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Bericht des Stationschejs von Ossidinge Grafen v. Pückler-
Limpurg über eine Expedition in das noördliche Croß-
gebiet vom 23. April bis 3. Mai z90§.
Am 23. April brach ich mit einem Unteroffizier,
20 Polizeisoldaten, 16 Trägern (Ekois und Kheakas),
den nötigen Dolmetschern sowie dem Häuptling von
Mokum, welcher als Händler häufig im nördlichen
Croßgebiet reist, von der Station auf. Der Zweck
der Reise war: mit den allgemein als wild, unzu-
gänglich und kriegerisch geschilderten Anyangs?) in
Fühlung zu treten, den Machtbereich der Station
auch über diese Landschaften auszudehnen und die
Eingeborenen zu veranlassen, einen direkten Verkehr
mit den deutschen Faktoreien am Croß zu pflegen.
Bereits am 13. und 14. Februar war ich von
M'bakum bis zur Einmündung des Mungaya in den
Croß marschiert und hatte damit eine Basis für einen
neuen Vorstoß in das Hinterland gewonnen. Als
Ausgangspunkt für weitere Unternehmungen in Anyang
und wichtiger Handelsplatz ist der große Ort Kesham
anzusehen, dessen energischer und von den Nachbar-
stämmen gefürchteter Häuptling Ennokarasi mit der
Zeit eine Stütze für die Regierung zu werden ver-
spricht, wenn er erst sein Mißtrauen und seine Angst
vor den Europäern abgelegt hat.
Am ersten Marschtage erreichte ich nur Egagba
(Hauptlager Odjae), da das Ubersetzen über den
Croß sehr lange Zeit in Anspruch nahm. Am 24.
marschierte ich nach Kesham, wo der Häuptling dieses
Mal anwesend war und für reichliche Verpflegung
gesorgt hatte. Inzwischen war seitens der Gesellschaft
Nordwest-Kamerun auf meine günstige Beurteilung
von Kesham als Handelsplatz daselbst mit dem Bau
einer Faktorei begonnen worden, worüber die Kesham-
leute sehr erfreut waren. Ich moöchte hier noch ein-
sügen, daß der M'mam nach den Angaben der Ein-
geborenen in der Regenzeit bis auf etwa ½ Stunde
von Kesham schiffbar sein soll.
Der nächste Tagemarsch führte mich in vier
Stunden nach Baddje. Der Weg war ziemlich eben,
jedoch häufig durch kleine Wasserläufe — Zuflüsse
zum Munaya — unterbrochen. Etwa 20 Minuten
vor dem Dorf stößt man in den zahlreichen Niede-
rungen auf riesige Bestände von Raphiapalmen, die
sich dort zu einer ganz enormen Größe entfalten. In
Baddje selbst fand ich neben den gewöhnlichen An-
pflanzungen von Planten, ams, Mais und Pfeffer
auch Tabakbeete. Der Häuptling Ennaio war in
seinem ersten Schrecken weggelaufen, kam jedoch, als
seine Leute ihm von meinen friedlichen Absichten
berichteten, alsbald zurück und lieferte gleichfalls
reichlich Lebensmittel.
Am 26. ließ ich den größten Teil der Expedition
*) Der Bericht betrifft das bisher ganz unerforschte
Gebiet westlich von Baliburg und östlich der Station Ossi-
dinge, welches auf der kürzlich erschienenen Karte von Moisel
„Das nordwestliche Grenzgebiet von Kamerun zwischen Rio-
del- --Key und Bali“ (Mitteil. a. d. deutschen Schutzgeb. 1903,
Heft 1) noch einen vollig weißen Fleck bildet.
in Baddje zurück und marschierte nur mit einigen
Soldaten und Trägern für das Faltboot nach dem
Munaya (Mun = kleiner, aya = großer Fluß). Ich
wollte erstens Erkundungen über die Schiffbarkeit
des Flusses einziehen, dann aber den Anschluß an
die Ramsaysche Route gewinnen, um eine bessere
Kontrolle für meine Aufnahmen zu erzielen.
Auf dem Wege zum Munaya passierte ich die
beiden Okbampedörfer, die ebenso wie nachher Arndji
und Byamesso am rechten Ayaufer von den Ein-
wohnern verlassen waren. Über die Schiffbarkeit des
Munaya glaube ich nach den Aussagen der Baddje-
leute und meiner persönlichen Augenscheinnahme an
den beiden Übergangsstellen als sicher annehmen zu
können, daß dieselbe in der hohen Regenzeit wenig-
stens bis in die Nähe von Baddje möglich ist. Die
Eingeborenen am Mungaya haben Kanus, behaupten
dieselben aber nur zum Ubersetzen zu gebrauchen.
Nach Baddje zurückgekehrt, gelang es mir nach
längeren Verhandlungen vom Häuptling einen Führer
nach Njang für den nächsten Tag zu erhalten, welches
östlich von Baddje zu liegen schien, in Wirklichkeit
aber südsüdöstlich liegt. Die Landschaft Njang be-
steht aus einer großen Anzahl kleiner Dörfer, die
inmitten ausgedehnter Farmen liegen; auch größere
Anpflanzungen von Tabak habe ich wiederum vor-
gefunden. Die Leute von Njang (Stamm Anyang),
welche wie ihr Häuptling Tari sehr zutraulich waren,
beschäftigen sich ausschließlich mit Farmbau und
brachten eine Menge großer Planten und Feldfrüchte
herbei. Den folgenden Tag blieb ich in Njang, um
weiteres von dem östlich gelegenen Gebiet zu erfahren,
wurde jedoch nur, wie bereits in Kesham und Baddije,
auf das einige Tagereisen nördlich liegende Biteku
hingewiesen, wohin ein Weg von Okbampe aus
führen soll.
Von Nijang aus erreichte ich am 29. nach mehr
als sechsstündigem, sehr anstrengendem Marsch Mba-
kum. Gleichfalls bei Mbakum sind große Farm-
anlagen und sehr ausgedehnte Bestände von Olpalmen.
Auch hier hat die Gesellschaft Nordwest-Kamerun
mit der Anlage einer Faktorei begonnen, um die
Produkte der Palme aufzukaufen und auf dem Croß
nach Old-Calabar zu verschiffen. In Mbakum war
der Häuptling Mbiaio-Eta anwesend, aber seine Leute
waren alle aus Angst weggelaufen.
Am 30. April marschierte ich den bereits am
12. Februar begangenen Weg nach Mamfe und traf
um 10 Uhr 20 Min. auf der sehr schön, hoch über
dem Croß gelegenen Faktorei der Gesellschaft Nord-
west-Kamerun ein. Bei Mbakum und auch bei
Tengon und Kesham hatten die Leute bereits mit
dem Wegereinigen begonnen.
Den für die Expedition nächstfolgenden Ruhetag
benutzte ich zu einer Fahrt auf dem bisher als nicht
mehr schiffbar bezeichneten Croß. Ich selbst fuhr im
Faltboot, der Kaufmann Willhöfft der Gesellschaft
Nordwest-Kamerun in einem Kanu. Bei der Ein-
mündung des Bali in den Croß entsteht eine see-