Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

beit, bei der europäische Farben verwendet waren. 
Als wir am nächsten Morgen weiter fuhren, waren 
bereits 16 gesunde kräftige Burschen angeworben. 
Die Leute gingen anscheinend gern mit und man 
merkte ihnen nicht im Geringsten eine traurige Ab- 
schiedsstimmung an. 
Die mit großer Küstenausdehnung sich erstreckende 
Landschaft Siar ist ein sanft gewelltes Hügelland 
mit immer fließenden Wasserläufen und schöner Be- 
waldung, das zweifellos für Plantagen aller Art 
gut geeignet ist. Die Bevölkerung scheint verhält- 
nißmäßig zahlreich zu sein. Am Strande reiht sich 
Dorf an Dorf. Als Dorfnamen wurden festgestellt: 
Faytu, Nai, Min, Lemen, Bankalis, Morkon, Nga- 
rugor, Lamuran, Tumul, Taron, Kabintuß. Wie 
die Leute sagen, soll der größte Theil der höheren 
rückliegenden Berge unbewohnt sein. 
Nach langsamer Weiterfahrt wurde nachmittags 
bei der Ortschaft Assu zwecks Anwerbung gestoppt, 
und wurde hier ein alter Arbeiter aus Neu-Guinea 
abgesetzt. Trotz des hochgehenden Seeganges ver- 
suchten wir in zweistündiger Bootfahrt zu landen. 
Aber es war unmöglich, am Strande irgend einen 
Platz zu finden, bei dem die schaumspritzende Bran- 
dung eine Landung irgendwie gestattet hätte. Auch 
die Anwerbungsversuche gegenüber den dem Schiffe 
sich nähernden Kanus blieben hier erfolglos. 
Nun ward das Wetter so schlecht und der Wind 
so wechselnd und widrig, daß der „Johann Albrecht" 
wegen seiner schwachen Maschine nicht mehr vor- 
wärts kommen konnte, und wir uns am 18. morgens 
noch beinahe auf demselben Punkte befanden wie 
am 15. abends. 
Erst am 19. morgens erreichten wir die hoch- 
ragende, schön bewaldete Insel Gerrit Denys (Lir). 
Der größere Theil der Insel ist mit einem Korallen- 
rise umgeben. An der Südspitze springt ein platter 
Korallenfelsen in das Meer hinein, und von diesem 
stürzen sich, wie uns die Eingeborenen erzählten, 
die Wittwen gewordenen Weiber, wenn sie ihren 
Mann besonders geliebt haben, hinunter in die 
schäumende See. Wir stiegen in die Boote und 
suchten längere Zeit vergeblich nach einem Landungs- 
platze, während der „Johann Albrecht“ nach dem 
Luisenhafen an der Nordostecke der Insel weiter 
fuhr. Endlich fanden wir eine Bootspassage inner- 
halb ciner Einbuchtung der Insel. Dorthin kamen 
uns die Eingeborenen, fast alle ganz nackend und 
sämmtlich ohne Waffen, entgegen, und ein Pitschin- 
Englisch sprechender früherer Arbeiter geleitete uns 
auf unseren Wunsch dreiviertel Stunden weit auf 
einem Wege durch den Busch nach seinem großen 
Heimathsdorse. Die Insel bot in dem von uns 
durchschrittenen Theile ein Bild ganz besonderer 
Fruchtbarkeit, die auch die intelligenten Eingeborenen, 
bei denen fast die alten Jungen der Neu-Guinca- 
Kompagnie als Pflanzungsleiter Gutes zu wirken 
scheinen, mit sorgsamen, regelrecht angelegten Kulturen 
auszunutzen wissen. Zuweilen tritt auch in der Höhe 
  
noch der Korallenfels zu Tage. Im Allgemeinen 
scheint aber die lehmige Humusschicht der Oberfläche 
eine erhebliche Tiefe zu haben. 
Das Dorf unseres Führers, Butbut genannt, 
bestand aus 20 bis 30 Hütten, meist aus Bambus, 
der riesenhoch schon von Weitem mit seiner hell- 
grünen zarten Färbung aus dem Urwalddunkel der 
Insel sichtbar wird. Auch die schwachen Speere. 
die die Eingeborenen zum Verkaufe brachten, waren 
aus Bambus, mit zierlichen eingebrannten Ver- 
zierungen, den Speerritzungen in Neu-Mecklenburg 
und Neu-Hannover ähnlich, hergestellt. Nachdem 
zuerst mit der männlichen Dorfbevölkerung Freund- 
schaft geschlossen war, kamen auch die Weiber und 
Kinder, durch Perlen und Spiegel angelockt, heran. 
Herr Geheimrath Koch konnte seine Untersuchung 
beginnen, die, da Milztumoren bei den Kindern 
überhaupt nicht gefunden wurden, einen vorläufigen, 
durch die mikroskopische Untersuchung der entnomme- 
nen Blutproben noch zu ergänzenden Rückschluß für 
das Nichtvorhandensein der Malaria auf dieser Insel 
zuließ. 
Um 3 Uhr kehrten wir an Bord des „Johann 
Albrecht“ zurück und gingen dann nochmals nach 
kurzer Ruhepause an Land. Hier fanden wir keine 
Ortschaft am Strande. Die zuerst am Meeresufer 
auftauchenden Eingeborenen wichen uns aus. Ohne 
Führer wanderten wir alsdann auf einem Kanaker- 
pfade, im Schatten prachtvoller Waldriesen, über 
sprudelnde Bäche, eine ziemliche Strecke in die Insel 
hinein und kehrten darauf mangels Zeit, da anzu- 
nehmen war, daß die Eingeborenen hier weitab auf 
den Berghöhen, wo ihre schönen Pflanzungen sicht- 
bar waren, wohnten, zum Strande zurück. An 
starken Calophyllum inophyllum-Stämmen ist hier 
kein Mangel, und oft schimmert auch am Strande 
zwischen dem tiefgrünen Laube derselben der helle 
Blätterschmuck der Cordia subcordata hervor. 
Die Insel mit ihren schönen Bergen, ihren vielen 
immerfließenden Bächen, ihrem prachtvollen Urwald 
ihrem die üppigste Vegetation treibenden fruchtbaren 
Boden, macht einen geradezu paradiesischen Eindruck. 
Kein Wunder, daß die Anwerbung hier wenig Er- 
folg hatte. 
Von Gerrit Denys dampften wir weiter nach 
St. Joseph (Massai), einer kleinen, sehr steinigen 
Insel, die aber von einem Kranze von Kokospalmen 
umsäumt und anscheinend anßerordentlich stark be— 
völkert ist. Auch hier konnten wir, unterstützt von 
früheren Jungen der Neu-Guinea-Kompagnie, bald 
den freundschaftlichsten Verkchr mit den Eingeborenen 
anknüpsen. Geheimrath Koch und ich wählten den 
großen Ort Kunguni zum Mittelpunkte unserer 
Thätigkeit. Zwei Dutzend, manchmal recht artig 
stillhaltenden, manchmal bitter klagenden und mit 
Händen und Füßen sich wehrenden Kindern von ½/ bis 
6 Jahren wurde die Milz untersucht und ihnen ein 
Tröpfchen Blut zu mikroskopischen Präparaten ab- 
gezapft. Perlen, Spiegel und Tabak belohnten die
	        
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