Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

Bericht des in der Herbsttagung des Jahres 1901 
gewählten Ausschusses über den Entwurf einer Ver- 
ordnung, betreffend die Gerichtsbarkeit über die 
Eingeborenen Deutsch-Südwestafrikas in bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten, wozu eine Außerung des Gouver- 
neurs Leutwein und der Entwurf einer Verfügung, 
betreffend Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten von 
Nichteingeborenen mit Eingeborenen des südwest- 
afrikanischen Schutzgebietes, vorlagen. Nach Er- 
stattung des Ausschußberichtes durch Justizrat 
Dr. Porsch beantragte Exzellenz v. Hofmann die 
Überweisung des erwähnten Verfügungsentwurfes 
an den Ausschuß, wogegen der Vorsitzende betonte, 
daß die Kolonialverwaltung großen Wert auf als= 
baldige Erledigung der Angelegenheit lege, wenigstens 
des materiellen Teiles der Verfügung. In der 
Nachmittagssitzung wurde dann ein Antrag einge- 
bracht, wonach die Formulierung der Verfügung 
einer Verständigung der Regierung mit dem um 
zwei Mitglieder verstärkten Ausschusse überlassen 
werden soll. Der Antrag wurde einstimmig ange- 
nommen und in den Ausschuß die Herren Exzellenz 
v. Jacobi und A. Woermann zugewählt. 
Über die Landfrage in Kamerun, die den letzten 
Gegenstand der Tagesordnung bildete, lag ein schrift- 
licher Bericht des Ausschusses vor. In der ausge- 
dehnten Debatte, an der sich außer dem Bericht- 
erstatter Herrn Vohsen die Herren Dr. Scharlach, 
Exzellenz v. Jacobi, Staudinger, Dr. Schöller, 
Woermann und Vietor beteiligten, wurde die Frage 
der Begrenzung der Landeigentumsrechte der Ein- 
geborenen und die Rechte der Gesellschaften Süd- 
und Nordwestkamerun eingehend erörtert. Der 
Kolonialrat nahm zum Schluß mit großer Mehrheit 
den vom Ausschuß vorgeschlagenen Beschluß an, der 
solgenden Wortlaut hat: 
„Der Kolonialrat spricht seine Befriedigung über 
den Inhalt des Erlasses vom 28. Dezember 1901 
aus und begrüßt die am 8. April 1902 erfolgte Ein- 
setzung einer Landkommission. Die Einsetzung nur 
einer Kommission wird aber nicht ausreichen, wenn 
die umfangreichen in Rede stehenden Aufgaben in 
befriedigender Weise und absehbarer Zeit erledigt 
werden sollen. Die Bestellung eines Pflegers zur 
Wahrung der Rechte der Eingeborenen wird obliga- 
torisch auszusprechen sein. Auch wird die Anhörung 
von Sach= und Sprachkundigen vorzusehen sein. 
Dabei sind die Vorschriften der Allerhöchsten Ver- 
ordnung vom 15. Juni 1896 und der Verfügung 
des Reichskanzlers vom 17. Oktober 1896 wegen der 
Wahrung des Eigentums und der dinglichen Rechte der 
Eingeborenen und wegen des Vorbehalts von Flächen, 
deren Bebauung oder Nutzung den Unterhalt der 
Eingeborenen auch mit Rücksicht auf künftige Be- 
völkerungszunahme sichert, streng zu beachten. Die 
Zusammenlegung der Eingeborenen in geschlossenen, 
aber nicht zu umfangreichen Dörfern ist je nach den 
örtlichen Verhältnissen wünschenswert, und sind deren 
Vorteile den Eingeborenen unter Hinweis auf die aus 
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den bisherigen Zusammenlegungen gewonnenen gün- 
stigen Erfahrungen einleuchtend zu machen; jedoch 
ist dabei jeder Zwang ebenso wie jeder Zwang zur 
Arbeit in den Plantagen auszuschließen, auch dürfen 
nicht nachträglich Eingeborene in das zuvor anderen 
überwiesene Land eingewiesen werden. Erfolgt die 
Zusammenlegung, so hat die Zuweisung des neuen 
Landes in möglichst ergiebiger, die bisherigen Befit- 
verhältnisse und das bei Verständnis für den wirt- 
schaftlichen Erwerb wachsende Bedürfnis berücksichti- 
gender Weise zu erfolgen, so daß die Eingeborenen 
ihren vollen Lebensunterhalt auf dem neuen Besitz 
erwerben können. Ein bestimmtes Maß der zuzu- 
weisenden Flächen ist dabei nicht festzuhalten, nament- 
lich ist daber auch die verschiedene Fruchtbarkeit der 
zuzuweisenden Flächen in Betracht zu ziehen. Das- 
selbe gilt bei der Zumessung der Flächen, welche mit 
Rücksicht auf die künftige Bevölkerungszunahme zu 
reservieren sind. Insofern bei den bisherigen An- 
siedelungen der Eingeborenen in geschlossenen Dörfern 
solche Reservate nicht vorbehalten worden, find nicht 
nur weitere Anträge auf sofortige Ergänzung der 
Landzuweisungen tunlichst zu berücksichtigen, sondern 
es ist auch erforderlich, daß eine größere nicht zu 
entfernte Fläche guten Bodens als Kronland vorläufig 
im Besitz der Regierung behalten wird, welche den 
Eingeborenen auf Wunsch zu billigen Bedingungen 
zu überlassen ist. Vorbehültuch der Wahrung der 
öffentlichen Interessen sind den Eingeborenen nach- 
weisbare Rechte auf die Jagd, den Fischfang, das 
Einsammeln und die Verwertung von Naturprodukten 
zu wahren und auch ohne solchen Nachweis auf 
allem herrenlosen Land, solange dasselbe nicht als 
Kronland erklärt und Dritten überwiesen ist, zuzu- 
gestehen. Die Entnahme von Feuerungsholz und 
des für den Bau von Hütten und Fahrzeugen be- 
nötigten Holzes ist den Eingeborenen dauernd ein- 
zuräumen.“ 
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* 
Die von der Kolonialverwaltung dem Kolonial= 
rat zur Kenntnisnahme vorgelegte Übersicht über 
die seit der letzten Tagung vorgefallenen, 
die Schutzgebiete betreffenden wichtigeren 
Ereignisse lautet, wie folgt: 
Allgemeines. 
Auf dem Gebiete der Rechtspflege erwies es sich 
als notwendig, die die Rechte an Grundstücken be- 
treffenden Vorschriften, welche seinerzeit in Anlehnung 
an das preußische Grundbuchrecht aus dem Jahre 1872 
erlassen waren, on das System des Bürgerlichen 
Gesetzbuchs und der Reichsgrundbuchordnung anzu- 
passen. Es ist dies durch die Allerhöchste Verord- 
nung vom 21. November 1902 und eine Ausführungs- 
verfügung des Reichskanzlers vom 30. November 1902 
geschehen und zwar mit Wirkung vom 1. April 1903. 
Auf eine Anregung aus Deutsch-Südwestafrika hin 
wurde ferner die bis dahin nur für Ostafrika näher 
geregelte Enteignung von Grundeigentum zum Gegen- 
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