857
Nichtamtlicher Theil.
HRrlonialrath.
Der Kolonialrath trat am Donnerstag, den
* 1. November, vormittags 10 Uhr, im Reichstags-
gebäude zu seiner diesjährigen Herbsttagung zusammen.
Der Vorsitzende, Direktor der Kolonial-Abtheilung
I)#r. Stuebel, hieß die alten und die neu einbe-
rufenen Mitglieder zu gemeinsamer Arbeit herzlich
willkommen und gab der Hoffnung Ausdruck, daß
diese uneigennützige und opferwillige Mitarbeit sach-
kundiger Herren den Kolonien wiederum zum Segen
gereichen möge. Der Kolonialrath sei gewissermaßen
ein Ersatz für die Beiräthe in den Schutzgebieten
selbst, zu deren Schaffung die Voraussetzungen noch
nicht vorhanden selen. Der Vorsitzende gedachte so-
dann in warmen Worten des im letzten Sommer
verstorbenen Mitgliedes des Kolonialraths, Vize-
admirals Schering, und seiner verdienstlichen kolo-
nialen Thätigkeit. Zu Ehren des Verstorbenen er-
hoben sich die Anwesenden von den Sitzen. — In
den ständigen Ausschuß des Kolonialrathes wurden
alsdann die Herren Staatssekretär a. D. Jacobi,
Staatssekretär a. D. Herzog und Staatsminister
v. Hofmann durch Akklamation einstimmig wieder-
gewählt. — Ueber die Arbeiten des Ausschusses des
Kolonialrathes zur Berathung der Sklavenfrage
lag ein ausführlicher gedruckter Bericht vor. Dom-
kapitular Hespers betonte hierzu als Referent des
Ausschusses, daß der Ausschuß eine generelle gesetz-
liche Regelung der Sklavenfrage zur Zeit für un-
möglich gehalten habe, wohl aber eine vorläufige
Regelung nach den einzelnen hier in Betracht kom-
menden Schutzgebieten unter Berücksichtigung ihrer
besonderen Verhaltnisse. Die Entwürfe der betreffen-
den Verordnungen haben auch der Begutachtung der
Gouverneure unterlegen. An der Generaldiskussion
betheiligten sich die Herren Vizeadmiral Valois, Dr.
Scharlach, Vohsen, Standinger, Staatssekretär a. D.
v. Jacobi, Domkapitular Hespers, Kommerzienrath
Lucas, von der Heydt und der Vorsitzende, der es
als Ziel der Regierung bezeichnete, auch in Deutsch-
Ostafrika die Befreiung der Sklavenkinder durchzu-
führen, sobald die Verhältnisse es irgend gestatten.
Wie sich aus der Gencraldebatte ergab, pflichtet der
Kolonialrath in seiner großen Mehrheit dem Stand-
punkt des Ausschusses bei, von dem aus die Frei-
erklärung der Sklavenkinder zwar in Ostafrika mit
Rücksicht auf die vorliegenden Berichte des Gou-
verneurs zunächst noch nicht ausgesprochen werden
solle, wohl aber ein solches Vorgehen in Togo und
Kamerun, in letzterem Schutzgebiete mit einigen Mo-
difikationen, als durchführbar angesehen werden könne.
Der in der Presse aufgetauchte Gedanke der Ein-
führung eines Arbeitszwanges durch die Regierung
wurde dagegen als undurchführbar bezeichnet. In
der Spezialdebatte wurden die Entwürfe von Ver-
ordnungen, betreffend die Haussklaverei in Deutsch-
Ostafrika, Kamerun und Togo, nach längerer Er-
örterung mit einigen Abänderungen in der Fassung
des Ausschusses angenommen. Einer Anregung des
Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg folgend,
sagte der Vorsitzende eine alsbaldige Veröffentlichung
des Entwurfs der Verordnung für Ostafrika zu,
während die Veröffentlichung der Verordnungen für
Togo und Kamerun erst in Aussicht genommen ist,
nachdem bezüglich der letzteren der Gouverneur von
Kamerun noch einmal gehört worden ist.
In der Nachmittagssitzung des 21. November
stand der Bericht des Ausschusses für die Prüfung
des Verordnungsentwurfs, betreffend die Regelung
der Arbeiterverhältnisse in Kamerun, auf der
Tagesordnung. Der Bericht gab zu einer prinzi-
piellen Erörterung der wirthschaftlichen Lage Kameruns
Anlaß, wobei den hervorgetretenen Schwierigkeiten
gegenüber aus dem Kolonialrathe heraus auf die
schweren wirthschaftlichen Kämpfe hingewiesen wurde,
die auch fremde, heute in großer Blüthe stehende
Kolonien in den Anfangsstadien ihrer Entwickelung
durchzumachen gehabt haben. Auf Grund der sach-
verständigen Untersuchungen der natürlichen Verhält-
nisse Kameruns dürfe man Vertrauen auf die Zukunft
der dortigen Unternehmungen haben und müsse fort-
fahren, Kapital und Arbeitskraft an dieselben zu
wenden. Der Kolonialdirektor hob hervor, daß die
Regierung stets bemüht gewesen sei, zwischen Plan-
tagenleitern und Arbeitern Licht und Schatten gerecht
zu vertheilen, und daß namentlich Verfehlungen der
Arbeitgeber stets die Ahndung auf dem Fuße gefolgt
sei. Die vorliegende Verordnung solle dazu dienen,
in dieser Beziehung eine Grundlage zu schaffen und
bestehende Uebelstände thunlich zu beseitigen. Nach
einer eingehenden Spezialdebatte, die sich auf die
Fragen der Arbeiteranwerbung, der Behandlung der
Arbeiter in Krankheitsfällen sowie des Lohnguthabens
und des sonstigen Nachlasses verstorbener Arbeiter,
insbesondere die Befugniß der Arbeiterkommissare,
erstreckte, und in die der Kolonialdirektor wiederholt
eingriff, wurde der Verordnungsentwurf mit einigen
Zusätzen und Abänderungen in der Fassung des Aus-
schusses angenommen. Ferner hat der Ausschuß be-
stimmte, die Disziplinarstrafgewalt über die Arbeiter
regelnde Grundsätze in Vorschlag gebracht. Das
Plenum des Kolonialrathes stimmte ihnen nach
längerer Diskussion unter Vornahme mehrfacher Ab-
änderungen bei.
Am Freitag Vormittag beschäftigte sich der Ko-
lonialrath zunächst mit der Vorlage, betreffend die
Regelung des Strafrechts für die Eingeborenen,
die ihm zur Kenntnißnahme vorgelegt war. Wie in
der Diskussion mitgetheilt wurde, ist die Kolonial-=
verwaltung geneigt, in Kamerun, von wo die ein-
gehendsten Vorschläge eingegangen sind, die betreffen-
den Grundsätze, soweit thunlich, im Instruktionswege