Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

Von Diköa bin ich über Nyaba nach Sehram 
am Tsadsee einmal und dann direkt östlich über 
Kaba Kura nach Kusseri marschiert. 
Eine Beschreibung über Deutsch-Bornu braucht 
nur sehr allgemein gehalten zu sein, um ein Bild 
von der Natur des Landes zu geben; alle Einzel- 
heiten, die für den Fachgelehrten Interesse bieten, 
sind von Barth, Vogel, Overweg und Nachtigal so 
peinlich genau zusammengestellt worden, daß geo- 
graphisch und ethnographisch wohl kaum irgendwo 
in Afrika so wenig neues gefunden werden kann 
wie hier. 
Der Weg durch Woladje führt in 16 Marsch- 
stunden von Doloo nach den Wasafelsen, deren 
Breite von Vogel feftgelegt ist. Das Land ist bis 
sechs Stunden von Doloo von Mandaraleuten be- 
wohnt und, wo es bebaut ist, in guter Kultur. Wo 
keine Siedlungen sind, ist leichter, niederer Dorn- 
busch vorherrschend. An kleinen Wasserläusen, die, 
vom Gebirge kommend, sich allmählich in der Ebene 
verlaufen, ist Wiesenland. Der Dornbusch, der hier 
sein südlichstes Auftreten hat, ist bis zum Tsadsee 
typisch. Er vergrößert und verdichtet sich stellen- 
weise zu fast undurchdringlichen Waldungen. Wo 
das dichter bevölkerte Mandaragebiet aufhört, beginnt 
die Sieppe der Benihassenaraber, die hier bereits 
seit zwei Jahrhunderten seßhaft sind und von Osten 
aus Wadai stammen. Sie haben die Kamelzucht 
hier aufgeben müssen, weil die Tiere das Klima 
nicht vertrugen, und sind Ackerbauer und Kleinvieh- 
züchter geworden. Die Ebene zeigt eine seltsame 
Abwechselung. Ost hoben sich, weil die Wasser 
stagnieren, weite Sumpfflächen gebildet, wo das Gras 
übermannshoch steht und hohe Palmen gedeihen, 
dann folgen kilometerlange, trockene Steppenstrecken, 
die ganz Wüstencharakter tragen, bis niederer Dornbusch 
zu einem grünen Grasteppich hinübergeleitet, auf dem 
große Rudel Antilopen äsen, unter denen namentlich 
das Hartebeest neben Pallah= und Gazellenarten 
häufig ist. Im Dornbusch schweifen Elefant und 
Giraffe von Mußgu durch Wandala bis in die west- 
liche Margkisteppe. Der Elefant gehört zur Sudan- 
art, ist niedriger, mit breiterem Kopf, schlechter im 
Wildpret als der Elefant der Westküste, mit kurzen, 
dicken Zähnen. Die Giraffen sind zahlreich, aber 
sehr scheu, und suchen, wenn sie flüchtig werden, 
gern Sumpfboden auf, den sie mit ihren breiten 
Hufen sehr geschickt passieren, während ihnen das 
Pferd längst nicht mehr zu folgen vermag. 
Araberdörfer sind überall in der Steppe ver- 
streut. Die Hütten sind nirgends mit Zuhilsenahme 
von Erde oder Steinen, sondern oft recht umfang- 
reich aus Rohrmaterial hergestellt, das ein kuppel- 
artiges, rundes Grasdach abschließt. Menschen, 
Hunde, Ziegen, Schafe und Hühner wohnen zu 
ebener Erde in demselben Bau. Einige Felle, Matten 
und Töofe machen den gesamten Hausrat aus. Von 
Großvieh besitzen die Benihassen wenig, das haben 
ihnen Fullahs und später Rabbahleute genommen. 
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In den Korn= und Reisfeldern arbeiten Männer, 
Frauen und Kinder fleißig. Sklaven gibt es wenig, 
die Ernte wird in tiefen Gruben geborgen. Ist der 
jungfräuliche Boden nicht mehr ertragsfähig, so wird 
das Dorf verlegt. Die Araber haben sich überall 
ziemlich rein erhalten, ganz im Gegensatz zu ihren 
nach Adamaua ausgewanderten Stammesangehörigen, 
die sogar selten ihre Sprache bewahrt haben. Viel 
dazu beigetragen hat entschieden ihre Armut, die sie 
den mohammedanischen Nachbarn nicht als ersehnte 
Freier für ihre Töchter erscheinen läßt. Die Männer 
tragen durchgehends die schwarze, meist recht zer- 
schlissene Tobe und einige ganz leichte Wurfspeere. 
Selbst Bogen, Messer und Schild fehlen häufig. 
Die Haare haben sie fast ganz rasiert und gehen 
barhäuptig. Die Weiber tragen die langen Haare 
in zahlreiche Zöpfe geflochten auf die Schultern 
niederfallend. Knaben bis zur Beschneidung und 
junge Mädchen gehen ganz nackt, später tragen letztere 
ein Tuch um die Hüften bis unter die Knie reichend; 
erstere ein Ziegenfell an einem Riemen befestigt über 
eine Schulter gehängt. Schöne Gestalten mit echt 
semitischem Typus sind häufig. Die einzelnen Dorf- 
gemeinden werden vom Scheich geleitet, der dem 
Oberherrn für den Jahreszins, den sämtliche Araber 
zahlen müssen, verantwortlich und gleichzeitig meist 
der einzige Schriftkundige und Vorbeter ist. 
Bei dem Felsen von Wasa, einem in der Tsad- 
ebene weithin sichtbaren Merkzeichen, stoßen die Reiche 
Mandara — denn dorthin zahlen die südlichen Beni- 
hassen Tribut — Logone und Bornu zusammen. 
Das alte Wasa ist von den Fullahs aus der Marrua- 
ebene (gabba) vor ungefähr 30 Jahren zerstört 
worden und an seine Stelle, als vermittelnder Markt, 
ist das zwei Stunden nordöstlich gelegene Hoia ge- 
treten, das bereits von Kotako sprechenden Logone- 
leuten bewohnt ist. · 
Die Kotokos, die in breitem Streifen sehr zahl- 
reich vom Tsadsee Schari abwärts bis oben nach Hoia 
im Süden sitzen, sind wie die Kanembus Landes- 
eingesessene, während die Kanuris (d. h. die eigent- 
lichen Bornuleute) durch das Ghazal eingewandert 
sind, allerdings bereits seit dem 13. Jahrhundert 
geschichtlich innerhalb dieses Reiches nachweisbar 
sind. Kotokos finden sich überall in Bornu unter 
Kanuriherrschaft; geschlossen unter eigenen Herrschern 
sitzen sie im Lande Makary (von Kusseri bis zum 
Tsad) und in Logone, dessen südlichsten Posten das 
genannte Hoia bildet. 
Das Land Logone ist durch Jahrhunderte in festerer 
oder geringerer Abhängigkeit von Bornu gewesen, 
das in Kusseri am Zusammenfluß des Logoneflusses 
mit dem Schari seinen eigenen festen Fährplatz nach 
Bagirmi hinüber besitzt. Das Land grenzt im 
Süden an die sprachverwandten heidnischen Mußgus, 
im Osten an Bagirmi und im Norden an das 
stammeszugehörige Makaryland. 
Das Land zwischen Hoia und der Hauptstadt 
des Landes, Karnak Logon, setzt sich aus wechselnden 
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