Metadata: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

602 XI. Reichskriegswesen. Art. 63. 
ergebenden Machtbefugnissen auf ein verhältnismäßig geringes Maß zurück- 
geführt, aber die Reichsverfassung wollte die Kontingentsgewalt als Prinzip 
aufrecht erhalten, sonst hätte die verfassungsmäßige Regelung der Gewalt 
über das Heer so kurz und einfach sein können wie die für die Marine 
nach Art. 53, bezüglich deren historisch begründete Rechte und partikularistische 
Empfindungen nicht zu schonen waren; denn die Marine ist eigentlich erft 
eine Schöpfung des Reichs und höchstens Preußen selbst hat in dieser Be- 
ziehung Opfer für das Reich gebracht. In Ansehung des Heeres wollte 
man, wie der Abg. v. Sybel in der Sitzung des konst. Reichstags v. 
23. März 1867 St. B. 326 ausführte, fortiter in re, aber suaviter in modo 
vorgehen. Dieser Tendenz entspringt es, daß man das Kontingentssystem 
und die Selbständigkeit der Kontingentsverwaltung unzerstört lassen wollte, 
wenngleich sie mit Kautelen umgeben wurde, welche die Einheit, Schlag- 
fertigkeit und Kriegstüchtigkeit des Heeres sicherstellen und deren stärkste 
der Oberbefehl des Kaisers ist. Das Kontingentssystem ist danach diejenige 
staatsrechtliche Form, die der verfassungsmäßigen Regelung des Heerwesens 
zugrunde liegt. 
III. Der Oberbefehl des Kaisers. 
„Die gesamte Landmacht des Reichs steht im Kriege und im Frieden 
unter dem Befehl des Kaisers.“ Der Kaiser übt den Oberbefehl durch die 
ihm unmittelbar untergebenen, an die Spitze des Armeekorps gestellten und 
von ihm ernannten kommandierenden Generale aus, diese wiederum durch 
die ihnen unterstellten militärischen Kommandobehörden. Der Umstand, 
daß die nichtpreußischen Offiziere zum größten Teil von den Kontingents- 
herren ernannt werden, ändert nichts an ihrer Gehorsamspflicht gegenüber 
dem Kaiser. Bei der Ausübung des Oberbefehls wird der Kaiser, abgesehen 
von den kommandierenden Generalen, namentlich durch drei Zentralstellen 
unterstützt, durch das preußische Kriegsministerium, das Militärkabinett und 
den Generalstab der Armee. Der Generalstab der Armee hat alle die 
Strategie und Taktik betreffenden allgemeinen Fragen, insbesondere im 
Frieden die Mobilmachung, die Dislokationen der Truppen, die Telegraphen- 
und Eisenbahnangelegenheiten, Manöver, Landesaufnahme, Nachrichtenwesen, 
Kriegswissenschaften und im Kriege den ganzen Feldzugsplan zu bearbeiten. 
Das Militärkabinett bereitet die vom Kaiser zu erledigenden Kommando- 
sachen, insbesondere die Personalien der Offiziere und alle den Offizierersatz 
betreffenden Angelegenheiten sowie die Gnadensachen vor. Das Kriegs- 
ministerium bearbeitet die Geschäfte der Armeeverwaltung, d. h. alle auf 
die finanzielle Versorgung der Armee sich beziehenden Geschäfte, die Natural- 
und Geldverpflegung der Offiziere und Mannschaften, die Bekleidung, Be- 
waffnung und sonstige Ausrüstung sowie die Herstellung und Unterhaltung 
aller der Landesverteidigung und der militärischen Ausbildung dienenden 
Anstalten und Einrichtungen. Die Armeeverwaltung ist aber Sache der 
Kontingentsherren und deshalb ist das Kriegsministerium eine preußische 
Landesbehörde und die anderen drei selbständigen Kontingente haben eben- 
falls Kriegsminister, die dem preußischen Kriegsminister grundsätzlich koor- 
diniert find, wenngleich der letztere als Vertreter des bei weitem gtößten 
Kontingents und als dem Kaiser — in dessen Eigenschaft als König von 
Preußen — unmittelbar untergeben, eine prominente Stellung gegenüber 
den Kriegsministerien der anderen Kontingente im Interesse der Einheit der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.