Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

quälten Thiere zu weiden. Das Gefühl der Liebe 
geht ihnen vollkommen ab. Liebe zu den Eltern, 
Liebe zu den Kindern, Geschwisterliebe und Freundes- 
liebe, das sind ihnen unbekannte Dinge. Die Mädchen 
gehören überhaupt kaum zur Familie, sie werden ver- 
kauft, wie ein Stück Vieh, die Knaben gehören nicht 
zum Vater, sondern werden dem Onkel mütterlicher- 
seits übergeben. Die Kinder kümmern sich nicht um 
die todkranken Eltern und zucken bei der Kunde von 
ihrem Tode gleichgültig die Achseln. 
Lüge und Diebstahl sind natürlich an der Tages- 
ordnung. Schon die alten Seefahrer machten diese 
Erfahrung und nannten eine Inselgruppe die La- 
dronen — Diebesinseln. Diebstahl gilt als Kunst, 
die schrecklichste, grausigste Gewohnheit der Wilden 
ist die Menschenfresserei. Die verschiedenen Stämme 
liegen in ewigem Streite. Ist es nun dem einen 
gelungen, eine Schar Gegner zu überraschen, dann 
werden die Gefangenen meistens als Sklaven ver- 
kauft, die Getödteten jedoch verzehrt. Schreckliche 
Einzelheiten werden hiervon berichtet. Während 
meiner Anwesenheit auf der Insel wurde ein Vater 
mit seinem Sohne gefangen genommen. Nachdem 
man die beiden ungefähr einen Tag herumgeschleppt 
hatte, schlug man dem Vater den Arm ab und briet 
diesen. Da der Knabe nun vor Hunger weinte, so 
zerschnitt man seinen Vater in Stücke und gab dem 
Kinde von dem Fleische seines eigenen Vaters zu 
essen. Auf meine Anzeige hin wurden verschiedene 
Fälle, wo Menschenfleisch verzehrt worden war, von 
der Regierung strenge bestraft, aber ausgerottet wird 
diese fürchterliche Sitte wohl erst werden, wenn der 
milde Same des Christenthums in den Herzen der 
Unglücklichen aufgegangen ist. 
Die ersten Ansiedelungen in jener schönen und 
doch auch so schauerlichen Gegend fanden reichlich 
vor 50 Jahren statt. Die erste katholische Mission 
wurde 1845 dorthin geschickt, und zwar waren dies 
Maristen. Gleich bei ihrer Landung wurde ihr 
Bischof ermordet. Die Wilden hatten den Bischofs- 
ring an seinem Finger gesehen und sie suchten mit 
Gewalt sich des Ringes zu bemächtigen. Jedoch 
ließen sich die Patres dadurch nicht zurückschrecken, 
sondern arbeiteten voll Hoffnung voran. Aber bald 
wurden verschiedene ermordet oder erlagen dem 
Fieber, und der Rest mußte heimkehren. Einer 
zweiten Mission ging es nicht besser. 1881 kam 
unsere Kongregation dorthin. Bei der Ankunft lag 
zunächst die wichtige Aufgabe ob, die Sprache der 
Eingeborenen zu erforschen. Die Sprache ist sehr 
interessant, außerordentlich wohlklingend und ist reich 
an Vokalen. Schriftzeichen existirten ursprünglich 
nicht; von uns wurden die lateinischen Buchstaben 
eingeführt. 17 Buchstaben genügten für die ganze 
Sprache. Die Sprachregeln sind, was mancher wohl 
nicht vermuthet, sehr mannigfaltig. Es giebt einen 
Singular, Plural, Dual und Trial. Für das besitz- 
anzeigende Fürwort haben sie doppelte Form, je 
nachdem, ob es Besitz anzeigend oder Bestimmung 
  
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anzeigend ist. Mannigfaltig sind auch die Zähl- 
weisen, dagegen fehlt wieder Anderes, z. B. das 
Hilfszeitwort. Besonders reich ist die Sprache für 
Dinge des täglichen Lebens, dagegen sehr arm an 
allgemeinen Begriffen. Mensch, Thier, Verstand 2c. 
sind Begriffe, die in der Sprache der Südseeländer 
nicht so bestimmt vorhanden sind. Bis jetzt haben 
wir 10 000 Worte ihrer Sprache entdeckt, sind aber 
keineswegs zu Ende mit den Forschungen. Eigen- 
thümlich ist, daß der Sitz aller Gefühle ihrer Ansicht 
nach der Bauch ist. Sie lieben Gott aus ganzem 
Bauche 2c. 
Wohl war unser Stand in den ersten Jahren 
der Mission besonders schwer und geradezu aus- 
sichtslos. Aber die Mission hat doch schon herrliche 
Früchte getrieben. In den ersten 10 Jahren tauften 
wir im Ganzen nur 150 Personen, Greise und 
Kinder. Im Jahre 1890 hatten wir das Glück, 
die erste erwachsene Frau zu taufen. Kurz nachher 
meldeten sich die Aeltesten des Dorfes zur Taufe 
und immer mehr wuchs der Einfluß der Mission, 
besonders, seitdem die Missionsschwestern kamen, 
welche von den Eingeborenen die „heiligen Frauen“ 
genannt werden und ungeheuren Einfluß besitzen. 
Einmal tauften wir eine Gruppe von 400 Personen. 
Auf den Inseln leben jetzt 8078 Christen, es 
existiren 80 Kirchen und Kapellen, 4 Waisenhäuser 
mit 220 Kindern, ein christliches Dorf mit 120 Ein- 
wohnern, eine Katechetenschule mit 18 eingeborenen 
Katecheten, 27 Elementarschulen, in denen 1200 
Schüler nach und nach unterrichtet werden. Wir 
hatten gefürchtet, daß manche Eingeborene bei dem 
schwachen Charakter des Volkes nach der Taufe im 
Eifer erschlaffen würden, aber Gott sei Dank, sie 
sind brave Christen geworden, die manchem Euro- 
päer zum Muster dienen könnten. Die jungen Kate- 
cheten leisten uns sehr werthvolle Hilfe, indem sie 
mit zu den zerstreut wohnenden Christen gehen und 
dort den Gottesdienst abhalten, was uns allein bei 
der schwachen Anzahl und großen Arbeit nicht 
möglich wäre. 
Aus fremden KRKolonien und 
Produktionsgebieten. 
Außendandel der Rolonie Lagos während des ersten 
Dierteljahrs 1902. 
Der Werth der Ein= und Ausfuhr der Kolonie 
Lagos stellte sich im ersten Vierteljahr 1902, ver- 
glichen mit demjenigen des entsprechenden Zeitraums 
des Jahres 1901, wie foldgt: 
  
Einfuhr Ausfuhr 
1902 1901 1902 1901 
r75 4 # r“5 
Januar 47169 67652 87 437 35 935 
Februar 51 172 51757 110 162 35 941 
März. 64 632 61799 62 452 57887 
zusammen 162973 181 208 260 051 129 263
	        
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