Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

fahren die Züge mit einer Geschwindigkeit von 16 km 
in der Stunde. Ihren civilisirenden Einfluß macht 
die Eisenbahn, wie berichtet wird, bereits geltend. 
Die Stämme, die mit ihr in Berührung kommen, 
beginnen Handel zu treiben, Händler siedeln sich bei 
den Stationen an, und in Voi (bei Kilometer 161) 
existirt sogar schon ein Bazar. Die vorschreitende 
Eisenbahn läßt den Tauschhandel mit Perlen und 
Draht verschwinden; die Rupie verdrängt ihn. 
Nach dem letzten Jahresberichte haben im ersten 
Halbjahr 1898 auf 221 km Betriebslänge die Brutto- 
einnahmen die Betriebs= und Verwaltungskosten mit 
einem ganz kleinen Ueberschuß gedeckt. Mit dem 
zweiten Halbjahr 1898 hatte die Betriebslänge etwa 
330 km erreicht, und die Bruttoeinnahme stieg der- 
artig, daß von ihr als Reineinnahme 8,5 PpCt. ver- 
blieben (wöchentlich etwa 5000 Rupien). Ob die 
zahlreichen Truppentransporle zu dieser Einnahme 
beigetragen haben, läßt der Jahresbericht im Unklaren. 
An Kosten hat der Bau verursacht bis zum 
31. März 1898 etwa 20 000 000 Mk., weitere 
20 000 000 sind, soweit bis jetzt zu übersehen ist, 
bis zum 31. März 1899 verausgabt. Die Ausgaben 
bis zum 31. März 1900 werden, wie schätzungsweise 
*l#.oangenommen wird, von den bewilligten 61000000 Mk. 
nur noch etwa 6000 000 Mk. übrig lassen. Wie 
weit bis dahin der Bau gediehen sein wird, ist noch 
nicht abzusehen, um so weniger, als die zu über- 
windenden technischen Schwierigkeiten ihren Höhepunkt 
noch lange nicht überschritten haben. 
Sir G. Molesworth konnte Ende Dezember 
1898 die Eisenbahn bis zur Station Sultan Hamoud 
(Kilometer 400) befahren. Nach seiner Angabe lag 
die bleibende Bahnlinie bis dahin mit 22 pCt. ihrer 
Länge in Krümmungen (einschl. 3½ pCt. mit 160 
bis 200 m Halbmesser) und mit 86 pCt. in Stei- 
gungen (einschl. 40 pCt. in 1:50 bis 1: 100). Der 
Bau der Telegraphenleitung hält Schritt mit der 
Gleisbauspitze, der Bau eines Feldtelegraphen mit 
der Absteckung, die damals schon den Naivasha-See 
erreicht hatte. 
Die Beseitigung der vorläufigen Abweichungen 
(bisher über 10 pCt. der Bahnlänge) und die Her- 
stellung des bleibenden Bahnkörpers hatten erhebliche. 
Fortschritte gemacht. Bemerkenswerth in dieser Be- 
ziehung ist der Ersatz der hölzernen Gerüstbrücke über 
die Makupastraße durch eine 700 m lange vollwan- 
dige Blechträgerbrücke auf eisernen Schraubenpfählen, 
60 bis 70 cm stark. Durch sie erhält der Schienenweg 
eine so erhöhte Lage, daß die lästigen starken Stei- 
gungen innerhalb der Rabaihügel bis zur Station 
Mazeras endlich beseitigt werden können. 
Die Fortsetzung der Bahnlinie bis zum Victoria- 
See würde nach den neuesten Entschließungen das 
„Kikuyn= sowie das Mangebirge“ etwas nördlich 
bezw. südlich der Macdonaldschen Richtung über- 
schreiten und den Victoria= See statt an der Berkeley- 
bucht bei Port Florence an der Ugovebucht erreichen. 
Nur die Strecke vom Longonotsattel, am Naivasha- 
  
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und Elmenteita-See vorbei bis zum Nakuro-Seec 
wird im Wesentlichen die Macdonaldsche Richtung 
beibehalten. Es sollen angeblich hierdurch etwa 
160 km an Bahnlänge gespart und die beiden Ge- 
birgszüge an günstigeren Stellen, aber immer noch in 
der beträchtlichen Meereshöhe von über 2300 m bezw. 
2500 m überschritten werden. Sir Molesworth 
hat die Absteckung bis zum Naivasha-See besichtigt. 
Danach wird der Abstieg vom Kikuyugebirge so zahl- 
reiche zeitraubende Kunstbauten erfordern, daß man 
sie zunächst auch durch eine vorläufige Abweichung 
umgehen will, die zum Abstieg in eine Tiefe von 
etwa 450 m vier schiefe Ebenen mit Seilbetrieb, die 
obere in 1:7, die beiden mittleren in 1:2 und die 
untere in 1:6 geneigt, erhalten soll. 
Bis an das Mangebirge und den Victoria-See 
ist Sir Molesworth nicht gelangt. Er berichtet 
hierüber nach den Mittheilungen des an den dortigen 
Forschungen und Vermessungen persönlich betheiligt 
gewesenen Oberingenieurs, daß das Maugebirge in 
einer Höhe von 2520 m überschritten und Port 
Florence durch das Kedowa= und Nyandothal erreicht 
werden wird. Der Abstieg in das Kedowathal ließe 
zwar die größten technischen Schwierigkeiten gewär- 
tigen, die letzten 40 bis 48 km bis zum See könnten 
indessen in flacher Steigung geführt werden. Port 
Florence schiene große Vortheile zu bieten, da es 
Schutz vor den herrschenden Winden böte und dort 
eine genügende Wassertiefe vorhanden sei. 
Sir G. Molesworthh schließt seinen Bericht mit 
einer warmen Anerkennung der bisherigen Leistungen. 
Angesichts der aufgezählten Schwierigkeiten sei das 
Fortschreiten des Baues in einer Weise gefördert 
worden, die dem leitenden Oberingenieur und den 
betheiligten Beamten zur höchsten Ehre gereiche. 
Bisher habe man sich in England eine ganz falsche 
Vorstellung von dem zu durchziehenden Gelände und 
den zu überwindenden Schwierigkeiten gemacht. Er 
selbst schlösse sich davon nicht aus. Man habe Ver- 
gleiche angestellt mit den Leistungen beim Eisenbahnbau 
im Sudan, Rhodesia und Beludschistan, da das dor- 
tige Gelände 2c. dem der Ugandabahn zu gleichen 
schien. In Wirklichkeit sei das aber gar nicht der 
Fall; bezüglich Beludschistan könne er das aus per- 
sönlicher Erfahrung bestätigen. Dagegen lägen bei 
der Kongobahn ähnliche Verhältnisse vor. Ueber 
deren Baufortschritte habe man seiner Zeit auch sehr 
abfällig geurtheilt. Alle Sachverständigen aber, die 
die Kongobahn inzwischen befahren hätten, seien des 
Lobes voll, und ein Gleiches verdiene die Ugandabahn. 
Die abgesteckte Bahnlinie sei nach den eingehendsten, 
sorgfältigsten Studien an Ort und Stelle, vielfach 
erschwert durch Ungunst der Geländeverhältnisse und 
des Gebirgsklimas, ermittelt worden und es sei nichts 
an ihr auszusetzen. Die für die Ueberschreitung des 
Kikuyngebirges gewählte Trace halte er sogar für 
ein Meisterstück des Ingenieurs. Das Maschinen- 
wesen läge allerdings noch im Argen und sei durch 
den großen Reparaturstand schwer belastet. Ein
	        
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