Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

Gegenden diese Krankheit zu studiren und ihre Folgen 
durch systematische und gründliche Behandlung zu 
beseitigen. Eine Hülfe, wenn sie auch gering ist, 
würde schon dem Arzt auf den Marfhall-Inseln 
überaus erwünscht sein, indem ihm zur Hülfeleistung 
ein Lazarethgehülfe untergeordnet würde. 
Am 5. Oktober mittags wurde die Reise nach 
Kussaie fortgesetzt und am 8. morgens der von der 
Insel Lele gebildete Chabrolhafen von Kussaie ange- 
laufen. Die Einfahrt desselben ist zwar ziemlich eng, 
aber der Hafen selbst bietet mit seiner hohen schützenden 
Bergumgebung, abgesehen von Zeiten, in denen be- 
sonders starker Ostwind gerade in die Einfahrt hinein 
weht, einen guten und sicheren Ankerplatz. 
Der Häuptling des Hasenortes Lele, „King“ 
Charley, ist ein gutmüthiger, aber schwächlicher Mann, 
der von dem zureit nicht ortsanwesenden amerikanischen 
Händler Melander pekuniär abhängig ist. „King“ 
Charleys Macht erstreckt sich über ganz Kussaie, dessen 
Bewohner aber nur auf rund 500 Köpfe geschätzt 
101. 
Die Bevölkerung von Kussaie baut zu ihrem 
Lebensunterhalte Taro, Kokospalmen, Bananen, Zucker- 
rohr in reichster Fülle und hält sich Schweine, Rind- 
vieh, Hühner, Enten, Hunde als Hausthiere. Das 
Rindvieh ist ein ausgezeichneter, vollständig akklimati- 
sirter, durch die Mission über Hawal eingeführter 
amerikanischer Schlag. Ihre europäischen Bedürfnisse 
befriedigen die Eingeborenen durch Verkauf von Kopra 
— Produktion zur Zeit rund 40 Tonnen im Jahre — 
und Abgabe von Vieh und Früchten, insbesondere einer 
sehr aromatischen Ananas, an anlaufende Schiffe. Ge- 
legentlich setzen sie auch ihre sehr seinen Gewebe und 
Hüte aus Bananen= bezw. Pandanusblättern, die sie auf 
einem sehr eigenthümlichen, ortsüblichen Webstuhl her- 
sitellen, ab. Waffen sieht man bei den durchaus fried- 
lichen Inselbewohnern nicht mehr. Ihren Gesichtszügen 
werden. Die Bevölkerung ist früher weit zahlreicher 
gewesen, aber durch eingeschleppte Pocken und Syphilis 
sehr verringert worden. Die Sendboten der ameri- 
konischen Bostonmission haben den Krankheiten mit 
gutem Erfolge in segensreichster Weise entgegen- 
gearbeitet. Malaria scheint auf Kussaie nicht ein- 
beimisch zu sein. Zur Zeit nimmt die Bevölkerung 
wieder zu. Sie ist fast ausnahmslos durch die 
amerikanische Mission seit kurzer Zeit zum Christen- 
thum bekehrt und steht bereits auf einer verhältniß- 
mäßig hohen Kulturstufe. Ein großer Theil der 
Leute kann gut lesen und schreiben; auch wohnen 
dieselben in hübsch gebauten, gut gehaltenen Häusern 
und tragen sehr reinliche Kleldung nach einfachem 
europäischen Zuschnitt. Die freundlich dreinschauenden 
Frauen und Mädchen tragen ihr langes, schwarzes, 
mit Blumen verziertes Haar geschmackvoll auf dem 
Kopfe gescheitelt. 
Nahe der Ortschaft Lele befinden sich umfangrciche 
Steinumwallungen, aus Basaltblöcken und Korallen- 
stemen ohne Bindematerial lothrecht geschichtet. Nie- 
mand weiß, aus welcher Zeit sie stammen.7) Am wahr- 
scheinlichsten ist wohl, daß sie die Schutzwälle einer 
Handelsniederlassung besonders weit vorgedrungener 
Schiffer von den Philippinen oder Sunda-Inseln 
gebildet haben. Als Baudenkmale haben diese Mauern 
keinen besonderen Werth, und da keinerlei JInschriften 
oder andere Einritzungen an ihnen erkennbar sind, 
so werden sie auch historische Aufschlüsse nicht geben 
können. 
*) Sie wie die ähnlichen Bauten in Metalanim auf 
onape sind bereits öfter von Deutschen besprochen und 
neuerdings sehr eingehend von dem englischen Forscher 
Christian untersucht worden. Danach scheinen sie von 
den Eingeborenen selbst aus der Zeit, als die beiden In- 
jeln sehr stark bevölkert waren, herzurühren. Vergl. auch 
Finsch, Karolinen und Marianen Holtzendorssche Samm- 
lung N. F. 14. S. Heft 331/321. 
und Benehmen nach ähneln sie sehr den Bewohnern 
der Marshall-Inseln. In der Kussoiesprache befinden 
sich, ebenso wie in der Sprache von Ponape, nach 
Mittheilung des amerikanischen Missionars viel An- 
klänge an das Malayische. Die Leute von Kussaie 
sprechen ziemlich gutes Englisch, das ihnen durch die 
Mission beigebracht ist. Das Pigeon-Englisch ist 
im Gegensatz zu den übrigen Gebieten der Südsee 
hier nicht gebräuchlich. 
Während Dr. Hahl und Senfft einen dreistün- 
digen Marsch nach der an der anderen Seite der 
Insel belegenen Missionsniederlassung antraten, um 
den amerikanischen Missionar Shannon herbeizurufen, 
fuhr ich mit Korvettenkapitän Kinderling, Bezirks- 
amtmann Fritz und Prof. Dr. Volkens einige Kilo- 
meter im Kann einen Wasserlauf hinauf. Des seichten 
Wassers und des sumpfigen Ufergeländes wegen war 
es aber nicht möglich, die ziemlich schroff ansteigenden 
Berge der Insel zu erreichen. Den Bergen war an 
dieser Seite von Kussaie eine jedenfalls viele Hunderte 
von Hektaren umffassende, fruchtbare Ebene meist mit 
fettem lehmigen Untergrund vorgelagert. An einigen 
Punkten fanden wir gut aussehende Taro= und 
Zuckerrohrfelder. Die Berghänge scheinen für die 
Anlage von größeren Plantagen ohne Schupxvor- 
richtungen vielleicht etwas zu steil. Die Zukunft 
Kussaies wird darauf beruhen, daß die farbige Be- 
völkerung neben dem Plantagenbau zum stärkeren 
Betriebe der Viehzucht und zur Kopraproduktion 
angehalten wird. 
Der amerikanische Obermissionar, ein sehr freund- 
licher, entgegenkommender Mann, sowie der „King“ 
Charley, im Beisein seiner Rathgeber und zweier unter- 
geordneter europäischer Händler, wurden darüber be- 
lehrt, daß die Karolinen, Marianen und Palau-Inseln 
nun deutsch geworden seien, und daß in einigen Tagen 
diese Inselgruppe in Ponape von der spanischen Regie- 
rung an die deutschen Verwaltungsbeamten übergeben 
werden würden. Obermissionar Shannon, der als zur 
Zeit der einzige in Kussaie anwesende Missionar, es 
bedauerte, ablehnen zu müssen, an der Feierlichkeit 
der Flaggenhissung in Ponape theilzunehmen, und 
„King“ Charleyübernahmen essje eine ihnen übergebene 
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