Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

Vergehen. Wir theilen im Folgenden die vierzehn. 
wichtigsten Paragraphen aus dem Gesetzbuch für 
Funafuti mit. 
1. Ein Mörder hat den Tod zu erleiden; das 
Todesurtheil bedarf aber der Bestätigung des englischen 
Oberkommissars. 
2. Ein Dieb wird mit sechs Monaten Haft und 
Zwangsarbeit bestraft; auch hat er das gestohlene 
Gut wieder herauszugeben oder entsprechende Zahlung 
dafür zu leisten. Ist der Dieb eine Manneperson, 
so soll er außer dem noch zehn Hiebe bekommen. 
3. Wer Händel beginnt, wird je nach dem Be- 
lieben des Richters mit einer Geldstrafe belegt oder 
mit Haft bestraft. 
4. Ehebrecher und Ehebrecherinnen werden sechs 
bis zwölf Monate ins Gefänguß gesperrt. Daneben 
hat der Ehebrecher eine Geldbuße an den beleidigten 
Gatten zu zahlen, und die Ehebrecherin muß zum 
Besten der Gemeindekasse Hüte, Matten und Kokos- 
stricke flechten. 
5. Nothzucht wird mit einem Jahr Gefängniß 
bestraft. 
6. Wer an Pflanzungen oder Häusern absichtlich 
oder infolge von Fahrlässigkeit Brandschaden anrichtet, 
wird zu sechs bis zwölf Monaten Zwangsarbeit ver- 
urtheilt. Kann er den Schaden völlig ersetzen, so 
wird er nicht in Haft behalten. 
7. Wer gegen einen andern beleidigende Worte 
gebraucht, hat eine Geldstrafe von 20 Mk. zu ent- 
richten oder einen Monat Zwangsarbeit zu gewärtigen. 
8. Wer durch Verbreitung lügenhafter Gerüchte 
zu öffentlichem Unfuge Anlaß giebt, wird zu halb- 
jähriger Zwangsarbeit verurtheilt. 
9. Wer des Genusses berauschender Getränke 
überführt wird, soll zu 20 Mk. Geldstrafe oder ein- 
monatlicher Zwangsarbeit verurtheilt werden. 
10. Wer aus Wuth oder Miußgunst Kokospalmen 
umhaut, hat drei Monate Zwangsarbeit zu gewärtigen. 
11. Der Oberhäuptling hat darüber zu wachen, 
daß alles unbebaute oder der See abgewonnene Land 
mit Kokosvalmen bepflanzt wird und daß alle See- 
zeichen rechtzeitig reparirt und erneuert werden. 
12. Nirmand darf am Sonntag größere Arbeiten 
verrichten oder Kokosnüsse ernten. Das Kochen von 
Speise oder das Baden in nicht verboten, ebenso wenig 
alle Arbeiten, die zum Schutze von Leben und Eigen- 
thum nöthig sind. 
13. Der Oberhäuptling hat darauf zu achten, 
daß alle Kinder die Schule besuchen, und daß der 
Lehrer sem Gehalt bekommt. 
14. Das Gesetz kennt keinen Unterschied zwischen 
Manns= und Frauenepersonen; nur sollen die letzteren 
nicht zu Wegearbeiten oder zu anderen drückenden 
Arbenen verurtheilt werden. Für Frauen bedeutet 
.Zwangsarben“ die auferlegte Ansertigung von Hüten, 
Matten und Baststricken für die Gemeindekasse. Er- 
weist sich aber ein weiblicher Delinquent widerspenstig, 
so kann der Richter denselben binden und in Emzel- 
haft halten lassen, bis er Gehorsam leistet. 
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Gewöhnlich sind es nur unbedeutende Verfehlungen, 
die der Richter auf Funafuti zu rügen hat, und das 
dortige Gefängniß, ein solider, fensterloser Bau mit 
Wänden von Steinplatten, führt seinen Namen Fale- 
pui-pui (das verschlossene Haus) mit Recht; denn 
es können Jahre darüber hingehen, ehe sich seine 
Pforten einmal aufthun. 
Jenes Gesetzbuch, welches auch auf den übrigen 
Ellice-Inseln in Gültigkeit ist, verdankt sein Entstehen 
dem englischen Regierungskomm'ssar Swayne, der 
gleich beim Antritt seines Amtes alle Bestimmungen 
des Gewohnheitsrechtes auf jenen Gruppen sammelte, 
sichtete, ergänzte und schließlich in der jetzt vorhan- 
denen Fassung kodifizirte, welche die volle Zustimmung 
der Eingeborenen gefunden hat. 
RAus fremden Kolonien. 
Dekret, betr. die portugiesischen Rolonialgesellschaften. 
(Siehe Kolonialblalt vom 15. September d. Is.) 
Das Dekret, betreffend die portugiesischen Kolo- 
nialgesellschaften vom 27. Juli d. Is. beschäftigt sich 
außer mit den Verwaltungsräthen auch mit den 
gleichfalls von der Regierung zu ernennenden Re- 
gierungskommissaren. 
Art. 1 bestimmt, daß das Amt dieser Kommissare 
ein jederzeit von der Regierung widerrufliches ist; 
dieselben können von eimer Gesellschaft zur anderen 
versetzt, auch mit der Vertretung eines anderen ver- 
hinderten Kommissars betraut werden. Neben der 
Wahrung des Staatsinteresses haben die Kommissare 
darüber zu wachen, daß seitens der Gesellschaften die 
Konzessionsdekrete genau befolgt werden. Sie ver- 
mitteln als Regierungsvertreter den Verkehr der 
Gesellschaften mit der Regierung, berichten wöchentlich 
über alle wesentlichen Vorgänge innerhalb der Ge- 
sellschaften mit der Befugniß, in dringenden Fällen 
selbständig das Geeignete zu verfügen, und sind ver- 
pflichtet, die beglaubigten Abschriften der Sitzungs- 
berichte der Gesellschaftsaus#chüsse unter Beifügung 
eines Gutachtens vorzulegen. Dies hat auch bezüglich 
der von den Gesellschaften veröffentlichten dienstlichen 
Anordnungen zu geschehen. Je zwei Exemplare aller 
Veröffentlichungen sind von dem Kommissar für das 
Archiv einzusenden. Die Gesellschaften haben dem 
Kommissar jederzeit Emsicht in die Geschäftsbücher, 
Korrespondenz 2c. sowie den Zutritt zu ihren Ge- 
schäftsräumen zu gestatten. Alljährlich haben die 
Regierungskommissare dem Kolonialministerium einen 
eingehenden Bericht über den ökonomuchen und finan- 
ziellen Stand ihrer Gesellschoft einzureichen. 
Art. 2 verbietet den Kommissaren die Annahme 
irgend einer Verwaltungsstelle bei einer der Unter- 
gesellschaften derjenigen Gesellschaft, bei welcher sie 
eingetheilt sind, serner die Annahme einer Stellung, 
die ihm nicht gestattet, an allen Sitzungen der eigenen 
Gesellschaft theilzunehmen., endlich die Mitgleedschaft 
irgend einer kolontalen Gesellschaft derselben Provinz. 
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