnelligkeit möglichst viel Impfer 
6 2. In erster Linic möglichst schnelle Impfung 
vezes en gesammten Verkehr vermittelnden Zug- 
505 
  
—— 
3. Eintheilung des verseuchten und gefährdeten 
Gebiets im Impfbezirke mit je einer Centralstation, 
von der die Leitung und Kontrole des Impf- 
geschäftes, mikroskopische Untersuchung von Galle und 
Rinderpestblut (letzteres zu Kontrol= bezw. Nach- 
impfungen bestimmt) sowie Versendung des Impf- 
stoffes ausgeführt werden. (Für die Gallengewin- 
nung mußte die große Anzahl rinderpestkranken 
Viehes als ausreichend angesehen werden, und war 
nach den Erfahrungen in Südafrika anzunehmen, daß 
ein an Rinderpest eingegangenes Thier durchschnitt- 
lich genügend Impfstoff zur Immunisirung von 25 
anderen Rindern lieferte.) 
4. Neben der Impfung einhergehend möglichst 
schnelle, mit aller Energie zu betreibende Ausrottung 
des Rinderpest-Ansteckungsstoffes durch geeignete 
Sperr= und Desinfektionsmaßnahmen (besonders 
Verbrennen der verendeten Thiere, Abbrennen ver- 
seuchter Weideplätze, Desinsektion von Wasserstellen, 
Desinfektion von Menschen, Vieh und leblosen Gegen- 
ständen, welche mit der Rinderpest in Berührung 
gekommen waren, Hundesperre). 
5. In Anbetracht der Panik und hochgradigen 
Erregung der Bevölkerung kein Impfzwang auf 
Grund der Ucberzeugung, daß nach den ersten Er. 
gebnissen der Impfung und der sie begleitenden 
Maßnahmen dic Bevölkerung allen Anordnungen sich 
fügen würde. 
Redner sandte von Swakopmund gleich nach 
seinem Eintreffen Reiseplan und Impfinstruktion nach 
Windhvek und brach selbst zwei Tage später in Be- 
gleitung des Distriktschefs von Swakopmund, Haupt- 
mann v. Perbandt, des Regierungsarztes Lübbert, 
sowie mehrerer schon hier zum Impfgeschäft aus- 
ersehenen Personen nach Tsaobis auf. Auf dem 
Wege dorthin konnte er bereits in Modderfontein 
den ersten Rinderpestfall feststellen, seiner Begleitung 
demonstriren sowie geeignete Isolirungsmaßnahmen 
für 25 am Platze befindliche Ochsengespanne (zu je 
24 Ochsen) treffen. Durch diese und nachfolgende 
Impfung ist der größte Theil der Ochsengespanne 
in Modderfontein gerettet worden. In Tsoobis 
wurde in einer ausgedehnten Schlucht der erste 
größte Rinderpestherd gesunden. In drei Tagen 
konnte hier eine größere Anzahl Impfer ausgoebildet 
werden, nachdem bereits am Tage des Eintreffens 
bei den zahlreichen in der Umgebung befindlichen 
Gespannen mit dem Impyfgeschäft begonnen wor- 
den war. )Y 
Nach Einrichtung der ersten Impfstation in 
Tsaobis und Uebergabe derselben nebst dem dazu 
bestimmten Impfbezirk an den Regierungsarzt 
Lübbert begab sich Redner weiter mit dem ihm 
vom Landeshauptmann entgegengesandten Stellver- 
treter desselben, Regierungsrath v. Lindequist, 
nach Otjimbingue. Nachdem hier zuerst die erregten 
Gemüther der ziemlich zahlreich ansässigen Europäer 
beruhigt waren, richtete Redner eine zweite Central= 
station mit dem dazu gehörigen Impfbezirke ein und
	        
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