Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

riesen gegen den Himmel, in den schroffsten Formen, 
hier steile Abgründe bildend, um auf der anderen 
Seite ebenso steil wieder bis Turmhöhe anzusteigen. 
Der sterile Boden läßt selbstverständlich keine neunens- 
werthe Vegetation aufkommen, etliche Dornenbüsche 
und Cacteen, die giftigen Milchbüsche nicht zu ver- 
gessen, das ist Alles. Genau so ärmlich wie die 
Pflanzenwelt ist auch die Thierwelt. Sehr selten 
bekommt man einen Vogel zu Gesicht, und selbst den 
Pavian, der doch in der Auswahl seiner Schlupf- 
winkel nicht allzu wählerisch ist, sieht man nur 
selten. Es ist, als ob der Odem des Lebens in 
dieser Einöde versagt hätte. 
Nachdem wir am 3. Juli abends nach drei- 
stündigem Marschiren unsern nordwestlichen Punkt 
erreicht hatten — zufällig fanden wir hier in einem 
kleinen Revier noch etwas Wasser —, bogen wir 
am 4. Juli, durch Bergketten veranlaßt, scharf nach 
Südwesten. Aus unserem Führer war nur so viel 
herauszubekommen, daß es bis Sendlings-Drift noch 
sehr weit sei und wir noch nicht die Hälfte des 
Weges — wir hatten von der Fischflußmündung 
bis zu unserem Lagerplatz am 3. Juli abends 31 km 
zurückgelegt — hinter uns hätten. Infolgedessen 
marschirten wir am nächsten Tage von 7 Uhr vor- 
mittags bis 8 Uhr abends ununterbrochen nur mit 
kurzen Ruhepausen und legten in diesen 13 Stunden 
— 11 Wegstunden (etwa 45 km) zurück über theil- 
weise recht schwieriges Gelände. Da es inzwischen 
stockdunkel geworden war und die Angaben des 
Führers über die Entfernung bis zum Orange und 
Sendlings-Drift immer unsicherer wurden, so blieben 
wir die Nacht über auf der Stelle, wo wir waren. 
Glücklicherweise besaßen wir noch ein halbes Koch- 
geschirr mit Wasser. Es war dies unsere höchste 
Marschleistung zu Fuß während unserer Reise. 
Am nächsten Morgen sahen wir zu unserer 
Freude den Orangefluß und Sendlings-Drift 3 km 
vor uns liegen. An Ort und Stelle angekommen, 
stellte es sich nun heraus, daß der Führer den von 
uns zurückgelegten Weg überhaupt nicht gekannt 
hatte, bisher stets unmittelbar am Großfluß entlang 
gegangen war und sich nur mit Hülfe der in weiter 
Ferne direkt am Fluß liegenden Gipfel, die ab und 
zu sichtbar waren, orientirte. Wie er es trotzdem 
fertig brachte, uns aus dieser Gebirgswelt heraus- 
zubringen, und zwar nach der richtigen Stelle, ist 
mir unverständlich. Es ist ein Beweis für das 
außerordentliche Orientirungsvermögen der Ein- 
geborenen. 
Sendlings-Drift ist ein kahler Platz; auf deutscher 
Seite treten die Berge weiter zurück als auf eng- 
lischer und geben so Raum für eine umfangreiche 
ungleichmäßige Ebene, aus Sand= und Kalkboden 
bestehend. Da dieselbe nicht hochwasserfrei ist, ist 
sie zur Bearbeitung ungeeignet. Dicht oberhalb der 
Drift, welche etwa 80 m breit aber dafür sehr tief 
ist (bei niedrigem Wasserstand), befindet sich direkt 
am Fluß eine aus dem besten Boden bestehende 
  
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spiegelglatte Ebene von großer Ausdehnung. Ob- 
wohl dieselbe in dem Ueberschwemmungsgebiet liegt, 
so würde sich hier eine Bebauung kurz nach dem 
Abkommen des Flusses bei Bewässerung mit den 
einfachsten Mitteln aus dem Orange vielleicht lohnen. 
Die Futterverhältnisse sind hier wie auf dem 
ganzen Theile des zuletzt zurückgelegten Weges sehr 
schlecht. Am nächsten Tage unserer Ankunft in 
Sendlings-Drift langten die Pferde an, der Weiter- 
marsch bis zur Küste wurde daher unverzüglich fort- 
gesetzt. 
Die Höhenzüge werden hier flacher und niedriger, 
an Stelle der Klippen tritt der Sandboden mehr 
und mehr in den Vordergrund. Gras ist genügend 
vorhanden. 
Der Orangefluß zeigt hier denselben Charakter 
wie überall. Dichtes Baum= und Buschwerk, das 
von den kleinen niedlichen Seidenaffen belebt ist, 
rahmen die Ufer ein. 
Der letzte Theil der Reise von Harrisdrift nach 
der Mündung bewies, daß die Ufer des Orange- 
flusses bis dicht vor Beginn der Sanddünen auf 
deutscher Seite von Bergen begleitet sind, die selbst 
hier noch ein Entlanggehen am Fluß verhinderten. 
Etwa 20 km vom Meere entfernt hören die 
Berge auf und es beginnt das Gebiet der Sand- 
dünen, durch welche sich der Orangefluß mit seinen 
schönen baumreichen Usern in vielen Windungen 
hindurch schlängelt. Nach und nach erweitert sich 
der Fluß zum breiten Strome, seine versandete 
Mündung ist deltaartig beschaffen. Auch hier tobt 
die unserer westafrikanischen Küste eigene Brandung, 
die Gefahr der Landung durch die felsige Beschaffen- 
heit des Meeresufers erhöhend. 
Aber die Küste bietet hier einen freundlicheren 
Anblick als diejenige von Swakopmund und Lüderitz- 
bucht. Die Dünen sind bis zum Meere mit brackigen 
Wasserbüschen bewachsen, im Delta des Orange ist 
gutes Gras vorhanden, und der Cannabusch ist 
etliche hundert Meter weit vom Meere zu finden. 
Erwähnenswerth ist der auf dem linken Ufser des 
Orangeflusses gelegene Platz Groodderm des Boern 
Rennir Kotzé, etwa 12 km aufwärts. 
Die Mündung des Flusses ist unbewohnt. 
Ich befand mich hier am Endziele meiner Reise 
und trat sofort den Rückweg über Obib, Wittpütz an. 
Eisenbabn Swakopmund—HWindhoek. 
Nach einem Bericht des Feldbahn-Baukommandos 
in Swakopmund vom 10. November 1899 sollte bis 
Ende November der Unterbau bis Hasis (Kilo- 
meter 145) fertiggestellt sein. Die Durchschreitung des. 
Dorstriviers bei Kilometer 135 ohne größeren 
Brückenbau erforderte das Aussprengen eines längeren 
Einschnitts. Die fortgesetzten Bohrungen nach Wasser 
sind von Erfolg. In Jakalswater gestalten sich 
dadurch die Wasserverhältnisse immer besser.
	        
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