Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

deten sie bereits ihr nichtssagendes Karibu, d. h. wir 
hatten die Hälfte des Weges annähernd zurückgelegt, 
und um ½29 Uhr waren wir jenseits des in jetziger 
Jahreszeit trockenen Wadi, wo wir unter dem ge- 
wohnten Baobab unser Lager aufschlugen. 
Ich wollte unbedingt den so mühsam erreichten 
Wasserplatz kennen lernen und folgte den Negern, 
die das Wasser holten. Eine gute Viertelstunde 
weit schleppte ich mein müdes Gebein durch den 
fußtiefen Sand des ausgetrockneten Flußbettes, bis 
ich endlich die stark gebrauchten Wasserlöcher traf. 
Im Flußbette, recht sorgsam gegraben, sind diese 
Löcher 2½ m tief, bei einem Durchmesser von 1⅛ 
bis 2 m. Der Rand ist mit Dörnern umgeben, 
die in dem ausgeworfenen Sande festsitzen. Nur 
ein Zugang ist gelassen, durch den man sich dem 
Loche nähern kann und mit einem abgeschnittenen, 
ausgehöhlten Kürbis das Wasser schöpft, das sich 
unten in geringer Menge vorfindet, häufig auf stark 
versumpftem Grunde. An diesem Orte war wenigstens 
ein Dutzend solcher Löcher gegraben, und die Wagogo 
kommen von weit her, um hier ihre zahllosen Heerden 
zu tränken. Sie schöpfen das Wasser in lleine Holz- 
tröge und haben jedenfalls eine langwierige Arbeit, 
da das liebe Vieh wenig Sinn zu haben scheint für 
die Arbeit der Herren. Wenn dann noch eine Ka- 
rawane dazwischen kommt, wird es recht unerquick- 
lich. Die früher so gefürchteten Wagogo, die uns 
seit dreiundzwanzig Jahren mehr Hongo abgeholt, 
als sie uns je in Geschenken erstatten können, sind 
unter der Zuchtrute der Wadaitschi fast zu zahm 
geworden. Unsere Träger entrissen ihnen die Schöpf- 
eimer, und sie wagten im besten Falle den bösen 
Wandernegern nutzlos nachzulaufen. Ich trat etwas 
aufgebracht für die gute Ordnung ein, und nun 
mußten sich unsere Leute bequemen, in die Wasser- 
löcher hinabzuklettern und unten zu schöpfen. Sie 
zeigten sich dafür äußerst zähe, und ich weiß wirklich 
nicht, wie sie sich wieder herausarbeiteten. Die 
Neger sind wie die anderen Leute. Wenn sie einen 
in der Klemme sehen, können sie stundenlang lachen, 
ehe sie an Hülfe denken. Das Wasser, das wir auf 
diese Weise bekommen, ist nach Aussage der Neger 
gut; aber hier muß man wohl einen Unterschied 
zwischen schön und gut gelten lassen. Selbst der 
abgehärtetste Reisende fände es nichts weniger als 
schön, trotzdem es recht trinkbar ist. Man wirft 
etwas Alaun hinein, um es zu klären, und darf es 
dann, ohne Anstand zu nehmen, genießen. Leider 
konstipirt es, dank der „aufklärenden“ Zuthat, und 
dazu soll Alaun die Zähne ausfallen machen. Wenn 
es sich also um andere als um künstliche handelt, 
ist man in Gefahr, sich ausschließlich mit Mutma 
(Sterzeln) nähren zu müssen. Allzu naheliegend 
wird sie freilich nicht sein, und ich hoffe, wenigstens 
einige Predigerzähne mit ins Grab zu nehmen. 
Lihumwa, 7. Oktober: Wir mochten heute 
Morgen noch ein klein wenig die Tirikesa verspüren. 
Wir waren mit einer programmwidrigen Verspätung 
  
416 — 
abgezogen, und die Träger bemerkten, daß sie heute 
zum erstenmal hätten ausschlasen können, daß ihnen 
die Augen dick geworden. Sie sind aber nichts 
weniger als übermäßige Schläfer. Am Abend kriechen 
sie nie vor 10 bis 11 Uhr ins Bett, und morgens 
um 4 Uhr sind sie gewöhnlich auf den Beinen. 
Manche schlafen nachts überhaupt nicht und vergüten 
sich dann durch etwas verlängerte Siesta. Bei ihrer 
nicht eben leichten Tagesarbeit zeichnen sie sich 
allenfalls vor gleichgestellten Wazungu recht vor- 
theilhaft aus. — Wir haben auf der Barabara 
den Vortheil, unseren ganzen Tagemarsch vor uns 
zu sehen. Leider verschwinden in diesem Gesammt- 
überblick die halsbrecherischen Terrainschwierigkeiten 
für den Blick und damit glaubt man die guten 
Wanderer befriedigt. 
Wir mußten z. B. über ein Flußbett setzen, das 
3 m tief und 5m breit, zu beiden Seiten jähe 
Felswände bot. Eine Brücke aus Eichenholz hätte 
fast keine Mühe gemacht, und bei der Tiefe des 
Bettes würde nie der angeschwollene Bach die Brücke 
mit fortgenommen haben. 
Wir lagern heute etwas näher beim Wasser, 
das weniger Mühe kostet und dazu noch dos Wild 
anzieht. Auch haben wir für den Abend fünf Perl- 
hühner und Dutzende von Turteltauben, die eine 
immerhin angenehme Abwechselung ins Ordinäre 
bringen. Für morgen und übermorgen verheißen 
wir uns übrigens noch etwas Besseres. 
Dodoma, 8. bis 10. Oktober. Unser heutiges 
Lager ist wirklich mustergültig. Wir erreichten nach 
nicht allzu starkem Marsch Dodoma, das ein wirk- 
liches Negerparadies ist und sich dazu ziemlich weit 
ausdehnt, so daß es unerschöpflich war. Als Lager- 
platz haben wir einen weiten, etwas unebenen Platz 
an einem nicht gänzlich ausgetrochieten Fluß, den 
zwei mächtige wilde Feigenbäume beschatten. Für 
unsere Träger giebt es in der großen, gut bebauten 
Ebene Nahrung in Hülle und Fülle zu lächerlich 
billigen Preisen. Für uns unerschöpfliche Jagd- 
gründe und ein wohlverdienter Ruhetag. 
Seit vier Wochen geht es voran, und nur unserer 
bis dato unverwüstlichen Gesundheit ist es zu 
danken, daß wir nicht früher dazu genöthigt wurden. 
Dank einer klugen Mäßigung in der Bemessung 
unserer Etappen und treuer Hochschätzung der bis- 
herigen Erfahrungen und insbesondere der Rath- 
schläge unseres hochw. Generaloberen, dürfen wir 
uns rühmen, eine der seltenen, vielleicht die einzige 
Karawane zu sein, die Kilimatinde erreichen wird, 
ohne daß ein einziger in der Hängematte hätte ge- 
tragen werden müssen; drei äußerst leichte Fieber- 
anfälle ausgenommen, hat es überhaupt keine Un- 
päßlichkeit gegeben. Ruhe nach Extraanstrengung 
mußte fast selbstverständlich in den Fahrplan hinein, 
und eine bessere Gelegenheit wie in Dodoma konnte 
es nicht geben. Die Wasserlöcher gruben wir selbst 
und viele Mühe kostete es nicht. Das Wasser kommt 
fast bis zur Oberfläche; die guten Wagogo sehen
	        
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