Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

tische Lage und zur Anknüpfung von Verbindung 
mit Yola. 
Am 13. marschirte das Expeditionskorps gegen 
Marrua in der Stärke von zwei Offizieren, 36 Sol- 
daten und 50 Trägern und dem Maschinengewehr 
von Garua ab und traf über Molemsuko, Bom, 
Ssaranil am 16. in Moo Lue ein, wo die Vereini- 
gung mit Oberleutnant Radtke und dem Detachement 
der 4. Kompagnie erfolgte, so daß nunmehr drei 
Offiziere und 80 Soldaten durch das Heidengebiet, 
das die Fullahstaaten hier trennt, auf Marrua 
marschiren konnten. 
Am 17. Januar erhielten die berüchtigten Matta- 
fallräuber, die jeden Verkehr zwischen Marrua und 
dem Süden brachgelegt haben, von dem Detachement, 
dem sie feindlich entgegentraten, eine scharfe Züchti- 
gung. Einige Gefangene wurden freigelassen und 
bekamen die Weisung an die umwohnenden Heiden- 
stämme, beim Rückmarsch des Detachements sich zur 
Unterwerfung zu stellen. 
Am 18. Januar wurde in dem verlassenen 
Heidenort Ndokulba (Lamstamm) Unterkunft bezogen 
und am 19. in zehnstündigem Marsch über Sangoia 
und Kattual, die zu Marrua gehören, der große 
Flecken Miskin erreicht. 
Die ungefähr 15 Marschstunden breite, wasser- 
arme, von Bergen eingefaßte Ebene zwischen dem 
Moao Lue und Songoia wird, wie erwähnt, von 
wehrhaften Heidenstämmen (Mattafall, Lam, Musgoi 
u. m.) beherrscht, die ihren Rückhalt in den seitlichen 
Gebirgen finden und von den Fullahs so gefürchtet 
werden, daß diese nur in großen Trupps und auch 
dann nur nachts zu passiren wagen. 
Im Marrualande war man auf unser Kommen 
nicht vorbereitet. Beim Abmarsch des Detachements, 
der in der fast baumlosen Ebene weithin bemerkt 
wurde, zog die Bevölkerung auf Marrua zu ab. 
In Miskin traten der Spitze die ersten Bewafsneten 
entgegen. Ich nahm an, sie brächten eine Botschaft, 
als sie ruhig, den langen Stoßspeer in der Hand, 
auf uns zuschritten, bis sie plötzlich unter wildem 
Geschrei angriffen und den farbigen Sergeanten Dia 
schwer verwundeten. Die rücksichtslose Todesver- 
achtung Einzelner, die man hier überall beobachten 
kann, hat ihren Hauptgrund in dem beschränkten, 
blinden Glauben an die lügnerischen Erzählungen 
des Emirs Siberu; er hatte vor dem Angriff auf 
Garua seinen Leuten vorgeredet, die Gewehre der 
Soldaten würden nicht losgehen, er hatte hier bei 
Marrua das Gerücht verbreitet, wir schössen nur mit 
Wasser. Bei Garua liefen einzelne Gläubige nur 
mit einem Strick versehen auf die Soldaten zu, um 
sie zu fangen, und hier wagten zwei Thoren, vor den 
Mündungen von zehn Gewehren den Unteroffizier 
zu speeren. Die Nacht blieben wir unbelästigt. Als 
wir am 20. bei Sonnenaufgang aus Miskin heraus- 
kamen und Fernsicht über die auf Marrua zu mit 
Einzelgehöften besäte weite Ebene hatten, auf der 
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nur hin und wieder ein einzelner Baum stand, sahen 
wir uns überall von Reiterschwärmen begleitet, die 
schon um 6 ⅛ Uhr so dicht wurden, daß ich die Ent- 
wickelung befahl. Das Maschinengewehr in der Mitte, 
das Detachement Oberleutnant Radtke rechts, ich 
selbst links in Schützenlinie, die wenigen Träger dicht. 
aufgeschlossen, ging es in breiter Front vorwärts. 
Unser Aufmarsch veranlaßte die Reiterei zum Zurück- 
gehen. Wir nahmen, um schneller vorwärts zu 
kommen, noch einmal die Marschformation ein. Kurz 
vor 7 Uhr hatten wir auf ungefähr 1000 m einen 
Abschnitt vor uns, den rechts das wasserleere Flußbett 
des Sannaga, links einige eingezäunte Baumwollfelder 
begrenzten; im Centrum lagen mehrere Gehäfte mit 
Lehmmauern dicht beieinander. Aus ihnen gingen 
langsamen Schrittes Schützenlinien gegen uns vor, 
während am Flußbett und in den Baumwollfeldern 
dichte Massen Fußvolk und geschlossene Reitermassen 
sichtbar wurden. Oberleutnant v. Bülow brachte 
das Maschinengewehr vor einem einzelstehenden Baum 
in eine etwas überhöhende günstige Stellung und 
begann, während unsere Schützen sich noch ordneten, 
auf die Massen, die jetzt in drei Heerhaufen geschlossen 
vorgingen, zu feuern. In den Kolonnen fiel Mann 
auf Mann, bald hörte ihr Vorgehen auf, und die 
Leute begannen, sich, Deckung suchend, auf die Erde 
zu werfen, theilweise wohl schon nach hinten abzu- 
ziehen. Indessen waren die geöffneten Linien vorn in 
stetem Avanciren geblieben, mit ihrem Eintritt in 
das Gebiet der kleinen Klappe war das Feuer ein 
allgemeines geworden. Die Verluste des Feindes 
waren groß, aber immer neue Leute liefen an 
Stelle der Gefallenen, nur einen großen Stoßspeer 
in der Hand schwingend, auf uns zu, um oft erst 
auf zehn Schritt vor uns niedergeschossen zu werden. 
Nach ungefähr 20 Minuten trat ein Stillstand im 
Gefecht ein, die Reiter zogen auf den linken Flügel, 
theilten sich dann, als das Maschinengewehr auf sie 
feuerte, und begannen abzuziehen. Wi wollten vor- 
gehen, aber noch einmal setzten auf meinem Flügel 
die Fußkämpfer zum Angriff an. Der Fanatismus 
Einzelner war bewundernswerth, sie suchten hinter 
Gefallenen Deckung, sprangen, wenn wir vorgingen, 
dicht vor unseren Schützen auf und drangen mit 
Speer und Messer auf sie ein. Es ist ihnen geglückt, 
meinen Flügel wohl zehn Minuten aufzuhalten und 
so dem Gros den Rückzug zu decken. Den Soldaten, 
die von der Küste kamen, war ein solcher Kampf 
auf offener Ebene etwas Neues, während die aller- 
dings weniger bedrängten, aber auch weit zuversicht- 
licheren Schützen des Oberleutnants Radtke bedeutend 
ruhiger feuerten. 
Um 7½ Uhr gingen wir über das Schlachtfeld 
auf Marrua vor, zu dem bereits die Gehöfte, hinter 
denen der Feind sich entwickelt hatte, gehörten. 
Die offene, große Stadt liegt am Fuße ungefähr 
200 m hoher unbewachsener Berge und erstreckt sich 
mit ihren Vorstädten über eine halbe deutsche Meile
	        
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