Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

dungsstelle mit Brandungsbooten nicht mehr aufrecht 
erhalten werden konnte, wurden bereits Post und 
Passagiere von dem Oceandampfer abgeholt und im 
Hasen an der Molentreppe gelandet. Die Bewe- 
gungen des „Pionier“ waren ruhig und sicher und 
ließen ein Gefühl der Besorgniß nicht aufkommen. 
Da die Mole zur Zeit noch nicht die zunächst 
projektirte Länge erreicht hat, so steht zu erwarten, 
daß zukünftig im Hafen noch ruhigeres Wasser und 
damit eine weitere Verbesserung der Landungsver- 
hältnisse eintritt. 
–.. — 
Das deutsch-südwestafrikanisch-portugiestsche Grenzgebiet. 
II. 
Im Anschluß an seinen in der vorigen Nummer 
des Kolonialblattes, S. 177/178, veröffentlichten 
eigentlichen Reisebericht hat Oberleutnant v. Winkler 
nachstehende Aufzeichnungen gemacht: 
A. Die Häuptlinge und ihre Stämmee. 
Die im Norden unseres Schutzgebietes lebenden 
Ovambos sind wohl gleich den Völkerschaften am 
Okawango von allen hiesigen eingeborenen Stämmen 
diejenigen, auf welche bis jetzt europäische Kultur 
nur wenig oder gar keinen Einfluß auszuüben ver- 
mochte. Während der Hottentott des Namalandes 
und der Herero des Damaralandes schon Jahrzehnte 
lang im Verkehr mit Weißen steht, mit Vorliebe 
europäische Kleidung trägt und bereits europische 
Bedürfnisse kennt, haben sich bei den Ovambo- 
stämmen uralte Sitten und Gebräuche erhalten. Bis 
vor wenigen Jahren war der weiße Mann ein selte- 
ner Besuch im Ovamboland. Außer den Mitgliedern 
der finnischen Mission und einzelnen Forschungs- 
reisenden betraten nur noch einzelne Händler dieses 
Gebiet. Noch kennt der Ovambo keine europäischen 
Luxusartikel. Er verschmäht den Kaffee und zieht 
seim Kornbier im Allgemeinen anderen Getränken vor. 
Für das kleinste Stück Tabak, bohnengroß, ist er 
dankbar. Aber auch hierin beginnt schon portugie- 
sischer Einfluß bei den nördlichen Stämmen Wandel 
zu schaffen. Der schwere portugiesische Wein ist ein 
begehrter Kaufartikel bei den Häuptlingen. 
Hauptsächlich mag es an der Beschaffenheit der 
Südgrenze des Ovambolandes liegen, daß von weißem 
Einfluß nur wenig zu bemerken ist. Eine neutrale 
Zone von ungefähr 80 km Breite, Busch= und 
Grassteppe abwechselnd mit Sand, trennt das 
Damaraland vom Ovambolande. Und wenn sich 
auch die deutsche Schutzherrschaft dem Namen nach 
über Ovamboland ausgebreitet hat, so hat sie in 
Wirklichkeit diese neutrale Zone noch nicht über- 
schritten, und der stolze Ovambohäuptling in seiner 
Pallisadenwerft kommt sich sehr mächtig vor. 
Von der Macht des Heäuptlings seinen Unter- 
thanen gegenüber kann man sich wohl schwerlich einen 
Begriff machen. Es herrscht strengste Autokratie. 
Der Häuptling ist Herrscher über Leben und Tod, 
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Eigenthümer von Hab und Gut, Niemand darf auf 
eigene Hand etwas kaufen oder verkaufen. 
Häuptling Nechale, welcher mit seinem Bruder 
Kambonde vom westlichen Ondongostamme in Feind- 
schaft lebt, scheint seine Unterthanen am strengsten 
zu behandeln. Ueber 100 in seinem Berathungs- 
raum der Werft eigenhändig getödtete Menschen soll 
er auf dem Gewissen haben. Nechales Gesichtsaus- 
druck trägt den Stempel brutalster Grausamkeit. 
Dabei kann man ihm aber eine gewisse Würde nicht 
absprechen, seine Haltung, Art und Weise zu sprechen, 
ist vornehm, dabei außerordentlich stolz. In seiner 
Werft, welche vielleicht Hunderte von Menschen birgt, 
herrscht Todtenstille. 
Häuptling Kambonde des westlichen Ondongo- 
stammes macht einen bei Weitem besseren Eindruck. 
Er scheint sehr gesprächig und gutmüthig zu sein. 
Leider hat er den Fehler, dem Alkohol zu stark zu 
huldigen. 
Häuptling Ujulu des größtentheils auf portugie- 
sischem Gebiet liegenden Unkuanjama-Stammes faßt 
seine Stellung seinen Unterthanen gegenüber schein- 
bar toleranter auf als die beiden vorgenannten 
Häuptlinge. Der rege Verkehr mit portugiesischen 
Händlern mag dies wohl mit veranlaßt haben. 
Man wird sich die Frage vorlegen, wie es mög- 
lich ist, daß sich solch ein Tyrann, wie Nechale, halten 
kann und nicht eines schönen Tages ermordet wird. 
Das liegt aber in den Traditionen der Ovambos: 
die Person des Häuptlings ist heilig, und Jeder er- 
trägt daher unweigerlich sein Joch. Nur der eigene 
Bruder darf sich an der Person des Häuptlings 
vergreisen. Das Volk blickt mit abgöttischer Furcht 
zu seinem Häuptling auf, sein Wille ist auch der 
seiner Unterthanen. 
Zur Feier unseres Empfanges hatten die Häupt- 
linge europäische Kleidung angelegt, das Volk läuft 
fast im Urzustand umher. Die ganze Kleidung der 
Männer besteht aus einem kleinen Schurzfell, das von 
einem etwa handbreiten Ledergürtel, welcher um die 
Hüften geschnallt ist, gehalten wird. Ueber dem Ge- 
säß tragen sie zwei ochsenhornartig gewundene, finger- 
dicke Lederstreifen. Ich glaube, die Größe derselben 
hängt vom Ochsenreichthum des Trägers ab. 
Fast Jeder besitzt ein Gewehr, mitunter Pavians- 
büchse, in dem vorerwähnten Hüftgürtel befinden sich 
zahlreiche Patronen. Die kleinen Jungen tragen 
Pfeil und Bogen. Die Haare sind bis auf einige 
siehen gelassene Büsche abgeschoren. Die Frauen und 
Mädchen haben Schnürleibchen, welche auf den Hüft- 
knochen aufliegen, vorne vielleicht mehrere Hand- 
spannen herunterreichen, auf der Rückseite aber so 
gerafft sind, daß diese frei bleibt. Die Schnür- 
leibchen sind aus oval geschnittenen, bohnengroßen 
Stücken von Straußeneiern zusammengesetzt. Bei den 
Unkuanjama bestehen sie aus blauen Perlen. Frauen 
und Mädchen haben die Haare mit Gummi oder 
dergleichen Klebstoff büschelsörmig zusammengeklebt. 
Erstere haben am Hinterkopf bis auf die Erde
	        
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