die im Jahre 1883 auf Kosten der Nordborneo—
Gesellschaft angelegt worden war. Es hatte die
Absicht bestanden, zur Besiedelung des Landes Chi-
nesen in Masse zur Einwanderung zu veranlassen
und man hatte sich mit dem bekannten Missionar
Lechner in Hongkong in Verbindung gesetzt, welcher
in den Kreisen der christlichen, sogenannten Halka—
Chinesen für die Auswanderung nach Nordborneo
wirkte. Am 16. Januar 1883 langten denn auch
50 Bauern und 30 verheirathete Paare mit Kindern,
im Ganzen einige neunzig Köpfe, in Kudat an und
erhielten auf dem von Herrn Walker ausgesuchten,
vielleicht drei englische Meilen von Kudat in einer
Schlucht gelegenen Terrain ein Gebiet zu ihrer An-
siedelung angewiesen; jeder Junggeselle erhielt einen
halben Morgen (Acre), jede Familie einen ganzen
oder mehr frei zugetheilt. Der Urwald war auf
Kosten der Regierung gerodet, Material zum Bau
von Hütten und Samen zum Auspflanzen geliefert
worden. Im Uebrigen waren die Ansiedler sich
selbst überlassen. Alles gedieh prächtig. Unter den
gelieferten Samen war auch eine beträchtliche Menge
Kaffee, mit dem die Kolonisten nicht umzugehen
wußten. Die Bäume wuchsen wohl heran, aber
mangels geeigneter Pflege ging die Mehrzahl bald
wieder ein. Immerhin erhielt sich ein Theil und
trug Früchte, für die den Ansiedlern cin guter Preis
gezahlt wurde. Das machte sie auf den Werth der
Bäume aufmerksam, und da gerade zu der Zeit ein
europäischer Pflanzer in der Nachbarschaft begann,
Kaffee anzubauen, so lernten sie von ihm die Regeln
eines ordnungsmäßigen Kaffeebaues kennen und be-
gannen, sie zu befolgen. Sie benutzten die auf den
ersten Bäumen geernteten Früchte zum Weiterbau
und jetzt haben sie eine, wenn auch dem Umfang
nach nicht große, so doch üppig tragende Pflanzung.
Von den ursprünglich angesiedelten 93 Seelen leben
nur noch 36 an dem Ort, die übrigen haben sich
theils als Händler nach Kudat und anderen Orten
verbreitet, theils auch als Bauern in kleinem Maß-
stabe in der Nähe von Kudat angekauft. Die Töchter
haben sich verheirathet und es ist ihnen im Allge-
meinen gut gegangen. Herr Walker schreibt den
Zuwachs der Staatseinnahmen dieses Bezirkes, der
sich von 14,000 Dollar im Jahre 1883 auf 100000
Dollar im Jahre 1893 gehoben haben soll, nicht
zum kleinsten Theil dem Gedeihen dieser chinesischen
Einwanderer zu. Indessen stellte sich doch diese
Art der Besiedelung des Landes alsbald als zu
kostspielig heraus, um sie fortzusetzen, und bereits im
März 1883 machte die Regierung bekannt, daß sie
zwar auch ferner chinesische Einwanderer, besonders
Hakkas, gern in ihrem Gebiete aufnehmen würde,
daß sie indessen freie Passage nach Borneo künftig
nicht mehr würde gewähren können. Eine Einwan-
derung in größerem Maßstabe, von geschlossenen
Gruppen, ist infolgedessen seither auch nicht mehr
erfolgt.
Europäische Pflanzungen giebt es in der Um-
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gebung der Marndubai etwa ein halbes Dutzend,
von denen ich zwei (wenn auch erst auf der Rückreise
von Sandakan) besucht habe. Die eine, Pitas Estate
genannt, gehört der German Borneo Company. Sie
liegt an dem auf der Ostküste (gegenüber dem Hafen
von Kudat) in die Bai mündenden Bengkokaflusse
und ist dem Anbau von Tabak gewidmet. Die euro-
päischen Angestellten dieser Pflanzung sind mit einer
Ausnahme Deutsche. Die Pflanzung hat eine große
Ausdehnung und zum großen Theil recht fruchtbaren
Boden. Der Tabak wird nach Sumatra= (Deli.) Art
bestellt und gepflegt und hat in manchen Jahren eine
reichliche Ernte ergeben.
Die Borneo Coffee Company Limited hat eine
Pflanzung Taritapan Estate an einem kleinen Flusse,
der in der Südostecke der Marudubai mündet; sie
wird ebenfalls von einem Deutschen, Eduard Schück,
dem Sohne eines vor 20 Jahren in den Gewässern
der Sulu-Inseln als kühner Seefahrer bekannten
deutschen Schiffskapitäns, verwaltet. Ich sah sie
leider an einem sehr regenreichen Tage, der nicht
viel Herumgehen gestattete. Immerhin konnte ich
schon auf dem Wege zu Herrn Schücks Hause sehen,
wie üppig die Bäume wuchsen, und welch reiche
Ernte sie versprechen. Taritipan Estate gilt für eine
sehr werthvolle, gut verwaltete Pflanzung. Vor
nicht langer Zelt waren Sachverständige von Ceylon
zur Besichtigung des Landes nach Nordbornco ge-
kommen und hatten sich über den Boden lobend
ausgesprochen. Man hofft in Zukunft namentlich
auch die Kultur der Kokospalme gefördert und
daraus Vortheil für das Land erwachsen zu sehen.
Am 3. September morgens setzte ich die Reise
nach Sandakan mit dem Schiffe, auf dem ich ge-
kommen war, fort.
Für die kleinen Lokaldampfer geht ein Weg von
der Marudubai aus südlich der Banguey-Insel durch
den Mallawalle-Kanal hindurch unfern der Küste
entlang. Größere Seeschiffe aber müssen nördlich
der Balambangan= und Banguey-Insel herumfahren
und sich in größerer Emfernung vom Festlande
halten, weil der stetige Wechsel der Tiefenverhältnisse
und eine Unmenge kleiner Inseln und Riffe die
Fahrt in der Nähe des Landes schwierig und ge-
fährlich machen. Infolge davon dauert die Fahrt
mit den Seeschiffen ebenso lange wie mit den kleinen
Küstendampfern. Nach ciner ruhigen und erciguiß-
losen Fahrt langten wir am Morgen des 4. Sep-
tember in Sandakan an. An einem schönen Mor-
gen, wie wir ihn erlebten, bietet die Einfahrt in
den Hafen ein malerisches, liebliches Bild. Bei der
Einfahrt selbst sind die Küsten vielleicht zwei See-
meilen voneinander entfernt, und sic wird durch eine
mitten darin liegende kleine, aber über 100 Fuß
hohe steil aufragende Insel noch verengert, so daß
die Haupteinfahrt, die südliche (bezw. östliche) nur
etwa 1¼ Meilen breit ist, während im Norden
(Westen) der Insel eine für Küstendampfer brauch-
bare Durchfahrt von ½ bis /: Seemeilen offen