quälten Thiere zu weiden. Das Gefühl der Liebe
geht ihnen vollkommen ab. Liebe zu den Eltern,
Liebe zu den Kindern, Geschwisterliebe und Freundes-
liebe, das sind ihnen unbekannte Dinge. Die Mädchen
gehören überhaupt kaum zur Familie, sie werden ver-
kauft, wie ein Stück Vieh, die Knaben gehören nicht
zum Vater, sondern werden dem Onkel mütterlicher-
seits übergeben. Die Kinder kümmern sich nicht um
die todkranken Eltern und zucken bei der Kunde von
ihrem Tode gleichgültig die Achseln.
Lüge und Diebstahl sind natürlich an der Tages-
ordnung. Schon die alten Seefahrer machten diese
Erfahrung und nannten eine Inselgruppe die La-
dronen — Diebesinseln. Diebstahl gilt als Kunst,
die schrecklichste, grausigste Gewohnheit der Wilden
ist die Menschenfresserei. Die verschiedenen Stämme
liegen in ewigem Streite. Ist es nun dem einen
gelungen, eine Schar Gegner zu überraschen, dann
werden die Gefangenen meistens als Sklaven ver-
kauft, die Getödteten jedoch verzehrt. Schreckliche
Einzelheiten werden hiervon berichtet. Während
meiner Anwesenheit auf der Insel wurde ein Vater
mit seinem Sohne gefangen genommen. Nachdem
man die beiden ungefähr einen Tag herumgeschleppt
hatte, schlug man dem Vater den Arm ab und briet
diesen. Da der Knabe nun vor Hunger weinte, so
zerschnitt man seinen Vater in Stücke und gab dem
Kinde von dem Fleische seines eigenen Vaters zu
essen. Auf meine Anzeige hin wurden verschiedene
Fälle, wo Menschenfleisch verzehrt worden war, von
der Regierung strenge bestraft, aber ausgerottet wird
diese fürchterliche Sitte wohl erst werden, wenn der
milde Same des Christenthums in den Herzen der
Unglücklichen aufgegangen ist.
Die ersten Ansiedelungen in jener schönen und
doch auch so schauerlichen Gegend fanden reichlich
vor 50 Jahren statt. Die erste katholische Mission
wurde 1845 dorthin geschickt, und zwar waren dies
Maristen. Gleich bei ihrer Landung wurde ihr
Bischof ermordet. Die Wilden hatten den Bischofs-
ring an seinem Finger gesehen und sie suchten mit
Gewalt sich des Ringes zu bemächtigen. Jedoch
ließen sich die Patres dadurch nicht zurückschrecken,
sondern arbeiteten voll Hoffnung voran. Aber bald
wurden verschiedene ermordet oder erlagen dem
Fieber, und der Rest mußte heimkehren. Einer
zweiten Mission ging es nicht besser. 1881 kam
unsere Kongregation dorthin. Bei der Ankunft lag
zunächst die wichtige Aufgabe ob, die Sprache der
Eingeborenen zu erforschen. Die Sprache ist sehr
interessant, außerordentlich wohlklingend und ist reich
an Vokalen. Schriftzeichen existirten ursprünglich
nicht; von uns wurden die lateinischen Buchstaben
eingeführt. 17 Buchstaben genügten für die ganze
Sprache. Die Sprachregeln sind, was mancher wohl
nicht vermuthet, sehr mannigfaltig. Es giebt einen
Singular, Plural, Dual und Trial. Für das besitz-
anzeigende Fürwort haben sie doppelte Form, je
nachdem, ob es Besitz anzeigend oder Bestimmung
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anzeigend ist. Mannigfaltig sind auch die Zähl-
weisen, dagegen fehlt wieder Anderes, z. B. das
Hilfszeitwort. Besonders reich ist die Sprache für
Dinge des täglichen Lebens, dagegen sehr arm an
allgemeinen Begriffen. Mensch, Thier, Verstand 2c.
sind Begriffe, die in der Sprache der Südseeländer
nicht so bestimmt vorhanden sind. Bis jetzt haben
wir 10 000 Worte ihrer Sprache entdeckt, sind aber
keineswegs zu Ende mit den Forschungen. Eigen-
thümlich ist, daß der Sitz aller Gefühle ihrer Ansicht
nach der Bauch ist. Sie lieben Gott aus ganzem
Bauche 2c.
Wohl war unser Stand in den ersten Jahren
der Mission besonders schwer und geradezu aus-
sichtslos. Aber die Mission hat doch schon herrliche
Früchte getrieben. In den ersten 10 Jahren tauften
wir im Ganzen nur 150 Personen, Greise und
Kinder. Im Jahre 1890 hatten wir das Glück,
die erste erwachsene Frau zu taufen. Kurz nachher
meldeten sich die Aeltesten des Dorfes zur Taufe
und immer mehr wuchs der Einfluß der Mission,
besonders, seitdem die Missionsschwestern kamen,
welche von den Eingeborenen die „heiligen Frauen“
genannt werden und ungeheuren Einfluß besitzen.
Einmal tauften wir eine Gruppe von 400 Personen.
Auf den Inseln leben jetzt 8078 Christen, es
existiren 80 Kirchen und Kapellen, 4 Waisenhäuser
mit 220 Kindern, ein christliches Dorf mit 120 Ein-
wohnern, eine Katechetenschule mit 18 eingeborenen
Katecheten, 27 Elementarschulen, in denen 1200
Schüler nach und nach unterrichtet werden. Wir
hatten gefürchtet, daß manche Eingeborene bei dem
schwachen Charakter des Volkes nach der Taufe im
Eifer erschlaffen würden, aber Gott sei Dank, sie
sind brave Christen geworden, die manchem Euro-
päer zum Muster dienen könnten. Die jungen Kate-
cheten leisten uns sehr werthvolle Hilfe, indem sie
mit zu den zerstreut wohnenden Christen gehen und
dort den Gottesdienst abhalten, was uns allein bei
der schwachen Anzahl und großen Arbeit nicht
möglich wäre.
Aus fremden KRKolonien und
Produktionsgebieten.
Außendandel der Rolonie Lagos während des ersten
Dierteljahrs 1902.
Der Werth der Ein= und Ausfuhr der Kolonie
Lagos stellte sich im ersten Vierteljahr 1902, ver-
glichen mit demjenigen des entsprechenden Zeitraums
des Jahres 1901, wie foldgt:
Einfuhr Ausfuhr
1902 1901 1902 1901
r75 4 # r“5
Januar 47169 67652 87 437 35 935
Februar 51 172 51757 110 162 35 941
März. 64 632 61799 62 452 57887
zusammen 162973 181 208 260 051 129 263