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Die meist geringe Autorität derselben wird gehoben
und ihre Einnahmen wachsen. Die Einnahmen aus
der Rechtsprechung sind die einzigen, welche die
Häuptlinge des Bezirls haben. Sie fangen an, sich
mehr und mehr als Hülfsorgane der Regierung
zu fühlen.
Im Großen und Ganzen haben sich die neuer-
dings mehr ans Ruder kommenden jungen Häuptlinge
besser bewährt als die alten. Es unterliegt keinem
Zweisel, daß, wenn erst die unter deutscher Verwal-
tung ausgewachsene Generation zur Herrschaft kommt,
sie die ihr zugewiesenen Aufgaben in zufriedenstellen-
der Weise erfüllen wird.
Sklavenhandel kommt zwischen den Eingeborenen
des Bezirks nicht mehr vor. Die noch von früher
her vorhandenen Hörigen werden durchweg gut be-
handelt und gehen gewissermaßen in der Familie
ihrer Herren auf. Es kamen nur zwei Fälle vor,
wo solche Hörige ihre Freiheit beantragten und
natürlich auch erhielten. Bezeichnend ist für den
Stand der Sklavenfrage, daß ein ehemaliger Sklave,
Gidde Gidde, Oberhäuptling der Landschaft Agome
werden konnte.?) Es kommt freilich noch vereinzelt
vor, daß Händler, und zwar Haussas, und Unter-
thanen der Goldküstenkolonie aus dem nichtdeutschen
Hinterlande Sklavenkinder mit sich führen. So-
fern dieselben deutsches Gebiet berühren und dies zur
Kenntniß der Station gelangt, wird jedoch nach-
drücklich dagegen eingeschritten. So wurden zwei
Haussas und ein Mann aus dem englischen Quitta
mit je einem Kind (ein Junge und zwei Mädchen)
abgefaßt und mit mehrjähriger Freiheitsstrafe belegt.
Der Junge wurde der Norddeutschen Mission zur
Erziehung übergeben, die zwei etwas größeren
Mädchen unter sicherem Geleit nach ihrer Heimath
zurückgesandt.
8. Entwickelung des Bezirks.
Die bisher nur in allgemeinen Zügen bestimmten
Grenzen des Bezirks erfuhren eine Festlegung im
Einzelnen. So wurde die Grenze gegen den Bezirk
Kratyi genau bestimmt, wobei das früher zu Kratyi
gehörige Dorf Ahamansu zu Misahöhe kam, weil es
politisch zu Buem gehört. Ebenso wurde das bisher
zum Bezirk Lome gehörende Batome dem Bezirk
Misahöhe einverleibt, weil es ein Agotimefarmdorf
ist. In Vorbereitung ist die Abgrenzung gegen
Atakpame.
Die wichtigsten Ereignisse im Bezirk waren die
wirthschaftlichen Expeditionen des Geheimraths Prof.
Ior. Wohltmann, des Botanikers Schlechter und des
Bergassessors Hupseld. Von hoher Bedentung ist
f ruer die zur Zeit in Ausführung befindliche Baum-
wollexpedition des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees.
Um all diesen viel versprechenden Keimen eincs kul-
turellen Ausschwungs zu raschem Wachsthum und
#Eg sei hierbei bemerkt, daß einer der einflußreichsten
Häuptlinge an der Kuste (Ayte Ajavon in Klein-Popo
gleichfallo fruher Sklave war.
gutem Gedeihen zu verhelfen, erscheint aber der Bau
einer Essenbahn durch den Bezirk als unerläßliche
Bedingung.
Deutsch-ZSüdwestafrika.
Die Unruhen im südlichen Distrikt Grootfontein,
von denen in der Tagespresse schon die Rede ge-
wesen ist, haben nach den vorliegenden amtlichen
Berichten ihren Ursprung in dem Widerstand gehabt,
den die Grootfonteiner Bastards der Besichtigung
ihres Pferdebestandes durch den Distriktschef von
Grootfontein entgegengesetzt haben. Die Bastards
haben dem Distriktschef gegenüber alsbald eine
drohende Haltung eingenommen und die Auf-
forderung, ihre Waffen abzugeben, mit der Eröffnung
von Feindseligkeiten beantwortet. Ueber den weiteren
Verlauf der Angelegenheit ist bis jetzt nur bekannt,
daß in den folgenden Gefechten auf deutscher Seitc
der Reiter Reer und ein eingeborener Soldat Namens
Jan Lintes, beim Gegner der Führer der Auf-
ständischen, Kapitain Swarts, und ein Rehobother
Bastard gefallen sind und daß der Distriktschef von
Grootsontein mit etwa 20 weißen und ebenso viel
eingeborenen Soldaten die Aufständischen verfolgte.
Vom Gouvernement ist der Oberstleutnant Müller
mit 70 Mann und einem Geschütz nach dem Schau-
platze der Unruhen abgesandt, außerdem ist die in
Keetmanshoop stehende 3. Feldkompagnie zur Mit-
wirkung von Süden her über Bethanien befehligt
worden. Die von der Kolonial-Abtheilung des Aus-
wärtigen Amtes auf tclegraphischem Wege ange-
ordnete strenge Untersuchung der ganzen Angelegen-
heit wird ergeben, ob der beklagenswerthe Zusammen-
stoß hätte vermieden werden können und wen etwa
eine Verantwortung dafür trifft.
Abwehrmaßregeln gegen die Beulenpest.
In der Sitzung des Reichsgesundheitsraths am
20. März hatte Geheimrath Prof. Dr. Koch darauf
hingewiesen, daß die Gefahr der Einschleppung der
Beulenpest aus der Kapkolonie durch den Schiffs-
verkehr nicht so sehr Deutschland selbst, als seine
afrikanischen Schutzgebiete, vornehmlich Südwestafrika
bedrohe, und die Stationirung eines in der Er-
kennung und Abwehr der Pest ausgebildeten Arztes
in Swakopmund angeregt.
Bercits vorher — Anfang März — war von
der Kolonialverwaltung die Errichtung einer
Quarantänestation in Swakopmund und die
Sperrung des zweiten Hafens des Schutzgebietes —
Lüderitzbucht — für den direkten Verkehr von der
Kapkolonie, sowie die Stationirung eines erprobten
Sanitätsunteroffiziers der Schutztruppe daselbst tele-
graphisch angeordnet, auch sofort die nöthige Menge
von Desinfektionsmaterial rc. hinausgesandt.