— 151
1869 pachtete der Irländer Johnston die Insel auf
acht Jahre um den Preis von jährlich 400 Mark.
Er brachte 250 Karoliner von der Namounitogruppe
dahin, bereitete Salzfleisch, Trepang und pflanzte
viel Süßkartoffeln und Tabak, welcher vorzüglich hier
gedieh. Das Fleisch wurde in Agania und Saipan
verkauft, Tabal, Kartoffeln und lebende Schweine
handelten die amerikanischen oder englischen Walfänger
ein, welche alljährlich bis zu 14 an der Zahl hier
vor Anker gingen.
1875 kam Johnston auf der Fahrt von Tinian
nach Saipan um, und bis 1877, d. h. bis zum Ab-
lauf des Vertrages, setzte seine Schwester die Aus-
beute der Insel fort mit dem Ergebniß, daß 1878
fast kein Vieh mehr vorhanden war; bis zum Jahre
1884 wurde daher die Jagd suspendirt, dann wieder
in der alten Weise, d. h. durch 21 Gouvernements-
arbeiter ausgenommen. Eine schlimme Zeit für die
Heerde kam im Jahre 1898 mit dem siebenmonat-
lichen Aufenthalt der Macabebe-Philippiner in Saipan:
es mußten täglich zwei Thiere erlegt und nach Garapan
geschafft werden, so daß nach einigen weiteren Mo-
naten sicherlich das letzte Rind von Tinian ver-
schwunden wäre.
Bei Uebernahme der Verwaltung habe ich die
Fleischlieferungen für Saipan auf wöchentlich zwei,
spöter auf ein Rind, seit April 1900 auf ein Stück
monatlich beschränkt und seit meinem letzten Aufent-
halte in Tinian ganz eingestellt. Dagegen wird die
unerschöpfliche Schweinesagd mit Schlingen und
Hunden und der Hühnerfang eifrig betrieben, so
daß der Jahresreinertrag keine große Einbuße er-
leiden wird. Die Schweine sind im Allgemeinen
mager und klein, nur zur Zeit der Guayavareife
erreichen sie ein ansehnlicheres Gewicht. Sie werden
i der Nähe der Niederlassung in Schlingen, in der
Savanne mit Hunden gefangen, wöchentlich zweimal
je 10 bis 14 Stück im Ruderboote nach Saipan
befördert und dort zu dem festen Preise von 4 Mk.
verkauft. Im Nordwesten der Insel sind zwei bei
nicht zu hohem Seegange für das Boot zugängliche
Stellen, wo die in der Savanne gefangenen Schweine
verladen werden. Zuweilen müssen sie von den
Karolinern schwimmend zum Boot gebracht werden.
Die Fahrt von Songhalum bis Garapan dauert oft
acht Stunden und ist in der Meerenge zwischen
Tinian und Saipan, wo starker Strom und stets
hoher Seegang herrscht, gefährlich. Von den Schweinen
und Hühnern gehen auf dieser langen Fahrt manche ein.
Die Hühner sind so zahlreich, daß man auf der
Wanderung durch Tinian wie in einer Dorfstraße
stets vom Krähen der Hähne begleitet ist. Auf den
Bergen und den steil ins Meer abstürzenden Felsen
des Südostens giebt es viele Ziegen, die von den
Arbeitern mit erstaunlicher Gewandtheit und unter
großer Gefahr gleichfalls lebend gefangen werden.
Sie werden zu 1,50 bis 3 Mk. das Stück in Sawan
verkauft. Nach dem Weggange der Lazarmer waren
deren Hunde und Katzen geblieben; besonders die
ersteren vermehrten sich in der Freiheit und wurden
den jungen Schweinen und Kälbern gefährlich. Ich
hatte darauf einen Preis von 50 Pf. auf jedes aus
Tinian gelieferte Hundefell gesetzt, von denen mir
bis jetzt 108 Stück übergeben wurden. Die Zahl
der wilden Hunde war jedenfalls bedeutend über-
schätzt, denn sie werden jetzt nur noch selten ange-
troffen. Ihre Verringerung mag auch damit zusammen-
hängen, daß jetzt kein Rindvieh mehr erlegt wird,
dessen Eingeweide ihnen hauptsächlich zur Nahrung
dienten. Auch habe ich angeordnet, daß die Zahl
der Jagdhunde möglichst eingeschränkt und besonders
die Hündinnen scharf überwacht werden.
Außer diesen Thieren giebt es in Tinian an der
Küste zahlreiche Schnepfen verschiedener Art, an den
Lagunen Schwärme von Enten und im Walde mehrere
Taubenarten. Fliegende Hunde, ein Leckerbissen für
die Eingeborenen, kommen in großen Scharen vor,
dagegen fehlt hier der auf Saipan so häufige, den
Vögeln und Eiern gefährliche Leguan. Eine unan-
genehme Eigenthümlichkeit von Tinian sind die un-
zähligen Fliegen.
Ich habe bereits früher berichtet, daß wiederholte
Versuche, junge Rinder lebend nach Saipan zu
schaffen und dort zu Hausthieren heranzuziehen,
fehlgeschlagen sind: sie gingen, nachdem sie sich von
den Strapazen der Reise scheinbar erholt hatten,
trotz sorgsamer Pflege aus mir unbekannten Gründen,
vielleicht infolge des Futterwechsels, ein; nicht aus-
geschlossen wäre schließlich auch das Vorkommen der
Texaszecke auf Saipan. Ich beabsichtige nun, eine
Zähmung des Rindviehes zu versuchen, über welche
ich später berichten werde.
Zur Zeit sind auf Tinian 21 Arbeiter mit ihren
Familien, zusammen etwa 70 Personen, ansässig.
Der Anbau von Mais, Süßkartoffeln, Kokos und
Wurzelgewächsen war seit dem Ableben Johnstons
sast gänzlich eingestellt. Ich habe einige Hundert
Kokos aupflanzen lassen und die Bestellung größerer
Flächen mit Mais und Kamote angeordnet.
Chamorros und Karoliner bewohnen die landes-
üblichen Hütten.
Ein Chamorrohaus hat im Allgemeinen folgende
Bauart: 6 bis 8 Stämme von 3 bis 4 m Höhe
tragen das aus verflochtenen Kokosblättern bestehende
und auf leichtem Stangengerüst ruhende Dach, das
nach der Giebel-, zuweilen nach der Breitseite auf
einen kleinen Korridor ausläuft. In der Höhe von
etwa 1 m ist der aus dem Holze der Betelpalme
zusammengefügte Boden angebracht, auf welchem die
Insassen, in Pandanusmatten eingehüllt, der Nacht-
und ausgedehnten Mittagsruhe pflegen. Die Wände
bestehen entweder aus gquer verflochtenen, aufrecht
gestellten Palmblättern oder aus aufgeschlitztem und
verflochtenem Rohr. Eme Zimmerdecke ist nicht vor-
handen. Die Feuerstelle befindet sich zuweilen in
einem kleineren gedeckten Nebenhause, zuweilen wird
im Wohnhanuse selbst gekocht, und es ist erstaunlich,
daß nicht mehr Brände vorkommen. Das Inventar
3