Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

Bougainville, 1768 den Namen seines Schiffes 
„La Boudeuse“ gegeben hat. Bei zunehmender 
Sprachreinigungskrankheit wird man die Insel 
nächstens als „Trotzkopf“ auf den Karten verzeichnet 
finden. Hoffentlich gelingt es noch vorher, ihren 
einheimischen Namen zu erfahren. 
Geradezu widerwärtig ist die Verwirrung, die 
gegenwärtig in der Nomenklatur der Salomo-Inseln 
herrscht. Der Archipel wurde schon 1567 von dem 
Spanier Mendana entdeckt und seines angeblichen 
Goldreichthums wegen nach dem biblischen König 
Salomo benannt. Aus dieser Zeit stammen ver- 
schiedene Namen für einzelne Inseln, so San Christoval, 
Guadalcanar, Mabel u. A. Zwei Jahrhunderte später, 
1768, wurde der Archipel, dessen Lage bis dahin 
völlig falsch angesetzt war, von Bougainville neu 
entdeckt, der auch seinerseits die einzelnen Inseln be- 
nannte; dann wiesen zwei Geographen, Buache und 
Fleurien, nach, daß diese „Arsaciden“ mit Men- 
danas Salomo-Inseln identisch seien; der Name 
Arsaciden für die ganze Gruppe verschwindet von 
den Karten, aber die einzelnen Inseln behalten ihre 
Doppelnamen, zu denen im Laufe der Jahre noch 
weitere neue hinzukamen, und besonders die kleinen 
Inselgruppen auf der Ostseite des Salomo-Archipels, 
die jetzt alle zum deutschen Kolonialgebiet gehören, 
sind durch eine entsetzliche Vielheit von Namen aus- 
gezeichnet. So heißt die Marqueengruppe auch 
„Marken-“, ferner „Cocos-“, dann „Mortlock= und 
schließlich auch „Massacre“-Gruppe, und dabei ist 
der wirkliche, einheimische Name der Inseln bisher 
noch unbekannt. Ebenso ist Mendanas „Candelaria“ 
— Maurelles Roncador; Hunters Lord Howe- 
Insel und Tasmans Ontongjava heißt in Wirklich- 
keit Liuniuwa 2c. In dieser fast heillosen Ver- 
wirrung kann nur die schonungslose Preisgabe aller 
späteren Namen und die strikte Einführung der ein- 
heimischen helfen. 
Aehnlich ist auch die Verwirrung bei den Inseln 
der Marshallgruppe. Dieser schon 1529 von dem 
Spanier Saavedra entdeckte Archipel scheint von 
den Spaniern „Pescadores“ genannt worden zu sein. 
Jedenfalls gerieth er völlig in Vergessenheit und 
wurde erst 1765 von Byron, 1767 von Wallis, 
1788 von den Kapitänen Marshall und Gilbert 
wiederentdeckt und 1816 von Kotzebue, sowie 1829 
und 1832 von dem Russen Chromschenko näher 
untersucht. Neben den einheimischen und sehr zahl- 
reichen englischen Namen tragen die Inseln also auch 
russische. Utirik heißt auch Kutusow, und Taka auch 
Suwarow; Quadjelin wurde Mentschikow genannt, 
und Bickini Eschscholtz. Andererseits führen die 
Eniwetok-, die Udjelang-, die Madjuro= und Namorik- 
Inseln auch die englischen Namen Brown, Provi- 
dence, Arrowsmith und Baring. Aehnliche Fälle 
würden sich noch zu Dutzenden anführen lassen. 
Auch hier giebt es nur eine Rettung, die rücksichts- 
lose Durchführung der einheimischen Benennung; diese 
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ist hier ohnehin leichter als vielleicht irgendwo sonst, 
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da die Marshallaner als ausgezeichnete Seefahrer 
nicht nur eine bis in die letzten Details richtige 
geographische Kenntniß der einzelnen Inseln haben, 
sondern auch sehr früh schon, jedenfalls lange vor 
den Europäern, dazu gelangt sind, die beiden Haupt- 
gruppen, in die der Archipel naturgemäß zersällt, 
die Ralick und Ratack, auseinanderzuhalten. Nur 
einen einheimischen Namen, der diese beiden Gruppen 
zusammenfassen würde, scheint es nicht zu geben. 
Der älteste bekannte Name für den Arcchipel ist 
Mulgrave, nach dem Namen, mit dem eine der süd- 
lichsten Inseln der Ratackgruppe, Milli, von ihren 
Entdeckern benannt wurde. Wir haben keinerlei 
Grund, diesen völlig willkürlich gewählten Namen 
beizubehalten. Hingegen hat schon 1793 Plant 
vorgeschlagen, diese und die sich ihnen im Südosten 
unmittelbar anschließenden Inseln mit den Namen 
der Kapitäne Marshall und Gilbert zu belegen, 
die 1788 einen großen Theil der beiden Gruppen 
entdeckt hatten. Dieser Vorschlag ist dann, ich glaube 
1824, von Kommodore Krusenstern sehr ver- 
nünftigerweise dahin abgeändert worden, daß der 
nordwestliche, inzwischen in deutschen Besitz über- 
gegangene Archipel den Namen Marshall-, der süd- 
östliche, jetzt britische, den Namen Gilbert-Inseln 
bekam. Diese beiden Namen werden zweifellos 
dauernd Geltung behalten, während der Name 
Kingsmillgruppe nach dem aus dem Jahre 1799 
stammenden, schlecht motivirten Namen für eine der 
Gilbert-Inseln zwar bei den amerikanischen Walfisch- 
fängern in Gebrauch und auch sonst in Amerika sehr 
beliebt ist, aber sicher verdient, möglichst rasch in 
Vergessenheit zu kommen. 
Daß man aber Marshall schreiben muß, und 
nicht Marschall, scheint mir nach dem Gesagten völlig 
selbstverständlich zu sein. Gleichwohl schrieb man in 
Berlin lange Zeit auch amtlich Marschall, und erst 
seit einigen Jahren ist die richtige Schreibweise 
Marshall auch amtlich als allein zulässig anerkannt 
worden. Um so auffallender ist es freilich, daß die 
letzten Briefe, die von dort hierher kamen, auf dem 
amtlichen Ueberdruck der Briefmarken wieder die 
falsche Schreibweise Marschall haben. Ich darf wohl 
annehmen, daß hier nur ein Versehen eines sub- 
alternen Postbeamten vorliegt und nicht ein bewußter 
amtlicher Rückfall in einen Fehler, den man wohl 
für definitiv überwunden halten durfte. 
Zum Schlusse dieser Mittheilung möchte ich deren 
Inhalt in die folgenden Thesen zusammenfassen: 
1. Wenn irgend möglich, sind auch in der 
Südsee, genau so, wie es anderswo als 
selbstverständlich gilt, die einheimischen Namen 
beizubehalten und deshalb überall mit der 
größten Sorgfalt festzustellen. 
Wo einheimische Namen nicht existiren oder 
noch nicht mit Sicherheit ermittelt sind, 
kommen in erster Reihe die von den ersten 
Entdeckern gegebenen Namen in Betracht. 
1.
	        
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