Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

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behülflich sein. Das finden nun Manche sehr un— 
gemüthlich, lassen lieber ihr Weib sitzen und siedeln 
sich anderswo an, nicht aus Abneigung gegen das 
Weib, sondern weil sie nicht bei der Schwieger- 
mutter sein mögen. Ich suchte auf die Forderung 
Christi hinzuwirken, daß das Weib Vater und Mutter 
und Haus und Bruder verlasse und dem Manne 
sfolge, fand aber nicht viel Verständniß. Viel 
günstiger sind in dieser Beziehung die Verhältnisse 
an der Küste, wo der Mann sich das Weib von 
den Eltern kanft, dafür aber auch verlangen kann, 
daß das Weib ihm überall hinfolge. 
Das Hinterland von Lindi und ganz besonders 
die Bezirke von Masasi und Lukuledi haben reich- 
lichen Antheil an dem Aufschwung, welchen die ganze 
Kolonie in den letzten fünf Jahren genommen hat. 
Die schwierigen, viel verschlungenen Negerwege durch 
Wald und Sumpf, welche endlose Umwege ver- 
ursachten und den Gebrauch eines Reitthieres fast 
unmöglich machten, sind jetzt auf der ganzen Strecke 
durch breite, kunstgerecht angelegte Straßen ersetzt; 
die Sümpfe und steilsten Höhen sind umgangen, die 
Flüsse überbrückt, so daß man nicht bloß bequem 
reiten, sondern größtentheils auch fahren könnte; die 
Bevölkerung ist seit Anlegung der Station Songea 
die Furcht vor den Raubzügen der Wangoni los, 
sie braucht sich nicht mehr auf den Berghöhen oder 
in den Sümpfen zu verstecken, sondern kann nach 
Lust schönes und fruchtbares Land zum Anbau aus- 
wählen; die Gewißheit, daß das Erträgniß der 
Schamben nun ihnen selbst gehört und nicht von 
den Raubstämmen fortgeholt wird, steigert die Lust 
zum Anbau; da der Sklavenraub beinahe aufgehört 
hat, Kindesmord und andere Unthaten, welche früher 
besonders durch die Zauberer veranlaßt wurden, sehr 
strenge bestraft werden, so vermehrt sich die Be- 
völkerung bedeutend. 
Der Handel im Lindibezirke dürfte wohl schon 
bald auf das Fünsfache der früheren Jahre steigen. 
Während früher besonders zur Erntezeit, wo die 
Wangoni meistens ihre Raubzüge unternahmen, die 
Karawanenstraße beinahe menschenleer war, begegneten 
mir jetzt alltäglich Hunderte von Trägern, entweder 
Matakalcute, das heißt Wayao von jenseits des 
Rovuma, welche Wachs, Sesam, Elfenbein, Gummi 
an die Küste trugen, oder Wangoni, welche für die 
dortigen Händler Salz= oder Stofflasten abholten, 
die wahrschceinlich im nächsten Jahre in Gestalt von 
Gummi oder Elfenbein wieder an die Küste zurück- 
kommen. 
Allerdings haben für alle diese Vorzüge der 
neuen Verwaltung die Schwarzen ein anderes 
Schmerzenskind eingetauscht, nämlich die Hüttensteuer. 
Daß sie für diese neue Einrichtung zunächst nicht 
viel Sympathie haben, ist ihnen leicht zu verzeihen. 
Im letzten Jahre konnten sie immer noch nicht 
glauben, daß aus der lange angekündigten Steuer 
wirklich Ernst werden sollte; wenn auch die Jumbe 
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auf Befragen des Bezirksamtes wiederholt erklärten, 
es sei Alles in Ordnung und liege bereit, so war 
das nur eine beschwichtigende Ausrede, und das 
Erscheinen des Steuereinnehmers mit seinen Askari 
erregte großen Schrecken. Ein Häuptling glaubte 
sich aus der Schlinge zu ziehen, indem er einfach 
auf die Mission lief und den Pater bat, er solle 
ihm schleunigst 300 Rupien leihen, damit er für sein 
Dorf die Steuer zahlen könnte. So einfach ging 
aber die Sache nicht, und es setzte nun bei dem 
Beamten für das erste Mal eine ernste Vermahnung 
ab, einige besonders Widerspenstige wurden auch 
nach Lindi mitgenommen, wo die Vermahnung noch 
fühlbarer wurde. Für heuer wird nun schon besser 
Vorsorge getroffen, zumal auch eine sehr reiche Ernte 
erzielt wurde. Abgesehen von den materiellen Vor- 
theilen für die Gouvernementskasse, ist diese Hütten- 
steuer ein nicht zu unterschätzendes Erziehungsmittel 
gegenüber den Negern. Sie werden durch Erfahrung 
belehrt, daß es nicht zweckmäßig ist, unmittelbar nach 
der Ernte das ganze Erträgniß in Negerbier zu ver- 
wandeln und in endlosen Tanzbelustigungen zu ver- 
jubeln, sondern werden gewöhnt, einen Theil auf- 
zubewahren für die Zeit der Noth bezw. der Steuer; 
auch fangen sie bereits an, die werthvolleren Ge- 
treidearten, wie Sesam und Erdnüsse, in größeren 
Mengen anzubauen, da sie es bequemer finden, eine 
Last Sesam als drei Lasten Mtama an die Küste 
zu tragen. 
Die Monatsschrift „Afrika“ veröffentlicht einen 
Aufsatz des Miss. Bohner aus Kamerun über „Die 
Schule des evangelischen Afrikavereins in Kamerun“. 
Diesem Aufsatz entnehmen wir Folgendes: 
Der einflußreichste Ort in Kamerun ist Bellstadt 
oder Belldorf, von den Eingeborenen Bonanjo ge- 
nannt. Er besteht aus den drei Ortstheilen Bona- 
duma (von den Europäern Tokoto genannt), Bona- 
priso (Poßtown) und Bonamandone, ist Sitz des 
Oberhäuptlings (King) Bell und wird darum auch 
Bellstadt (Belltown) genannt. Dieser Ort war von 
jeher in Kamcrun deshalb so einflußreich, weil Bell 
den ausgebreitetsten Handel hatte, ein verständiger 
Mann war, bei den Europäern großes Ansehen genoß 
und es auch verstand, die Stämme des Inlandes an 
sich zu ziehen, so daß sie ihn als ihren Richter und 
ihr Oberhaupt anerkannten und freiwillig ihm tribu- 
tär wurden. 
Dieser Einfluß stieg dann noch bedeutend durch 
den Umstand, daß die Deutschen, als sie 1894 die 
gegen Bell widerspenstigen Bonapriso oder Yoßlente 
besiegt hatten, sich das Terrain ihres Ortes als Sitz 
der Regierung ausersahen und die Bewohner an- 
wiesen, ihre Hütten weiter landeinwärts zu errichten. 
Dadurch ist von dem großen Ansehen und Einfluß, 
den die deutsche Regierung bel den Eingeborenen in 
Kamerun genießt, ein gut Theil auf King Bell und 
seine Leute übergegangen.
	        
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