Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

also deutsches Schutz- 
land? *! 
Vom Nam. Lande 
nach dem Congo?s 
— 3 — 
und Missionsniederlassungen, für welche wir vor einigen Jahren vergeblich den Schutz der 
englischen Regierung in Anspruch nahmen, weil wir damals noch glaubten, daß England ein 
Protektorat über diese Gebiete prätendire und faktisch ausübe. 
Besäße England in diesen Gebieten Interessen von gleicher Ausdehnung, so würde 
deren Annexion sich ganz von selbst verstehen. 
Will nun das Reich weder Besitz ergreifen, noch ein Protektorat übernehmen, so 
berechtigt doch die in der Südsee (Tonga und Samoa) gemachte Erfahrung zu der Hoffnung, 
daß eine klare Betonung des Werthes, den wir auf die Unabhängigkeit dieses Gebietes von 
einer dritten Macht legen, genügen werde, um eine uns so befreundete und vielfach ver- 
pflichtete Regierung wie die großbritannische zu verhindern, dieses unser Interesse zu 
ignoriren. 
Bei Bestimmung der Form für den Schutz, welchen wir der deutschen Unter- 
nehmung von Angra-Pequena selbst gewähren wollen, könnte in Betracht kommen, Herrn 
Lüderitz nach Analogie der von der englischen Regierung in Fällen, wo die staatliche Besitz- 
ergreifung eines staatlich nicht organisirten Gebietes nicht beliebt wird, an Privatpersonen 
oder Gesellschaften, wie z. B. noch im Jahre 1881 an die „North Borneo Company“ für 
die Exploitirung der mit allen Hoheitsrechten von den Sultanen von Sulu und Bruni 
käuflich erworbenen Gebiete verliehenen „Royal Charter" — so Herrn Lüderitz eine, seinen 
Anspruch auf den Schutz des Reichs unter gewissen Voraussetzungen bestätigende und seine 
Rechte bestimmende Urkunde zu gewähren und hiervon den Mächten Kenntniß zu geben. 
Die der „North Borneo Company“ verliehene Royal Charter giebt derselben das 
Recht zur Führung einer besonderen Flagge, welche ihren britischen Charakter anzeigt, und 
dieser ist durch die Bestimmung gewahrt, daß die Leitung der Gesellschaft in Händen ge- 
borener Engländer liegen muß. Die Charter berechtigt die Gesellschaft zur freien Verfügung 
über das von ihr erworbene Grundeigenthum und zur Ausübung aller staatlichen Funktionen, 
mit nur solchen Einschränkungen, welche das Interesse der Eingeborenen und die Beziehungen 
zum Auslande bedingen. In letzterer Hinsicht behält die Charter die Entscheidung bezw. 
Zustimmung eines der großbritannischen Staatssekretäre vor. Für die Jurisdiktion über 
die britischen Unterthanen und in gemischten Fällen sind die englischen Gesetze und Regulative 
maßgebend. Von besonderer Bedeutung ist die Bestimmung unter Nr. 17 der Charter, 
welche zwar den Handel mit den Territorien der Company für frei erklärt, dieser aber 
das Recht zur Erhebung von Zöllen verleiht. 
Da in letzter Zeit außer Herrn Lüderitz noch andere Deutsche an der Westküste 
von Afrika (die Häuser Woermann und Jantzen & Thormälen in Hamburg) an der 
Cameroons-Küste, gegenüber von Fernando-Po und am Benita-Fluß, und ferner ein 
Konsortium Frankfurter und Stuttgarter Finanziers auf und gegenüber den Los-Inseln 
(9° 25 nördlicher Breite) größere Privaterwerbungen in unabhängigen Gebieten theils ge- 
macht haben, theils beabsichtigen, dem Vernehmen nach auch in der Südsee vertagte Projekte 
dieser Art bald in Angriff genommen werden sollen, so dürfte es ohnehin angezeigt sein, 
die Form des Schutzes zu bestimmen, den wir in unabhängigen, aber staatlich nicht 
organisirten Gebieten, deren Absorbirung durch dritte Mächte gegen unser Interesse wäre, 
den deutschen Unternehmungen von Reichswegen gewähren wollen. Die Verleihung einer 
der englischen Royal Charter entsprechenden Berechtigung würde für das Reich keine größeren 
Pflichten und Kosten involviren, als dasselbe durch dauernde Stationirung von Kriegs- 
schiffen und Einrichtung von Berufskonsulaten bisher in der Südsee auf sich genommen hat 
und nunmehr auch in Afrika übernehmen will. Die von deutschen Missionaren seit lange 
zum Christenthum bekehrte Bevölkerung von Namaqua ist zudem den Deutschen freundlich 
gesinnt, so daß Gewaltthätigkeiten der Eingeborenen gegen dieselbe kaum zu besorgen sind. 
Zugleich mit Verleihung einer solchen Konzession an Herrn Lüderitz, sowie auch 
in dem Falle, daß hiervon abgesehen werden sollte, würde durch den Abschluß eines Ver- 
trages zwischen dem Reich und dem Häuptling von Bethanien, womit wohl Generalkonsul 
Dr. Nachtigal betraut werden könnte, sowohl den Eingeborenen wie dritten Nationen 
gegenüber zu bekunden sein, daß wir jenes Gebiet als ein unabhängiges ansehen. 
Ein solcher Vertrag würde in erster Linie die Uebertragung des fraglichen Gebietes 
auf Herrn Lüderitz sanktioniren. Außerdem aber würde derselbe die Rechte der Deutschen 
auch in den unter der Herrschaft des Häuptlings von Bethanien verbliebenen, 3000 bis 4000 
Quadratmeilen umfassenden Gebieten zu regeln haben, da die Zukunft der deutschen Unter- 
nehmung auf einem geregelten Handelsverkehr mit dem Innern des Landes beruht. Es 
handelt sich hier um eine gesicherte Straße nach dem oberen Kongo und Zambesi.
	        
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