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Instrumente Ortsbestimmungen zu machen, auch vor
allen Dingen wegen der feindseligen Haltung der Ein-
geborenen, weder die beabsichtigte Verbindung mit
Usumbura aufnehmen, noch behufs schnelleren Mar-
schirens mit einem Theil der Kompagnie nach Missugi
vorauseilen oder eine stärkere Patrouille dorthin vor-
aussenden. Außerdem wurde neben der langen Un-
kenntniß über die Verhältnisse in Udjidji und Usum-
bura der Mangel an Tauschwaaren immer fühlbarer,
so daß die Feindseligkeiten der Eingeborenen, welche
uns reichlich Lebensmittel und Vieh einbrachten, hier
fast „als willkommen“ angesehen werden konnten.
Am zweiten Marschtage (15. Mai) erreichte ich
den Ruvuvu. Hier verschwanden die Führer, die
Bewohner der Dörfer flüchteten, und wir standen vor
dem hoch angeschwollenen, reißenden Fluß. Nach
langen Tauchversuchen gelang es, eine nicht über
brusttiefe Stelle ausfindig zu machen, an welcher wir
übergehen konnten; Lebensmittel wurden an diesem
Tage überhaupt nicht gebracht. Von hier marschirte
ich ohne Führer, den Fluß zur Linken, in südlicher
Richtung, überschritt am 18. die Luvironsa dicht
oberhalb ihrer Einmündung in den Ruvuvu und
lagerte am selben Tage in Kumuruga, einer dicht
bewohnten, reichen Gegend, überall mit dem größten
Mißtrauen empfangen.
Am 16. hatten die Eingeborenen Abordnungen
mit Lebensmitteln geschickt und erklärt, mit den Leuten
von Serusanse nichts gemein zu haben; hier jedoch
weigerten sich die Leute, irgend etwas zum Verkauf
zu bringen, begannen, in Rotten herumstehend, zu
höhnen, sie seien stärker als wir, und gingen schließ-
lich zu Thätlichkeiten über. Trotzdem wollte ich ver-
suchen, ohne Eingriff mit den Waffen, mit güt-
lichem Zureden auszukommen. Als dieses jedoch
nicht half, sondern die Leute immer übermüthiger
wurden, der Mtwale als Geschenk einen Knüppel
trockenes Holz sandte, schickte ich Premierlieutenant
v. Grawert mit einem Zuge Askaris und einer
Abtheilung Träger zum Requiriren. Dabei erneuerten
die Schwarzen ihre Angriffe, und es kamen weitere
Verwundungen von Trägern durch Speere und
Pfeile vor. Die ganze Nacht hindurch lärmten die
Bewohner und höhnten, so daß ich auch hier zu
einer Bestrafung des Uebermuthes gezwungen wurde.
Am 19. morgens entsandte ich zwei Züge nach
dem großen Dorse des Mtwale, um ihn gefangen
zu nehmen, jedoch mit der Weisung, nur im Noth-
fall von der Waffe Gebrauch zu machen.
Der Dorfälteste war bereits in der Nacht ent-
flohen, die übrigen Leute setzten sich sofort bei An-
näherung der Askari zur Wehr, schossen mit Pfeilen
und warfen Speere und zogen sich in den dichten
Bananenhainen nur schrittweise zurück, so daß von
unserer Seite nun auch die Schußwaffe angewendet
werden mußte.
Ich selbst begab mich mit zwei Askari auf Pa-
trouille in einige Dörfer, welche von den Ein-
geborenen besetzt gehalten wurden; dabei fielen vier
Warundi und wurden vier Gefangene gemacht. Der
Verlust beim Feinde durch die beiden Züge betrug
84 Todte, sehr viel Verwundete und 36 Gefangene,
außerdem 16 Rinder und 400 Stück Kleinvieh.
Die Expedition hatte außer den leichten Verwun-
dungen einiger Träger keinen Verlust zu beklagen.
Trotz des für die Art der Eingeborenen-Kriegführung
günstigen Geländes hielten die Schußwaffen die
Schwarzen in respektvoller Entfernung, und nur
vereinzelt brachten die Letzteren gute Pfeilschüsse an;
so wurde dem Sol die linke Patronentasche durch
einen Pfeil vollständig durchbohrt, während der
zweite Schuß nur die äußere Wand der Tasche
durchlöcherte.
Am folgenden Tage ließ ich die sämmtlichen
Ansiedelungen niederbrennen, wobei noch sechs Ein-
geborene fielen, einiges Vieh und 90 Feldhacken,
hier sehr werthvoll, erbeutet wurden. Darauf
kamen Friedensabordnungen, und nachdem am 21. der
Bruder des Mtwale, Lussonika, Führer und Ver-
pflegung gebracht hatte, gab ich die Gefangenen
zurück und marschirte weiter. Nach einer halben
Stunde Marsch passirte ich ein Lager der Expedition
Ramsay und konnte mich der Verwunderung nicht
enthalten, daß gerade hier und dort, wo seiner Zeit
Oberst v. Trotha gelagert hatte, die Leute zum
Waffengebrauch herausforderten. Von jetzt an leug-
neten die Bewohner wieder hartnäckig, den Aufent-
halt der Missionare zu kennen, so daß ich fürchtete,
die Missionare seien zum zweiten Male vertrieben
oder gar ermordet worden. Aus dem ganzen Be-
nehmen mußte ich schließen, daß irgend ein besonderer
Grund für die Warundi vorlag, mich nicht nach
Missugi zu führen, und das hartnäckige Leugnen,
die Versuche, mich immer wieder nach Westen abzu-
drängen, deuteten auf nichts Gutes.
Am 25. Mai erbot sich ein Mann aus Uha,
mich in drei Tagen zur Missionsstation zu führen.
Ich versprach ihm eine gute Belohnung, ließ ihn
mit dem Dolmetscher Blutsfreundschaft machen, um
seiner sicher zu sein, und erreichte nun endlich, nach
fast vierwöchigem Suchen, am 27. Mai den Platz
Muyagga, wo vor vier Tagen die weißen Väter aus
Missugi eingetroffen waren. Den letzteren Platz haben
sie wegen der geringen Einwohnerzahl aufgegeben.
Muyagga liegt etwa drei bis vier Marschstunden
nordwestlich von Missugi.
Hier fand ich aus Usumbura die Meldung von
dem Uebertritt der Kongolesen auf deutsches Gebiet
vor und beschloß nun, sofort in Eilmärschen nach
meiner Nordstation aufzubrechen. Eine zweite Nach-
richt über den angeblichen Stand der Dinge bei
Udjsüdii, welche den Abmarsch der Tabora-Kompagnie
dorthin, aus Anlaß einer Arabererhebung, mitgetheilt
durch den Pater van der Burgh, besagte, ver-
anlaßte mich, diesen Plan zu ändern und auf Udjidjt
zu marschiren.