Beilage zum „Deutschen Kolonialblatt“, IX. Jahrgang.
Berlin, den 1. September 1898.
Zur Rolonialpvlitik des Jürsten v. Biomarch.
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Die unsterblichen Verdienste, welche der verewigte Reichskanzler Fürst v. Bismarck um Entstehung
und Ausgestaltung der kolonialen Politik des Deutschen Reiches sich erworben hat, glaubt die Deutsche
Kolonialverwaltung nicht besser ehren zu können, als indem sie das nachfolgende Aktenstück aus dem
Anfang des Jahres 1884 der Oeffentlichkeit überliefert. Die Denkschrift gewährt einen klaren Einblick in
die Erwägungen und Beweggründe, welche für die Behandlung kolonialer Fragen seitens des Fürsten
Bismarck von Anfang bis zu Ende maßgebend gewesen sind.
Berlin, den 8. April 1884.
Promemoria,
betreffend Angra Pequena.
Unter dem 27. Dezember v. Is. ist dem Grafen Münster der von dem Herrn
Reichskanzler genehmigte Entwurf einer Note übersandt worden, in der an das Londoner
Kabinet die Frage gerichtet war, auf welche Titel sich die in der Note Lord Granvilles
vom 21. November v. Is. in Widerspruch mit früheren Kundgebungen vertretene Auffassung
stütze, daß die Ausübung von Hoheitsrechten durch eine andere Macht in dem Gebiete
zwischen der nordwestlichen Grenze der Kapkolonie und der südlichen Grenze der portu-
giesischen Besitzungen in die legitimen Rechte der englischen Regierung eingreifen würde,
obwohl die letztere dort bisher selbst keine Hoheitsrechte ausgeübt, vielmehr in amtlichen
Depeschen den Orangefluß, mit alleiniger Ausnahme der von der Kapkolonie in Besitz
genommenen Walfischbai, als die festzuhaltende Nordwestgrenze dieser Kolonie bezeichnet
und ausdrücklich erklärt habe, auf kein Projekt zur Ausdehnung der britischen Jurisdiktion
über Groß-Namaqua und Damaraland sich einlassen zu wollen.
Eine Antwort hierauf haben wir bis heute nicht erhalten.
Dagegen liegen vor:
1. ein durch Karten illustrirter Bericht des Kommandanten S. M. Kanonenboot
„Nautilus“ vom 27. Januar d. Is., in welchem sich derselbe über die Rechts-
titel des Herrn Lüderitz und die Bedeutung seines Unternehmens sehr günstig
ausspricht, und
2. eine Eingabe des kürzlich von Angra Pequena zurückgekehrten Herrn Lüderitz
vom 21. v. Mts., in welcher er, unter Einreichung beweiskräftiger Urkunden,
für sein Recht auf das volle Eigenthum an einem 900 Quadratmeilen be-
tragenden, zwischen dem 26. Grad südlicher Breite und dem Orangeflusse
gelegenen und 20 geographische Meilen landeinwärts sich erstreckenden Gebiete,
um den Schutz des Reiches für sein Unternehmen bittet.
Die vorgelegten Originalurkunden beweisen, daß dem Engländer Spence im Jahre
1863 von dem damaligen Vormund des jetzigen Häuptlings von Bethanien nur das Recht
zum Betriebe von Minen, aber kein Grundeigenthum zugestanden („vergund“, eine „ver-
gunning“ hat die Bedeutung eines „grant, revocable at anr times) worden war, daß
dagegen der im Jahre 1881 zur Herrschaft gelangte Häuptling Joseph Frederiks von
Bethanien das fragliche Gebiet, welches etwa den fünften Theil seiner Herrschaft ausmacht,
im Sommer 1883 Herrn Lüderitz mit allen Rechten verkauft hat.
Das Gebiet, für welches Spence jenes Nutzungsrecht erworben, erstreckt sich nicht
auf die Bai von Angra Pequena, und ist dieses Recht selbst zufolge einer vorliegenden
Erklärung des Häuptlings und seines Rathes durch den Verkauf an Lüderitz erloschen.
Lüderitz ist nur verpflichtet, Spence den Durchgang durch sein Gebiet und die
Benutzung des Hafens von Angra Pequena für die Verschiffung der in einer außerhalb der